04.12.2023 Darsteller im Interview

Rainer Bock: „Ich versuche, meinen eigenen Instinkten zu folgen“

Von Felix Förster
Rainer Bock spielt Jon Hoffmann, von dem er sagt: „Seine Gesprächspartner wissen, man muss sich warm anziehen, wenn man ihm widerstehen will.“
Rainer Bock spielt Jon Hoffmann, von dem er sagt: „Seine Gesprächspartner wissen, man muss sich warm anziehen, wenn man ihm widerstehen will.“ Fotoquelle: ARD Degeto/Odeon Fiction/NRK

Der Kampf um das Saatgut – und damit die Macht über die Ernährung der Weltbevölkerung – steht im Mittelpunkt der ARD-Thriller-Serie „Die Saat – Tödliche Macht“, die am Samstag, 9. Dezember. 20.15 Uhr (vier Folgen), und am Sonntag, 10. Dezember, 20.15 Uhr (zwei Folgen) in der ARD gezeigt wird. Rainer Bock spielt hier den Lobbyisten Jon Hoffmann. prisma hat mit dem renommierten Schauspieler über die Serie, seinen Durchbruch mit „Das weiße Band“ und internationale Produktionen wie „Better Call Saul“ gesprochen.

„Die Saat – Tödliche Macht“ ist eine sehr aufwendig produzierte Serie mit internationalen Schauspielern. Mögen Sie es, in einem so internationalen Cast zu spielen?

Rainer Bock: Die Frage verstehe ich schon fast gar nicht, denn das klingt ja so, als würde ich lieber reine Monologe drehen (lacht). Es ist für jeden Schauspieler bereichernd, mit tollen Kollegen zu arbeiten. Nur mit den Besten zu spielen, bringt einen Schauspieler doch weiter, so hat es schon Philip Seymour Hofman gesagt. Von daher war es eine Riesenfreude, bei „Die Saat“ mitzuspielen.

Neben Ihnen spielt auch ein anderes deutsches Schwergewicht mit, Heino Ferch. Sie haben gemeinsam mit ihm die große Szene am Ende. Mich hat das ja ein wenig an „Heat“ mit de Niro und Pacino erinnert. Wie war das?

Rainer Bock: Es sind im Grunde zwei Erzähllinien in „Die Saat“, die sich einander immer weiter annähern, bis die beiden Protagonisten dann in Brüssel zusammentreffen. Da überkreuzen sich die Stränge, wenn wir quasi diese Abschlussszene haben. Das war sehr spannend.

Haben Sie mit Heino Ferch vorher schon zusammengearbeitet?

Rainer Bock: Wir haben 2020 in der Reihe „Nordhorn“ die Folgen „Das Mädchen am Strand“ gedreht. Ich arbeite sehr gerne mit ihm. Er ist ein unglaublich liebenswürdiger, hoch professioneller und vorbereiteter Kollege, mit dem es Spaß macht, zu arbeiten.

Wie kamen Sie mit dem Projekt „Die Saat“ in Verbindung?

Rainer Bock: Es hat damit zu tun, dass ich mit Alexander Dierbach, dem Regisseur von „Die Saat“, vorher schon dreimal zusammengearbeitet habe. Ihm war sehr wichtig, dass ich die Rolle übernehme. Mit dem Autor der Serie, Christian Jeltsch, war ich auch durch vorherige Arbeiten vertraut. So kam alles zusammen.

Die Spannung der Serie beruht unter anderem auf den parallelen Handlungssträngen, von denen Sie eben gesprochen haben. Ihre Rolle Jon Hoffmann ist als Agrar-Lobbyist sehr differenziert aufgebaut: Auf der einen Seite ist er sehr kultiviert, geht in die Kirche, holt sich da Absolution, überschreitet aber auch bewusst Grenzen. Wie viel konnten Sie selbst mit einbringen oder war der Charakter komplett so angelegt?

Rainer Bock: Christian Jeltschs Figurenzeichnungen helfen sehr, aber bei der Ausgestaltung einer Rolle versuche ich auch, meinem eigenen Instinkt zu folgen. Da kommt es der Findung natürlich entgegen, dass ein Regisseur wie Alexander Dierbach auf diesen Instinkt der Spieler geradezu wartet, um dann damit arbeiten zu können. Da haben wir beide uns in den vier gemeinsamen Projekten gefunden.

