Moderatorin und Schriftstellerin im Interview

Bärbel Schäfer über ihren Bestseller: "Ich wäre implodiert, wenn ich diesen Schmerz nicht aufgeschrieben hätte"

23.04.2024, 07.29 Uhr
von Stefanie Moissl

In den 90ern wurde Bärbel Schäfer mit ihrer Nachmittagssendung zur Talkshow-Ikone. Nach 22 Jahren kehrt die Moderatorin mit einer SAT.1-Neuauflage von "Notruf" zurück in Privatfernsehen. Im Interview spricht die 60-Jährige über den Tod ihres Bruders und wie ihr neuer Buchbestseller ihren Blick auf das Leben verändert hat.

TV-Comeback mit "Notruf" nach "Entzugserscheinungen"

Kaum ein Gesicht steht so sehr für die Zeit, als die Nachmittags-Talkshows der privaten TV-Sender noch Quotenhits und echte Aufreger waren, wie das von Bärbel Schäfer. Über 1.500-mal präsentierte sie zwischen 1995 und 2002 die nach ihr benannte Sendung bei RTL. Inzwischen ist die 60-jährige Moderatorin und Autorin vor allem im Radio sowie auf der "Spiegel"-Bestsellerliste präsent. Ab Montag, 22. April, moderiert sie bei SAT.1 montags bis freitags, um 18 Uhr, die Retter-Dokureihe "Notruf". 

prisma: Frau Schäfer, was für ein Comeback: Nach 22 Jahren kehren Sie ins Privatfernsehen zurück!

Bärbel Schäfer: Wie das klingt! Da kann Stefan Raab mal einpacken mit seinen zehn Jahren Pause, oder? (lacht) Ich habe mittlerweile zwei Kinder großgezogen, zwei Hunde beerdigt, mehrere Hochzeitstage gefeiert. Ja, ich glaube, es stimmt, es sind tatsächlich über 20 Jahre!

prisma: Fühlt sich das ein wenig an wie nach Hause kommen?

Schäfer: Es ist vielleicht ein bisschen so, als würde man eine gute alte Freundin nach langer Zeit wiedersehen. Ich habe einen Youtube-Kanal und mache ein Format mit hochkarätigen Buchautoren, "book:deluxe". Das Moderieren habe ich nie unterbrochen. Ich glaube nicht, dass man mich jetzt neu anlernen muss. Und ein Zuhause habe ich mit meinem sonntäglichen Radio-Talk in der ARD bei HR3 seit mehr als 14 Jahren. Ich bin nur nicht mehr ... wie soll man sagen: "drauf". Ich war ein bisschen auf Fernseh-Entzug.

prisma: Sind Sie nach dem Aus Ihrer täglichen Nachmittags-Talkshow erst mal in ein Loch gefallen?

Schäfer: Ich habe die Daily-Sendung ja nicht nur moderiert, sondern bin auch als Produzentin in Erscheinung getreten. Klar hat man da erst mal "Entzugserscheinungen", war das erst mal ein Abschied.

prisma: Insofern ist "Notruf" doch so etwas wie "nach Hause kommen".

Schäfer: In gewisser Weise, ja. Da haben Sie Recht, ja, denn ich habe mich vor der Kamera immer zu Hause gefühlt. (lacht)

prisma: Was erwartet die Zuschauerinnen und Zuschauer in Ihrer neuen Sendung?

Schäfer: Es erwarten sie echte Notfallsanitäter und Sanitäterinnen, die über ihre Erfahrungen in diesem ganz besonderen Arbeitsumfeld berichten. Es erwartet sie Einblicke unter der Nummer, die wir alle nicht wählen wollen. Wir richten den Blick auf bestimmte Notsituationen im Alltag. Und das ist wichtig. Denn auch, wenn man einen erste Hilfe-Kurs absolviert hat, schießt der Adrenalinpegel für uns Laien in einer Notsituation hoch.

prisma: Welche zum Beispiel?

Schäfer: Zum Beispiel, wenn der Partner plötzlich Schlaganfall-Symptome zeigt. Oder wenn ein Kind Sekundenkleber verschluckt. Wir haben spannende, nützliche Fakten für die Zuschauer. Weil wir wissen: Dann ist etwas Dramatisches passiert. Die Kamera ist nah dran an diesen Profis auf den Rettungswagen, die gerade einen schweren Stand haben, wie wir alle wissen.

RTL-Klassiker der 90er-Jahre feiert Comeback

prisma: Damals lief "Notruf", moderiert von Hans Meiser bei RTL: "Ihrem" Sender. Es war auch die Ära Ihrer täglichen "Bärbel Schäfer"-Show – die mit über 1.500 Ausgaben ein Riesenerfolg war ...

