Sonntag am Tatort

Ein Fenstersturz mit Folgen

04.03.2017, 16.19 Uhr
von Florian Blaschke
In internationale Angelegenheiten verstrickt: Eugen Mattmann, Liz Ritschard und Reto Flückiger.
BILDERGALERIE
In internationale Angelegenheiten verstrickt: Eugen Mattmann, Liz Ritschard und Reto Flückiger.  Fotoquelle: ARD Degeto/SRF/Daniel Winkler

Die Kommissare Flückiger und Ritschard ermitteln in einem brisanten, temporeichen Polit-Thriller.

Schon nach wenigen Minuten ist in diesem Tatort eine ganze Menge passiert. Da ist diese junge Frau, Nura (Yelena Tronina), die kurz hinter der Schweizer Grenze aus einem Lieferwagen gelassen wird und unbedingt nach Luzern will. Da ist ein investigativer Journalist, der aus dem 5. Stock des Hotels Luzerner Hof stürzt und tot auf einem Auto liegen bleibt. Und da ist Kommissar Reto Flückiger (Stefan Gubser), der sich zwei Stockwerke darunter gerade mit seiner Geliebten (Brigitte Beyeler) trifft und dadurch nicht nur einen neuen Fall hat, sondern auch ein Problem. Denn eigentlich hätte er seine Affäre mit ihr auch weiterhin gerne geheim gehalten.

So aber bleibt ihm und seiner Kollegin Liz Ritschard (Delia Mayer) nichts Anderes übrig als zu ermitteln und seiner Geliebten nichts Anderes, als ihrem Mann den Seitensprung zu gestehen. Beides macht die Welt nicht einfacher. Denn sowohl die Liebe als auch dieses Verbrechen sind kompliziert.

Flückiger und Ritschard bekommen es mit der Vergangenheit zu tun, genauer: mit den Tschetschenienkriegen und ihren Gräueltaten. Im Fokus: ein mutmaßlicher Kriegsverbrecher, Ramzan Khaskhanov (Jevgenij Sitochin), der unter falschem Namen in der Schweiz leben soll. Ihn suchen jetzt aber nicht nur die Ermittler, sondern noch ein paar andere Leute: die Russen, ein Auftragskiller – und eben jene Nura.

Ein Polit-Thriller, der nicht in die Falle tappt

Regisseur Tobias Ineichen ist mit "Kriegssplitter" gelungen, was selten einem Tatort gelingt. Er hat einen Polit-Thriller geschaffen, der sich einem Thema widmet, das zwar nicht neu ist, aber schon so weit aus den Köpfen verschwunden, dass es wieder genügend Stoff für einen hervorragenden Krimi bietet. Und er hat einen Polit-Thriller geschaffen, in dem zwar all die üblichen Lager eine Rolle spielen, die so auf den Plan treten müssen, wenn es politische Verwicklungen gibt, der aber nicht in die Falle tappt, am Ende keine Lösung parat zu haben. Und er hat das hervorragende Drehbuch von Stefan Brunner und Lorenz Langenegger mit ebenso hervorragenden Darstellern besetzt – einzig Vladimir Korneev als Auftragskiller ist vielleicht ein wenig zu holzschnittartig geraten –, doch Yelena Tronina, Jevgenij Sitochin oder auch Joel Basman, dessen Rolle wir hier noch nicht verraten wollen, spielen auf den Punkt – glaubwürdig und realitätsnah.

In manchen Momenten ist es lediglich der Soundtrack von Fabian Römer, der etwas zu wenig Vertrauen darin zu haben scheint, dass ein Luzerner Tatort, ein Schweizer Polit-Thriller, auch als solcher funktioniert, und der sich etwas zu gehetzt, etwas zu glatt gibt. Nimmt schon die notwendige Synchronisation dieser Produktion ein ganz klein wenig von ihrem Charme, so hätte etwas mehr Mut in diesem Punkt ihr diesen vielleicht zurückgeben können.

Darüber hinaus aber ist "Kriegssplitter" ein äußerst gelungener Thriller mit sensiblem Schnitt und gelungenen Perspektiven, der zeigt: Auch Themen, die auf den ersten Blick nicht aktuell scheinen, können es sein. Und sie können hervorragenden Krimistoff abgeben.

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