Jon Hoffmann arbeitet im Hintergrund, hält die Fäden in der Hand, intrigiert dabei auch, wahrt aber stets die Contenance. Wie würden Sie ihn charakterisieren?

Rainer Bock: Ich verstehe sein Handeln nicht als intrigieren, vielmehr hat er den klaren Auftrag, die Fusionierung der beiden Getreide-Großkonzerne zustande zu bringen. Da versucht er einfach, alle Möglichkeiten und Mittel auszuschöpfen, die das in die Wege leitet. Er hat dabei einen charmanten, kultivierten, aber auch von einem starkem Willen geprägten Charakter. Dass die Sache auch teilweise ein bisschen aus dem Ruder läuft, um es einmal vorsichtig auszudrücken, ist überhaupt nicht in seinem Interesse und auch nicht auf seinem Mist gewachsen. Da muss ich ihn auch ein wenig frei von sprechen. Aber er hat eine ganz klare Zielvorstellung und ist dafür auch berühmt und berüchtigt. Aber er ist auch durch die Qualität seiner Arbeit gefürchtet. Seine Gesprächspartner wissen, man muss sich warm anziehen, wenn man ihm widerstehen will. Das weiß er auch zu nutzen. Der Rest ist eine ganz individuelle Charakterzeichnung: dass er gerne isst, dass er einen sehr gepflegten Umgang pflegt. Ich nenne das gar nicht mal Absolution, die er in der Kirche sucht, sondern eher eine Art Spiritualität, die in zur Ruhe kommen lässt, um dann weitermachen zu können.

Das Thema Lobbyismus ist hochaktuell, da es da große Bestrebungen gibt, Einfluss auf die Politik zu nehmen. Gab es da eine Art Expertise für Sie, um sich auf die Rolle vorzubereiten?

Rainer Bock: Nein, ich habe da lediglich die unendlichen Möglichkeiten des Internets nutzen können, um mich darüber zu informieren, was den Lobbyismus ausmacht. Mir war vieles auch nicht klar und ich hätte es nicht so aus dem Stand ad-hoc umreißen können, was das Aufgabengebiet sein kann. Häufig sind das aber auch Graubereiche, in denen wir uns da befinden. Das macht die Serie deutlich. Andererseits können Lobbyisten aber auch die positive Funktion haben, Bindeglied zwischen den Wirtschafts- und Finanzunternehmen und der Politik zu sein. Im besten Sinne liefern sie auch Informationen für die Politik, um bei der Entscheidungsfindung zu helfen.

Das ist auch eine Stärke der Serie, dass diese Schwarz-Weiß-Malerei vermieden wird. Durch diese Graubereiche ist Ihr Charakter auch so interessant. Dem gegenüber steht mit Victor Vegener ein Aktivist, wie man das heute nennt. Ich würde das eigentlich als klassische Journalistenarbeit bezeichnen, er recherchiert und geht dahin, wo es weh tut. Sie selbst waren als junger Mann in der Anti-Atomkraft-Bewegung aktiv. Wie sehen Sie diese Aktivisten-Arbeit?

Rainer Bock: Das sehe ich natürlich mit einem großen Verständnis und einer großen Sympathie, dass da jemand versucht, bestimmte „vielleicht“ kriminelle Machenschaften solcher Unternehmen ans Licht zu bringen. Er arbeitet mit dem Investigativ-Journalisten zusammen, der von Johann Myers gespielt wird. Zu dieser investigativen Arbeit gehört dann auch dazu, sich in die Untiefen begeben zu müssen, um an Quellen zu kommen. Ich privat hege dafür große Sympathien.

Sie haben mit einem internationalen Cast gedreht. Wurde da auf Englisch gedreht und dann nachsynchronisiert? Wie ist das für Sie, sich selbst noch einmal zu sprechen?

Rainer Bock: Der gesamte Film ist auf Englisch gedreht worden. Und dann wurde das für den deutschen Markt nachsynchronisiert. Ich hoffe, dass es in der Mediathek dann auch im Original zu sehen ist.

Für Sie ist das als international gefragter Schauspieler ja auch kein Problem, wenn ich da an Ihre Rolle in „Better Call Saul“ denke. Wie sind Sie eigentlich mit diesem Projekt in Verbindung gekommen?

