prisma 29/2020

Ein Versuch: So fühlt sich Reisen in Zeiten von Corona an

Von Stephan Braun

Reisen in Zeiten von Corona: Geht das? Diese Frage beantworten die Behörden. Ich stelle sie anders: Macht das Spaß? Dazu habe ich zwei Versuche gemacht: eine Reise in Deutschland mit eigener Anfahrt mit dem Auto und einen Kurztrip nach Italien mit kombinierter Bahn- und Fluganreise.

Um die Antwort direkt zu geben: Ja, Reisen kann trotz Corona richtig Spaß machen! Meine Beobachtung: Die Anstrengungen der Länder, Touristiker, Regionen, Restaurants, Hotels und vieler weiterer Dienstleister sind enorm, die Konzepte zum Teil hervorragend. Jetzt kommt es auf das Verhalten eines jeden Einzelnen an. Was mir aufgefallen ist:

Urlaub mit Eigenanreise in Deutschland:

Autoanreise: Für den Urlaubsaufenthalt selbst habe ich ausreichend Exemplare des Mund-Nasenschutzes mit, alle schön in der Reisetasche verpackt – im Kofferraum. Doch spätestens beim ersten Stopp an der Tankstelle oder beim Autobahnrestaurant wird klar: Du brauchst die Dinger jetzt. Also: Zumindest ein paar Einwegmasken sollten immer im Handschuhfach liegen.

Restaurants: Bei manchem Fast-Food-Restaurant ist Geduld angesagt. Zwar können Speisen und Getränke jetzt komfortabel über einen Touchscreen bestellt und auch bezahlt werden, doch damit müssen viele erst noch zurechtkommen. Schnell bilden sich lange Schlangen. Der Unmut unter den Wartenden wächst, Sicherheitsabstände können nicht mehr gut eingehalten werden, vorgegebene Laufwege werden in der Menge übersehen. Beim Bestellen am Autoschalter läuft hingegen alles wie gewohnt. Und schneller. Sehr gefallen hat mir die Finte einer Bergalm in Bayern: "Reserviert" stand auf der großen Außenterrasse auf jedem Tisch. Weshalb, alles ausgebucht? Weit und breit ist kein Wanderer in Sicht. "Nein, hätten wir dort keine Schildchen hingestellt, würde sich sicher jeder einfach irgendwo hinsetzen. Wir wollen, dass die Gäste uns ansprechen und sie dann gemäß unserem Hygienekonzept zum passenden Tisch führen", sagt die Bedienung. Eine Absperrung des Außenbereichs wäre zu aufwendig gewesen. So gut und pfiffig die Konzepte der Gastronomen auch sind: Immer wieder beobachte ich, dass sich nicht jeder im Restaurant an die vorgegebenen Regeln hält. Laufwege werden nicht eingehalten und leider fehlt oft der Mund-Nasenschutz. Schade.

Einzelhandel: Ehrlich gesagt spielt es keine Rolle, ob ich zu Hause einkaufe oder im Urlaub. Die Abläufe sind längst bekannt und deshalb nicht neu. Was fehlt: Das Bummeln durch die Geschäfte gerät im Urlaub deutlich zu kurz. Es macht einfach nicht so viel Spaß wie zu Vor-Corona-Zeiten. Ein Urlaubskiller ist das aber nicht.

Mein Fazit: Urlaub mit Eigenanreise innerhalb Deutschlands ist gar kein Problem. Die Einschränkungen, die mir auferlegt werden, nehme ich gerne hin. Verzichten muss ich auf nahezu nichts.

Urlaub mit kombinierter Bahn-/Fluganreise innerhalb Europas:

Bahn: Auf dem Weg zum Flughafen sitze ich im ICE, auf der Rückreise natürlich auch. Jedes Mal ist der Zug recht leer. Ich finde immer einen guten Sitzplatz, die Abstände zu den Mitreisenden sind also groß. Wie ich mich allerdings fühlen würde, wenn der Zug voll besetzt wäre? Kontrolliert werde ich nicht, dafür ist die Fahrt zu kurz.

Am Flughafen: Noch nie habe ich den Frankfurter Flughafen so leer erlebt. Ein trauriges Bild, die vielen geschlossenen Geschäfte zu sehen. Der Check-In verläuft sehr diszipliniert. Ist aber auch kein Wunder: Das Schlangestehen auf vorgegebenen Markierungen sind wir inzwischen aus Baumärkten und Gartencentern seit mehreren Monaten gewohnt. Im Abflugbereich wird es dann erstmals etwas enger. Doch nach einer freundlichen Durchsage rücken alle wieder auseinander. Der Einsteigeprozess ist perfekt organisiert und wird gut erklärt: Alles läuft etwas langsamer, schön den Sitzreihen nach, stets mit ausreichendem Abstand. Und: Zum ersten Mal wird die Körpertemperatur gemessen.

