prisma 50/2015

Zwei Gesichter

Von Detlef Hartlap

Ganz im Nu war die Welt in Weiß getaucht. Eine sonntägliche Fahrt durch Dithmarschen. Sie begann mit leisem Schneegriesel und endete im Wintertraum.

Wie verzaubert das Land aussah! Die gepuderten Tannen, friedlich, heimelig. Das Radio kündete von einem Draußen, das sich in Terror, Ausnahmezustand und Krieg erging. Die zwei Gesichter des Winters. Wer drinnen ist oder eine Heimstatt vor Augen hat, kann ihn genießen. Andere leben draußen in Zelten, im Niemandsland zwischen Staaten, der Kälte ausgesetzt, in urweihnachtlicher Not.

Zwei Monate nachdem mit einigem Pathos des ersten Vierteljahrhunderts Wiedervereinigung gedacht wurde, teilt sich Deutschland in zwei gegensätzliche Blöcke.

Auf der einen Seite diejenigen, die helfen wollen, die anpacken und Opfer bringen, aus einem natürlichen Impuls heraus
und weil sie ahnen, dass ein Element des Fremden diesem Land guttun kann, wie noch immer in der Geschichte.

Auf der anderen Seite die Verzagten, die nicht gern teilen mögen. Sie empfinden Fremde als Gefahr und sehen sich, ob sie
selbst helfen oder nicht, "am Limit". Für viele Opfer heißt das, den Winter von seiner hässlichen Seite zu erleben – und draußen zu bleiben.

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