prisma: Herman, Du bist dieser Tage wieder außergewöhnlich produktiv, hast ein Buch namens „What About Love“ geschrieben und ein gleichnamiges Album produziert. Wie kam es dazu?
Herman Rarebell: Na ja, die Zeit ist einfach reif dafür. Egal, wohin man schaut: Überall ist immer nur Hass. Was ist eigentlich mit der Liebe passiert? Was ist der Plan? Wollen wir uns alle gegenseitig ins Jenseits befördern? Ich kann nur noch mit dem Kopf schütteln. Solche Songs wie „Imagine“ von John Lennon gibt‘s nicht mehr. Warum ist das so?
Und dann hast Du Dir dieses Projekt ausgedacht?
Genau. Zunächst mal die Musik. Es sind Songs, die in den 80ern alle eine Bedeutung hatten. Dann habe ich mir ein paar sehr bekannte Mitmusiker wie Bob Daisley, Neil Carter oder Howard Leese gesucht und das Projekt gemeinsam mit Michael Voss umgesetzt.
In Deinem Buch berichtest Du am Beispiel der Scorpions davon, was Musik bewirken kann.
Das war ein Gefühl. Wir waren 1990 davon überzeugt, dass wir der Welt mit unseren Gitarren den Frieden bringen. 1991 waren die Scorpions die einzige Band, die jemals in den Kreml eingeladen worden war. Da saßen wir nun vier Stunden mit Gorbatschow, das werde ich nie vergessen. Er fragte uns, was dieser Heavy Metal denn nun sei. Und wir drucksten so ein wenig herum, bis er plötzlich sagte: ‚Können Sie sich an die Szene erinnern, als Nikita Chruschtschow mit seinem Schuh auf den Tisch bei den Vereinten Nationen eindrosch? Das ist Heavy Metal!‘
Hat es mit der positiven Energie zu tun, die über Musik transportiert wird und zumindest für einige Zeit alle Unterschiede – auch politische – verschwinden lässt?
Immerhin haben die Leute damit aufgehört, sich gegenseitig umzubringen. Der Kalte Krieg war vorläufig ausgesetzt und drei Monate später fiel die Mauer. Damals haben wir uns eingebildet, dass wir mit Musik das geschafft haben, was die ganzen Politiker nicht bewirken konnten. Eigentlich ein schöner Gedanke.
Hat die Musik das geschafft oder ist sie eher ein eskapistisches Mittel, alles zu vergessen?
Genau so ist es. Als wir 1989 zum „Moscow Love And Peace Festival“ eingeladen wurden, war ja auch eine russische Band vor Ort, wir kannten uns mit den Gegebenheiten aus, da wir im Vorjahr schon einige erfolgreiche Shows dort gespielt hatten. Die Unterschiede zwischen den Leuten verschwimmen, weil die Musik sie verbindet.
Es gab damals ziemlichen Ärger wegen der Headliner-Position. Eigentlich hättet Ihr der Top Act sein sollen, da die Fans Euch kannten.
Ja, aber Ozzy Osbourne und Bon Jovi meldeten ebenfalls Ansprüche an. Am Ende wurden es Bon Jovi. Ich habe deren Sänger Jon gewarnt, dass die Leute alle nach uns gehen würden. Und genauso ist es dann auch gekommen. Als wir „Blackout“ spielten, warfen sogar die Polizisten ihre Mützen in die Luft.
Also hakte es auch damals schon an Kommunikation und Egos. Wie lässt sich das auf die aktuelle Weltlage übertragen?
Ganz einfach: Wenn man nicht mehr redet, keine Leidenschaft mehr empfindet, dann kann man auch nichts mehr erreichen. Sich nur die Köpfe einzuschlagen – ob digital oder tatsächlich – kann keine Lösung sein. Daher frage ich mich: „What About Love“? Das hat damals auch funktioniert. Oder ist das letzte Kapitel die Gewalt? Das fände ich schade.
Nach der 1993er-Scheibe „Face The Heat“, die Ihr nicht mehr mit Dieter Dierks, sondern mit Bruce Fairbairn gemacht habt, bist Du ausgestiegen, weil Dir die Richtung der Scorpions nicht mehr zusagte. War das wirklich so, oder gab es da noch mehr?
Es waren die Songs, aber auch die Art, wie wir aufnahmen. Dieter Dierks war immer sehr penibel. Er hat sich manchmal einen Song 60-mal spielen lassen, bis der Take für seine Ohren perfekt war. Bruce hingegen hat aus drei verschiedenen Takes das für ihn Beste zusammengeschnitten. Ich sagte immer: In der Zeit kann ich das doch locker noch mal spielen. Aber er winkte ab. Später sind wir aber gute Freunde geworden.
Warum bist Du bei der großen Jubiläumsshow am 5. Juli in Hannover nicht dabei?
Ich kann’s Dir nicht sagen, ich wurde nicht eingeladen. Ist natürlich schon schade.
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