prisma 45/2015

Sommermärchen

Von Detlef Hartlap

Auch Märchen haben ihre Schicksale. Die Straßenparty von 2006, begünstigt von gutem Wetter, wurde journalistisch zum "Sommermärchen" aufgeblasen.

Jahre zuvor, in der Nacht vor der Vergabe der WM, hatte die Satirezeitschrift "Titanic" den Herren der Fifa-Bruderschaft Kuckucksuhren und Schwarzwälder Schinken vor die Tür gestellt, eine niedliche Metapher für Bestechlichkeit.

War auch das Sommermärchen 2015 zu schön, um wahr zu sein? Die Verwandlung der Kanzlerin in eine Herzensdame?
Deutschland als Sehnsuchtsort?

Der zupackende Idealismus der Helfer war und ist real, das Staunen der Welt ebenfalls.

Dass sich Gegenwind erheben würde, war zu erwarten. Dass die feigen Teile der Politik auf diesem Wind reiten würden,
war auch klar. Was wirklich betrübt, mich jedenfalls, ist der geringe und von Wortschablonen geprägte Widerstand, der den
Analphabeten der Menschlichkeit, heißen sie Pegida oder AfD, entgegenschlägt.

Der Justizminister sagt: "geistige Brandstiftung". Und? Danach kräht kein Hahn. Moderator Jauch zieht im bürgerfinanzierten
Fernsehen das überbezahlte Haupt ein, wenn ein AfD-Typ mit dem Fähnchen wedelt. So wird das nichts mit dem Märchen.

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