prisma 09/2016

Ü-60-Party

Von Detlef Hartlap

Die meisten Zuschauer von ARD und ZDF haben noch Willy Brandts Kniefall in Warschau vor Augen. Das war am 7. Dezember 1970. Die Sender sind mit dem Publikum in die Jahre gekommen. Die Alten bleiben bei der Stange, aus Gewohnheit, aus Argwohn gegenüber Alternativen. Die Jungen interessiert das wenig.
Es mutet seltsam und politisch fragwürdig an, mit welcher Chuzpe die öffentlich-rechtlichen Sender den immer noch größeren Teil der Bevölkerung links liegen lassen und so tun, als genügte es, Ü-60-Party zu spielen.
Zwei Beispiele. Nachrichtensendungen von ARD und ZDF galten einmal als journalistisches Tafelsilber. Heute präsentieren sie sich zu oberflächlich, um seriöse Zeitungen zu ersetzen; zu ritualisiert, um lebendig zu wirken; zu selbstgefällig, um nicht peinlich zu sein.Tagesthemen und heute-journal provozieren, schon von ihrer Sprache her, Verständigungsblockaden bei der jüngeren Generation.
Oder die Talkshows. Es bramarbasieren die Politiker (oft dieselben). Auch wenn sie außer ihrem Antlitz wenig vorzuweisen haben. In einer Welt der Sachprobleme ist Sachkenntnis gefragt, nicht Parteimeinung. Dies Land ist gespickt mit Wissen und Expertentum. Das Fernsehen lässt es kaum einmal zu.

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