Komödie im Ersten

"Herrgott für Anfänger": Religion? – Nur die Liebe zählt!

von Wilfried Geldner

Türkisch für Anfänger – wieder mal. Auch zehn Jahre nach der gleichnamigen Erfolgsserie haben deutsch-türkische Culture-Clash-Filme Hochkonjunktur, wer hätte das gedacht. Aber Vorurteile und falsche Selbstgewissheit verdienen es eben immer wieder, auf den Arm genommen zu werden. Sascha Biglers "Herrgott für Anfänger" hilft der sprichwörtliche Wiener Schmäh der Drehbuchautoren Berith Schistek und Karl Benedikter über die etwas einfach gestrickte Kulturkonfrontation hinweg. Musa, ein Wiener Filou türkischer Herkunft, rettet hier ein Heurigenlokal vor dem Zugriff der Kirche – und damit zugleich ein türkisches Taxiunternehmen, wenn man es so vereinfachen darf. Das alles unter der Bedingung, dass der lebensfrohe Agnostiker zugleich ein wahrer Christ und braver Moslem wird.

ARD
Herrgott für Anfänger
Komödie • 10.01.2018 • 20:15 Uhr

Wenn der Wiener Taxler Musa (Deniz Cooper) mit Freund und Feind durch die Gegend fährt, muss der Piefkinese schon mitunter die Ohren spitzen, also wissen, was "hack'n" (arbeiten) oder eine "Wega" ist (Wiener Einsatzgruppe Alarmabteilung). Macht aber nichts, wir sind beim Treiben des "in Wien geborenen Türken" gern dabei, dafür dürfen die Ösis im Sommer dann zum Ausgleich auch uns bei der WM zuschauen.

"Türken quälen, das entkrampft!"

Ohne Umschweife geht es sofort zur Sache, wenn Musa seinen Lieblingsgast, die betagte Frau Weininger (Erni Mangold), Besitzerin eines Grinzinger Heurigenlokals und die personifizierte Fremdenfeindlichkeit, chauffiert. Das passiert so zweimal in der Woche. Dann haut die Weininger dem Musa ihre Vorurteile um die Ohren. "Ihr kommt hierher, um das islamische Reich zu errichten", behauptet sie schroff und mosert in ihrer pegidischen Schärfe: "Krank ist der Staat, krank!" Doch der Drachen hat Charme, irgendwo tief drin jedenfalls. Musa hat's kapiert und behauptet, es sei ihre Therapie: "Zweimal die Woche Türken quälen, das entkrampft!"

Der Schlagabtausch zwischen dem türkischen Taxler und seiner Gästin wird im Folgenden nicht mehr übertroffen werden. Immerhin resultiert ein handlungstragender Coup der alten Dame daraus. Das Testament der wortgewaltigen Heurigenwirtin verpflichtet Musa nämlich dazu, Katholik zu werden, in welchem Falle er nicht nur das Grinzinger Lokal "Reblaus" mit dem schönen Gartenanteil, sondern auch den angeschlossenen Weinberg erbe. Das Ganze sehr zum Verdruss der Pächterin Miri (Katharina Strasser), mit der Musa seit Längerem eine herzliche Feindschaft pflegt.

Das Erbe kommt freilich zur Unzeit für Musa. Denn zugleich ist aus Berlin die schöne Aishe (Zeynep Bozbay) eingetroffen, Tochter seines strenggläubigen Taxichefs, in die sich Musa sofort bis über beide Ohren verliebt. Nun gilt es für ihn, wiederum richtiger Moslem zu werden. So wird Musa zum "Diener zweier Herren", er dockt zugleich beim Imam und beim katholischen Pfarrer an. Eine Situation, die ihn zu höchsten Erkenntnissen nötigt: Nicht auf die Religion, der man angehöre, sondern schlichtweg auf die Liebe zu den Menschen komme es an.

Ideologiekritik ist geschickt verteilt

Unter dieser klaren Prämisse erblüht mancher Schmäh. So läuft Musa nicht nur der einstige Liebhaber der Weininger über den Weg, auf dessen Schreibtisch im Seniorenheim "Waldesruhe" ein frühes Porträt der alten Dame steht (ein Starfoto der Mangold!), er darf auch Unterricht darin geben, wie man (Coca Cola-)Bomben baut, und das Abendgebet zwischen Schweinehälften verrichten. Letzteres allerdings von den sexuellen Umtrieben seiner "Feindin" gestört. Eine richtige Heurigen-Oper wird das, wenn am Ende alle zusammenkommen, Katholiken und Moslems, und die Frau des Imam endlich das ersehnte Kind bekommt. Ganz so, wie vom Gatten mit dem Satz "Du schaffst es!" vorhergesagt.

Eher bremsende Wirkung haben indessen Musas eingestreute Off-Kommentare. Auch Schwamm drüber, dass sich manches bereits Gesagte wiederholt. Doch die Gags sind zügig eingesetzt, die Ideologiekritik ist so geschickt verteilt, dass sich niemand auf den Schlips getreten fühlen kann. Sogar beim Autoballett der Abschlepper zum Donauwalzer wird in schöner Überflüssigkeit k.u.k.-mäßig die Contenance gewahrt.


Quelle: teleschau – der Mediendienst

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