Bestseller-Autorin und Comedienne Nicole Jäger gibt in ihrem neuen Buch ehrliche Einblicke in ihr Leben und die Schattenseiten des Erfolgs.
Ihr neues Buch heißt „Du hast ein Recht darauf, glücklich zu sein“. Wen wollen Sie damit erreichen?
Die Menschen, die es lesen (lacht). Ich glaube, so gut wie jeder hat sich schon mal gefragt, ob er oder sie es überhaupt verdient hat, glücklich zu sein. Entweder, weil man an einem Punkt im Leben ist, an dem man mit sich selbst hadert, oder weil man denkt, dass man erst etwas erreichen muss, um glücklich sein zu können. Dieses „ich muss erst, dann…“ ist ziemlich weit verbreitet. Ich möchte mit meinem Buch zeigen, dass es okay ist, nicht okay zu sein. Dass du alles dafür tun kannst, um glücklich zu sein. Und dass die Gesellschaft dir nicht zu sagen hat, was du alles noch sein oder erreichen musst, um das Glücklichsein zu verdienen.
Wie würden Sie persönlich Glück definieren?
Ich könnte jetzt sagen: keine Termine und leicht einen sitzen haben (lacht). Nein, für mich bedeutet es Ruhe. Damit meine ich nicht direkt Stille, sondern eine emotionale Balance. Geliebt zu werden und zu lieben. Und zu wissen, dass nach der Arbeit einfach noch ein bisschen mehr auf einen wartet. Ein Glücksort ist für mich am Meer, da kann ich gut herunterkommen.
Das ist ein gutes Stichwort, denn das Buch handelt von einem spontanen Roadtrip allein ans Meer. Wie kam es dazu?
Ich hatte viele negative Jahre hinter mir. Es war der letzte Tag meiner Tour, und mir ist die Decke im Hotelzimmer fast auf den Kopf gefallen. Ich habe mich ausgebrannt und unglücklich gefühlt. Obwohl die Menschen um mich herum mir vermittelt haben, dass ich doch eigentlich jetzt glücklich sein müsste bei dem, was ich erreicht habe. Doch alles war irgendwie schwierig. Ich habe gedacht, dass das einzige Heilmittel wäre, ans Meer zu fahren, da nur das meine Probleme lösen könnte. Also bin ich losgefahren. Auf dem Weg dahin ist so viel passiert, darüber schreibe ich in meinem Buch. Die wichtigste Erkenntnis ist, dass wir Menschen dazu neigen, zu denken, dass Glück von außen kommt. Dabei geht es darum, dass wir mit uns selbst im Einklang sind. Wenn da eine emotionale Dysbalance ist, bringt es nichts, das Heil für alle Probleme woanders zu suchen.
Fällt es Ihnen leicht, so viel von sich und Ihrem Leben in Ihre Bücher einfließen zu lassen?
Mir fällt es leicht, zu schreiben. Aber mir fällt es nicht leicht, das Buch dann aus der Hand zu geben. Ich schreibe sehr offene, ehrliche, verletzliche und sehr schmutzige Sachen – im Sinne von unverblümten Emotionen. Da fließt sehr viel von mir ins Buch hinein. Diese große Ehrlichkeit bringt natürlich auch eine große Verletzlichkeit mit sich. Aber sie ist gleichzeitig auch etwas Gutes, denn ich bin mir sicher, dass sich Menschen an den Stellen verbinden, wo sie kaputt gegangen sind. Mit dem Buch möchte ich die Leute abholen. Ich kann gar nicht anders, als so zu schreiben. Es war nicht geplant, dass das „Du hast ein Recht darauf, glücklich zu sein“ so intim wird. Das ist mein Herz, mein Baby, das ich da herausgebe und worüber die Leute dann urteilen werden.
Sie haben seit 2016 drei Bestseller veröffentlicht. Jetzt erscheint Ihr bereits viertes Werk. Verspüren Sie Druck, abliefern zu müssen?
Ja schon. Aber Erfolg kann man nicht planen. Man kann selbst nur dafür sorgen, dass man selbst beziehungsweise sein Werk sichtbar ist. Mein erstes Buch war ein absurder Erfolg. Ich wusste damals weder um die guten Seiten, noch um die Schattenseiten. Das war – glaube ich – ein Vorteil. Es gab keinen Druck, niemand hat etwas von mir erwartet. Beim Schreiben kann ich diese Erwartungshaltung auch heute noch ganz gut abstreifen. Auf die Frage hin, ob ich alles getan habe, kann ich mit gutem Gewissen mit Ja antworten. Ich schreibe, um zu berühren, nicht um einen Bestseller zu landen.
Sie touren mittlerweile erfolgreich mit Ihren Stand-Up-Comedy-Programmen durch Deutschland. Was ist das für ein Gefühl, vor so vielen Menschen auf der Bühne zu stehen?
