prisma 17/2016

Zeitung lesen

Langweilt die Wahrheit denn so sehr, dass man sie mit Lügen anhübschen muss? Die Rede ist nicht von der sogenannten "Lügenpresse", sondern von denen, die das Wort Lügenpresse im Munde führen.
Die Zeitungen erlangten in der alten Bundesrepublik und später im vereinigten Deutschland nach und nach ihr höchstes Sachlichkeits- und Aufklärungsniveau. Die weltanschaulichen Gegensätze, die hier und da glimmen mögen (und das auch sollen), bleiben verlässlich dem Gebot der Mäßigung untergeordnet.
 
Anders die Megaphonisten vom rechten Rand. Ihnen gilt: Wahrheit ist, was uns behagt! Zeitungsschlagzeilen geben sie gefälscht wieder, Tatsachen drehen sie in ihr Gegenteil, Flüchtlinge verhöhnen sie als "Deluxe-Invasoren".
Was soll das? "Das Geheimnis ihrer Stärke ist die Stärke ihrer Wünsche", schreibt der Soziologe Wolfgang Sofsky.
Wunschdenken wird leicht als harmlose Variante des Irrens abgetan. Womöglich ist das falsch. Womöglich ist der Traum von einer Rolle rückwärts in trägere politische Zeiten (die alles andere als intakt waren) nur eine Form von Feigheit vor dem Jetzt. Vielleicht sollten die "Lügenpresse"- Rufer einfach mal Zeitung lesen, um sich für die Welt, wie sie wirklich ist, fit zu machen.