prisma 13/2016

Vom Zeitgeist

Von Detlef Hartlap

Heute schon das Abendland untergehen sehen? Heute schon bedauert, je Mutter geworden zu sein? Heute schon dem Nachbarn zugeraunt, die Merkel muss weg? Der Zeitgeist tut das, was er immer macht, er weht.
Der Zeitgeist ist ein Windbeutel, der zu Gemeinheiten neigt und sich aus dem Staub macht, bevor er zur Verantwortung gezogen wird. Im Moment weht er von weit rechts her, auch wenn es keine Rechten gibt in diesem Land, es fühlt sich nur so an.
Schon komisch: In einer Zeit historisch beispiellosen Wohlstands, bei historisch beispielloser Freiheit findet Deutschland – das Fernsehen sei dein Spiegel! – nur vereinzelt zu Freundlichkeit und Glück, doch massenhaft zur Hysterie. Gibt's da jemand, der an der Schnappatmung dreht und sich dabei ins Fäustchen lacht?
Stimmungen sind die neue Faktenlage, und diese Stimmungen sind zum Fremdschämen. Trost bei Goethe? Bitte!
"Wenn eine Seite nun besonders hervortritt und sich der Menge bemächtigt", schreibt er, "so nennt man jenes Übergewicht den Zeitgeist, der dann auch eine Zeitlang sein Wesen treibt."

Eine Zeitlang. Noch jeder Spuk ging vorüber; mancher hat indes großen Schaden angerichtet.

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