Im Flugzeug: Auf meinem Flug nach Italien bleibt in allen Dreier-Reihen der mittlere Sitz leer. Es herrscht für die komplette Zeit im Flieger Maskenpflicht. Jeder Reisende füllt gleich zwei Formulare aus, so kann im Falle einer Corona-Infizierung die komplette Kontaktkette nachverfolgt werden. Die Verpflegung an Bord: Die Stewardess reicht ein Snack-Bag, dazu eine kleine Flasche Wasser. Aus Umweltsicht geht das gar nicht: In der Papiertüte befinden sich gleich zwölf Teile – alle einzeln in Plastik eingeschweißt. Das geht deutlich besser: Äpfel, Bananen, Rosinenbrötchen beispielsweise. Das Gefühl im Flugzeug insgesamt: gut. Die getroffenen Maßnahmen sind nicht nur wichtig, sondern vermitteln ein gewisses Gefühl von Sicherheit.

Transfer zum Hotel: Im Reisebus bleibt jeder zweite Sitz frei, jeweils der am Gang. Auch hier herrscht Maskenpflicht. Es wird ein Formular verteilt: Das Hotel wünscht meine Daten. Formular Nummer drei. Es werden im weiteren Reiseverlauf noch drei weitere Formulare folgen. Wie gut, dass ich meinen eigenen Stift dabeihabe. Währenddessen präsentiert der Reiseleiter stolz seine wunderschöne Heimatregion Kalabrien.

Hotel: Ich habe noch nie einen Empfangsmitarbeiter gesehen, der sich während der wenigen Minuten des Eincheckens dreimal seine Hände desinfiziert. Vielleicht ein wenig übertriebene Hygiene. Aber lieber zu oft als zu wenig. Überhaupt: Wenig gibt's hier nicht. Alles ist gemäß der geltenden Vorschriften umgesetzt, ausgeschildert oder wird den Gästen persönlich erklärt. In geschlossenen Hotelräumen bewegt man sich wie selbstverständlich nur mit Mund-Nasenschutz, vor dem Abendessen wird am Eingang des Speisesaals die Körpertemperatur gemessen. An den Tischen wird serviert, auch zum Frühstück. Die Kellner legen jede Menge extra Meter ein. Alle Gäste zeigen Verständnis dafür, dass sich so mancher Ablauf erst einspielen muss. Auch, dass die hoteleigene Disko noch geschlossen hat, stört niemanden. Schnell nehme ich mir quasi im Vorbeigehen an vielen der aufgestellten Spender immer wieder eine Portion Desinfektionsmittel für meine Hände, ist mittlerweile Routine. Und dass die Liegen am Pool und am Strand jetzt weiter auseinandergestellt sind, ist prima und hilft fürs insgesamt gesehen gute Urlaubsgefühl.

Mein Fazit: Ich will nicht sagen, dass die Flugreise ins Ausland jetzt für Jedermann genau das Richtige ist. Aber: Sie ist möglich. Denn die Dienstleister sind alle hochmotiviert und bieten teils klasse Konzepte an. Ein gutes Gefühl hatte ich bei meiner Reise zu fast jeder Zeit. Nur gelegentlich nicht: Nämlich immer dann, wenn sich die Gäste nicht an die vorgegebenen Regeln halten. Daran müssen wir alle arbeiten.

Was sagen Reiseexperten dazu?

"Die Hoteliers vor Ort sind bestens auf Urlaub in Corona-Zeiten vorbereitet, sodass Gäste den Aufenthalt sorgenfrei genießen können", fasst Luca Picone-Chiodo, der für Italien zuständige Manager bei FTI, das Engagement der unterschiedlichen Dienstleister zusammen.

Tim Dunker, Geschäftsführer von Berge & Meer, unterstreicht: "Damit der Urlauber sich wohlfühlen kann, haben wir allen unseren Leistungsträgern Sicherheits- und Gesundheitskonzepte vorgegeben, die wir überwachen und die entsprechend eingehalten werden müssen."

Das sieht auch Norbert Fiebig so, der Präsident des Deutschen Reiseverbandes: "Es gibt touristische Zielgebiete mit nachweislich weniger Infizierten als in Deutschland. Vielerorts werden belastbare Hygiene- und Sicherheitsprotokolle umgesetzt, um die Gesundheit der Urlauber nicht zu gefährden."

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