Schäfer: Eine Zeitlang war meine Daily Show – "der Blick unter deutsche Dächer" – wie ein aufregender Rucksack für mich. Zugleich war es ein Wahnsinnsgeschenk. Wir haben nachts live gesendet, wir waren an Schauplätzen. Wir haben über Familie, die große Liebe oder Sex gesprochen. Aber auch über gesellschaftspolitische Themen. Eben alles, was unser Leben ausmacht. Beim neuen Format "Notruf" hat mich das Thema interessiert. Und hier wird nicht täglich, sondern im Block produziert. Das lässt sich gut vereinbaren mit meiner Familie und meinem Leben. Ich stehe ja sonntags für hr 3 an den Reglern und bin viel mit meinen Lesereisen unterwegs.

prisma: Zum Schreiben dürften Sie aber vorläufig erst mal nicht kommen. Denn "Notruf" läuft genau wie Ihre frühere Show, täglich. Wie viele Sendungen sind geplant?

Schäfer: Zunächst sind 60 Folgen fest geplant. "Notruf" geht vor der "Landarztpraxis" mit Caroline Frier auf Sendung. Wenn man einen schönen oder auch einen stressigen Tag hatte, dann komme ich und nehme die Zuschauerinnen und Zuschauer hoffentlich noch mal mit auf eine spannende Reise, in Situationen, wie sie jedem von uns passieren können. Insofern muss das Schreiben erst mal eine Zeitlang warten, ja.

"Ich wäre implodiert, wenn ich diesen Schmerz nicht aufgeschrieben hätte"

prisma: Ihre Bücher sind sehr erfolgreich. Und sehr persönlich ...

Schäfer: Ich habe über Einsamkeit geschrieben, ein großes gesellschaftspolitisches Thema. Ich habe über das Thema Holocaust geschrieben. Über das Schweigen meiner Familie und das vielleicht vieler anderer deutscher Familien. Und ich habe über den Unfalltod meines Bruders geschrieben – vielleicht war dieses Ereignis auch ein Grund, warum ich bei dem Projekt "Notruf" zugesagt habe.

prisma: Sie sprechen von "Ist da oben jemand?" – Ein sehr berührendes Buch. War das Schreiben wie eine Art Therapie für Sie?

Schäfer: Nein. Aber ich glaube, ich wäre implodiert, wenn ich diesen Schmerz nicht aufgeschrieben hätte. Ich habe meinen einzigen Bruder verloren, der mein bester Freund, mein Mitbewohner, mein Geschäftspartner war. Und es gibt viele verwaiste Geschwister oder Eltern in unserem Land, die diesen Schmerz kennen. Ich war lange Botschafterin bei "Trauerland". Viele Menschen wissen nicht, wie sie umgehen sollen mit Trauer, was sie zu Trauernden sagen sollen. Da wollte ich die Scheu nehmen.

prisma: Wie waren die Reaktionen?

Schäfer: Nach Lesungen kommen immer viele Menschen auf einen zu. Erzählen von ihrem Schmerz, ihren Erlebnissen. Das ist beim Thema Einsamkeit genauso.

"Unter Schafen" für den neuen Buchbestseller

prisma: Ihr neues Buch ist wieder ein sehr persönliches Projekt: "Eine Herde Schafe, ein Paar Gummistiefel und ein anderer Blick aufs Leben". Sie waren "unter Schafen" und haben dafür sogar das "Hirtendiplom" gemacht.

Schäfer: Genau. Ich knuddle auch nicht nur Schafe. Ich habe kilometerweise Zäune auf- und abgebaut, Bäume gesägt, Disteln gestochen, Ziegen gemolken.

prisma: Und Sie waren sogar beim Schlachten dabei.

Schäfer: Ja. Das Buch hat bei aller Leichtigkeit und Liebe zu den Tieren auch mit anderen Themen zu tun. Mit Regionalität, mit Nachhaltigkeit, mit der Frage, wie wir uns ernähren wollen.

prisma: Inwiefern hat sich durch dieses Buchprojekt Ihr Blick auf das Leben verändert?

Schäfer: In unserer hektischen Zeit ab und zu mal der Langsamkeit die Tür aufzuhalten, schadet nicht. Staunend auf die Natur, die wir alle weltweit mit Füßen treten, zu gucken. Das habe ich wiederentdeckt. Wir können uns von diesen Tieren, die in der Herde leben, viel abschauen. Sie sind familienorientiert, haben auch was Bescheidenes und Beständiges. Sie sind in der Gruppe stärker als alleine. Gerade weibliche Tiere unterstützen sich. Und ich glaube, wir brauchen alle Verbündete im Leben.


Quelle: teleschau – der mediendienst GmbH

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