Rainer Bock: Die sind auf die Idee gekommen, dass der Ingenieur ein Deutscher sein sollte. Das wird dann gecastet und die Anfragen an deutsche Schauspieler-Agenturen geschickt und da ich bei der Agentur Players in Berlin bin, die international vernetzt sind, landete diese Anfrage auch bei uns. Da musste ich dann drei Szenen als E-Casting aufnehmen und in die USA schicken. Das war sehr lustig, weil ich zu dem Zeitpunkt weder Better Call Saul, noch Breaking Bad gesehen hatte, was ich zu meiner Schande gestehen muss. Aber hier stehe ich und sage die Wahrheit (lacht). Mein Sohn, der mir schon seit Monaten in den Ohren gelegen hatte, endlich mit Breaking Bad anzufangen, war dann vollkommen überrascht und überwältigt, dass ich diese Anfrage bekam. Er hat dann mit mir dieses E-Casting gemacht, das musste von heute auf morgen gehen. Ich habe auch beim 22. Mal immer an der gleichen Stelle gehangen, sodass wir mit Lachtränen auf dem Boden lagen. Und dann habe ich gesagt, komm schick es weg und er: Papa, das geht gar nicht, du hast dich doch versprochen. Und ich: das ist egal, die Amerikaner wollen wissen, ob ich TH kann. Und dann haben wir das weggeschickt und sie haben sich für mich entschieden.

Eine gute Entscheidung, denn diese Rolle passte perfekt.

Rainer Bock: Danke, das freut mich. Es war eine der besten Arbeitserfahrungen, die ich je gemacht habe. Meine Frau und mein Sohn waren übrigens stets dabei. Er sogar als mein persönlicher Assistent, und das nehmen die Amerikaner sehr ernst. So waren wir drei Monate in Albuquerque in New Mexico.

Zeigt so etwas, das den Schauspielern drüben mehr Freiraum gegeben wird als in Europa?

Rainer Bock: Das kann ich nicht sagen, er wurde auch nicht dafür bezahlt, war aber total akzeptiert. Am ersten Drehtag wurde ihm der Kopfhörer aufgesetzt, er saß in der zweiten Reihe und hat sich alles anschauen dürfen. Manchmal stand ich dann zwei Meter daneben und irgendjemand kam zu ihm und sagte: „Moritz, please can you tell your father, that…“ Dann habe ich den Finger leise gehoben: Ich stehe hier, man kann es mir auch direkt sagen (lacht). Mein Sohn war gut gelitten, das war sehr witzig. Der einzige eklatante Unterschied ist das völlige Ausbleiben von Eitelkeiten. Es geht immer um die Sache, immer wird inhaltlich gesprochen. Keiner ist beleidigt, wenn man kritische Fragen stellt. Es wird sich immer auseinandergesetzt und das ist sehr angenehm.

Vince Gill und Peter Gould, die Macher der beiden Serien, sind aber auch erste Liga.

Rainer Bock: Das ist schon toll, und sie lassen es einen nicht eine Sekunde lang spüren.

Ist da denn noch einmal geplant, den Schritt über den großen Teich zu wagen?

Rainer Bock: Nein, Better Call Saul war ja auch nicht geplant. Jonathan Banks, mit dem ich viele Szenen zusammen hatte, und mit dem ich seitdem befreundet bin, hat mich nach den Dreharbeiten gefragt, ob ich denn eine Agentur in den Staaten hätte. Da müssten wir aber doch jetzt mal ran (lacht). Ich sagte dann zu ihm, dass mein Ehrgeiz nie groß gewesen wäre. Das mag man mir glauben oder nicht, aber es stimmt. Ich habe mich immer gefreut, wenn die Dinge passiert sind, und habe das dann auch genossen und versucht, das Beste daraus zu machen. Aber ich habe das nie verfolgt oder versucht, etwas zu beschleunigen. Und die Vorstellung, jetzt eine Agentur in Amerika zu haben, kommt mir nicht. Ich bin auch kein polyglotter Mensch, sondern gerne zuhause (lacht).

Man baut sich dann ja auch nur Druck auf, auch wenn etwas entweder passiert oder dann eben ausbleibt.

Rainer Bock: Ja, so ist es. Ich hatte daraufhin auch eine Anfrage für einen amerikanischen Independent-Film, denn ich dann aber aus zeitlichen Gründen gar nicht machen konnte. Bis auf wirklich tolle Rückmeldungen und Zuspruch für meine Rolle als Werner Ziegler ist da nichts weiter draus entstanden.

Ihre Karriere ist immer ein wenig so verlaufen, oder? „Das weiße Band“ von Michael Haneke war für Sie damals ebenfalls ein Glücksfall.

