14.03.2017 Kultur

Der Blick nach Süden

Von Florian Blaschke

Eine prächtige Ausstellung in Paderborn feiert die Ewige Stadt Rom und ihre Antiken.

Dass Martin Luther kein besonders positives Bild von Rom hatte, verwundert kaum. Die Stadt, so der Reformator, sei "geradezu ein Kadaver ihrer früheren Denkmäler". Doch selbst in diesen so abfälligen Worten steckt eine Kraft, die zeigt: Rom wirkt – gerade die Fragmente einstiger Größe ziehen uns Menschen in ihren Bann. Und für Christoph Stiegemann, Direktor des Diözesanmuseums Paderborn, tun sie das bis heute.

Auch den Künstler Christoph Brech fasziniert Rom, doch auf eine ganz eigene Art. Während eines einjährigen Aufenthalts an der Villa Massimo 2006 fotografierte der 1964 in Schweinfurt geborene Künstler Details, die eigentlich nicht zusammenpassen: steinerne Löwen und bunte Leoparden-Luftballons, Paletten voller Plastikflaschen vor architektonischen Monumenten, Moderne, die fast schon brutal auf Geschichte trifft. Und genau hier kommen die beiden zusammen, Stiegemann und Brech, denn den Kunsthistoriker begeisterte diese Sichtweise derart, dass er beschloss, eine Ausstellung mit Brech zu machen.

Im Strom der Touristenmassen

"Es hat mich fasziniert, wie er die Aura der großen Werke im Strom der Touristenmassen dekonstruiert", sagt Stiegemann. Doch er und seine Kollegin Christiane Ruhmann, Kuratorin für Sonderausstellungen, wissen auch: Brech steht in einer langen Tradition, vom Mittelalter über die Aufklärung und das 19. Jahrhundert bis heute ist der Blick auf Rom einem ständigen Wandel unterworfen. Von den Elegien auf die Ruinen im 12. Jahrhundert über die Pilgerreisen des Mittelalters und die Italienreisen der Goethe-Zeit bis zu den Anfängen der Fotografie: Über Jahrhunderte ist es der Norden und sein Blick auf diese Stadt, der die Idee Roms am Leben erhält. "Aus jeder Facette dieser Rezeptionsgeschichte hätte man eine eigene Ausstellung machen können", so Stiegemann. Doch das Diözesanmuseum Paderborn hat es geschafft, die "Wunder Roms im Blick des Nordens" gewissermaßen einzudampfen.

Der Götterhimmel ist abgeschafft

Spannend ist dabei vor allem, wie es der Ausstellung gelingt, der Geschichte ihre Geschichten zu entlocken – etwa durch die Schilderungen des Geschichtsschreibers Matthew Paris, der im 13. Jahrhundert beispielsweise von okkulten Handlungen mit antiken Gemmen berichtet.

Oder mit diesem unförmigen Marmorblock, der sich bei näherer Betrachtung als VenusStatue aus der römischen Kaiserzeit entpuppt, deren ramponiertes Aussehen jedoch nicht etwa der Witterung geschuldet ist, sondern all den Menschen, die an ihr über Jahrhunderte die Überlegenheit der christlichen Religion demonstrieren wollten. Wofür die Trierer Venus gefesselt und gesteinigt und erst 1811 durch Abtransport ins Museum gerettet wurde. "Der Götterhimmel ist abgeschafft", sagt Stiegemann. "Aber durch die Hintertür wirken die Bilder und Statuen weiter – mit all ihren Dämonen."

Die Hoffnung auf einen neuen Tag

Und so erwartet den Besucher in Paderborn ein Rundgang, für den man sich Zeit lassen sollte, um hinter den Objekten und Texten die Faszination zu entdecken, die ihnen eingeschrieben ist. Dabei schlägt diese Ausstellung, die mit antiken Meisterwerken und sakralen Schätzen aus den Museen des Vatikans und des römischen Kapitols, mit mittelalterlichen Manuskripten, Schatzkunst und Architekturfragmenten sowie Skizzen, Zeichnungen, Graphiken, Skulpturen und Fotografien bedeutender Künstler des Nordens wie Maarten van Heemskerk oder Peter Paul Rubens bemerkenswert gut ausgestattet ist, mit Leichtigkeit einen Bogen bis in die Gegenwart. Und das tut sie ganz bewusst, wie Stiegemann betont: "Wir wollen Rom, gerade in Zeiten, in denen Europa in Frage steht, auch als Sinnbild des europäischen Gedankens verstanden wissen."

Auch, um das zu verdeutlichen, aber auch als emotionaler Abschluss, findet sich im Obergeschoss des Museums ein Zitat von Marie Luise Kaschnitz, die 1947 schreibt: "Und dennoch scheint es manchmal, als gehe von diesem in der Weltgunst und der Weltliebe erlöschenden Europa, von diesem Rom, noch ein Licht aus, ähnlich jenem diaphanen und wunderbaren Leuchten, das manche Gegenstände nach Sonnenuntergang ausstrahlen und das die Wehmut des Abschieds in sich schließt, aber auch die Hoffnung auf einen neuen Tag."

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