Das sind zwei Stunden komplettes Chaos, wenn ich auf der Bühne bin (lacht). Klar, es ist immer live, und da sind sehr viele Menschen, die etwas von mir erwarten. Aber ich bin in meinem Handwerk Profi geworden und weiß, was ich da oben mache. Natürlich bin ich auch ein Stück weit nervös. Folgender Vergleich ist ganz passend: Ich habe da einen Raum mit einem großen, wunderschönen aber unberechenbaren Tier. Ich versuche, eine Beziehung zu ihm aufzubauen, und hoffe, dass es mir wohlgesonnen ist. 15 Minuten bevor ich auf die Bühne gehe, schaue ich mir den Raum an. Da stellt sich dann das Gefühl von Lampenfieber ein. Sollte das eines Tages weg sein, ist das der Tag, an dem ich in Rente gehe. Denn dann habe ich den Respekt vor den Menschen da draußen verloren. Man muss sich einfach vor Augen halten, dass sie ihr hart verdientes Geld für Tickets ausgeben und sich auf den Abend freuen. Manchmal ist man das Highlight des Jahres für sie. Da muss ich entsprechend abliefern!
Ihr derzeitiges Bühnenprogramm heißt „Walküre“. Macht man sich mit so einem Titel nicht auch angreifbar?
Angegriffen werde ich sowieso. Wenn ich nicht unsichtbar bin, dann fühlen sich die Leute konstant dazu genötigt, sich eine Meinung über mich zu bilden. Ich bin zu dick, zu ungesund, nicht schön genug, was auch immer… Wenn ich also so einen Namen nicht wählen würde, um keine Angriffsfläche zu bieten, dann würde ich Menschen gewinnen lassen, die überhaupt kein Recht haben, über mich zu urteilen. Ich stehe gerne dafür ein, dass man als übergewichtiger Mensch ein Recht hat, Raum einzunehmen. Egal, ob es anderen passt oder nicht.
Haben Sie es manchmal satt, die Themen Gewicht und Figur anzusprechen?
Manchmal schon. Ich würde es mir wünschen, dass es nicht so ein großes Thema ist. Aber das ist einfach ein gesellschaftliches Problem und solange es dieses gibt, bin ich laut und spreche es immer wieder an. Dabei ist es eigentlich etwas so Oberflächliches. Ich meine: Wir reden hier von der Ablehnung eines Körpers, weil er nicht gefällt. Das ist doch so dumm und unwichtig! Dieses Denken sorgt dafür, dass sich ein Großteil von uns sein ganzes Leben lang unwohl fühlt. Ich habe mal gelesen, dass mehr als 90 Prozent der Frauen unzufrieden mit ihrem Körper sind. Das ist doch so, als würde man sein Leben mit angezogener Handbremse leben. Als Kind hätte ich mir gewünscht, dass es jemanden gibt, hinter dem ich mich verstecken könnte und der vorangeht. Dieser jemand bin ich jetzt. Wir müssen mal aufwachen. Wir hängen einem Schönheitsideal nach, das so gut wie keiner erfüllt.
Werden Sie eigentlich häufig auf der Straße erkannt?
Sehr häufig sogar. Es ist schon vorgekommen, dass ich im Schwimmbad war – ohne Brille, ohne Extensions drin und vorsichtig gesagt wie ein geplatztes Kissen ausgesehen habe – und nach einem Foto gefragt wurde. Wenn jemand auf mich zukommt und mir Hallo sagt, werde ich erst einmal ganz nervös. Denn ich denke immer, ich müsste die Person auch kennen, mir fällt aber kein Name ein. Ich habe leider ein wahnsinnig schlechtes Namensgedächtnis. Wenn man mir dann sagt, dass man mich aus dem Fernsehen kennt oder mein Buch gelesen hat, antworte ich meist mit „ok, cool“ und fühle mich dann mies, weil ich so schlecht im Smalltalk bin. Aber ich freue mich wirklich immer, wenn ich angesprochen werde. Meine Fans dürfen immer zu mir kommen und Hallo sagen. Ich nehme mir gerne die Zeit!
Und wie gehen Sie mit negativen Kommentaren – vor allem online – um?
Hass kommt immer von „unten“. Ich habe noch nie einen glücklichen Menschen erlebt, der sich die Zeit genommen hat, um einen anderen Menschen zu schreiben, wie blöd er ihn findet. Und Hass im Internet hat meist zwei Ursachen: entweder Neid oder Wut. Und Die Wut bezieht sich dabei nicht auf mich. Die beleidigende Person hat meist einfach eine Umarmung nötig oder Probleme mit sich selbst. Davon abgesehen denke ich mir, dass es doch auch komisch ist, wenn sich jemand auf meiner Seite herumtreibt, nur um mir zu sagen, wie doof ich doch eigentlich bin. Das ist meine Seite, was machst du dann da überhaupt? Mittlerweile blende ich Hasskommentare auch gerne aus. Dann kann der Kommentarschreiber seinen Kommentar noch sehen, ärgert sich aber, dass niemand sonst auf den Mist einsteigt, den er da rausgehauen hat.
„Du hast ein Recht darauf, glücklich zu sein“ von Nicole Jäger, Rowohlt Polaris, 256 Seiten, 18 Euro, ISBN: 978-3-499-01507-6