Rainer Bock: Absolut. Das kam damals aber ganz klassisch zustande. Die leider in diesem Jahr viel zu früh verstorbene Simone Bär hat den Film gecastet und sie kannte mich vom Theater. Ich war damals 98-prozentiger Theaterschauspieler. Dann wurde ich zum Casting eingeladen und Haneke hat mich dann ausgewählt und eingeladen, nach Wien zu kommen. Da lief das Casting dann direkt bei ihm, zusammen mit der auch leider zu früh verstorbenen Susanne Lothar, die schon gesetzt war.

Sie beide waren als Paar in dem Film unglaublich, wenn ich mich noch an diese Dialoge erinnere. Da hat man erst im zweiten Nachfassen überlegt, was hat der Mann da eben eigentlich eben zu ihr gesagt. Typisch Haneke.

Rainer Bock: Das war natürlich sein Buch. Ich habe noch nie ein Drehbuch bekommen, wo ich nicht ein einziges Komma überprüfen musste. Das war genial. Also dann habe ich da dieses Casting gemacht, und es hat noch zwei Monate gedauert, bis ich die positive Antwort bekam. Das hatte aber andere Gründe, denn er hatte mir schon direkt gesagt, dass wir es so gespielt hätten, wie er sich das gewünscht und geschrieben hatte. Ich müsste aber noch etwas Geduld haben, da er den Ensemble-Cast erst einmal für sich klären müsste, die Konstellation der Rollen zueinander. Ich muss aber sagen, da ist man dann schon ein wenig unruhig für ein paar Wochen, weil man auf die Antwort wartet.

Auffällig ist bei Ihren Rollen, die häufig ruhiger angelegt sind, dass da immer mehr unter der Oberfläche schlummert und man sich als Zuschauer fragt, was kommt da jetzt. Das ist bei Jon Hoffmann auch nicht anders, um wieder auf „Die Saat“ zu kommen. Welche Reaktionen erwarten Sie auf die Serie?

Rainer Bock: Ich erwarte immer erst einmal gar nichts. Wenn ich aber voll dahinterstehe, wie in diesem Fall, dann erhoffe ich, dass es den Zuschauern gefällt, dass sie etwas damit anfangen können und wir eine große Reichweite haben, weil das Thema natürlich auch sehr zwingend und inhaltlich bedrängend ist. Ein Thema, das auch immer wieder ins Rampenlicht gezogen werden muss. Die Welternährungslage ist ein großes Thema..

Ich musste an die Übernahme von Monsanto durch Bayer denken, als ich die Serie gesehen habe.

Rainer Bock: Das war für den Autor Christian Jeltsch wohl auch ein ausschlaggebender Punkt, als er es geschrieben hat. Es handelt sich aber um keine identische Wiedergabe realer Geschehnisse. Wenn man bedenkt, dass drei Weltkonzerne einen Großteil des Getreidemarkts beherrschen, ist das ein 40 bis 50 Milliarden-Euro-Markt. Bei solchen Summen weiß man dann auch, dass damit immer eine gewisse Interessenslage verbunden sein muss. Ein Philosoph sagte ja auch: Wenn ein Kind auf der Welt an Hunger stirbt, ist das kein tragisches Versehen, sondern Mord. Wie immer geht es also um Verteilungsprobleme.

Man hört immer wieder von diesen Zahlen, mit welchen Ausgaben dieses Problem eigentlich gelöst werden könnte, wenn sich die richtigen Menschen zusammentun würden.

Rainer Bock: So ist es.

Was steht bei Ihnen jetzt an?

Rainer Bock: Mit aller Bescheidenheit, hoffe ich jetzt erst einmal, dass „Die Saat“ ein Erfolg wird. Seit dem 1. Dezember steht die Serie ja bereits in der Mediathek auch in der Original-Version, denn wir haben den Film ja auf Englisch gedreht.

Wie ist das denn für Sie eigentlich, wenn Sie sich selbst nachsynchronisieren müssen?

Rainer Bock: Ich finde das tragisch. Wenn man sich umschaut in den Benelux-Ländern oder auch in Skandinavien, da werden Sie beleidigt angeschaut, wenn Sie jemanden fragen, ob er Englisch kann. Die sind es von klein auf gewohnt, die Filme in Englisch zu sehen. Die sind uns in der Sprachgewandtheit um Lichtjahre voraus. Abgesehen davon geht auch durch eine gute Synchronisation vieles verloren.

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