14.07.2025 Im Interview

„Meine Träume sind wichtiger als meine Schmerzen“ - Jil Eileen Füngeling

Reise-Influencerin Jil Eileen Füngeling hat 2018 ihre erste Weltreise gestartet. Seitdem ist das Reisen ihr Beruf. Nach einem Horror-Unfall mit einem Geisterfahrer in Namibia kämpft sie sich zurück ins Leben. Darüber schreibt sie auch in ihrem zweiten Buch, das am 1. September erscheint.
Jil Eileen Füngeling vor der Golden Gate Bridge.
Jil Eileen Füngeling vor der Golden Gate Bridge. Fotoquelle: Jil Eileen

prisma: Was fasziniert Dich so am Reisen?

Jil: Ich reise mittlerweile schon seit 2018, also seit sieben Jahren, fast Vollzeit um die Welt. Ich habe damals meine Weltreise gestartet und darüber auch mein Buch geschrieben. Ich finde am Reisen so toll, dass man viele verschiedene schöne Orte sehen kann, aus der Komfortzone herauskommt und neue Kulturen sowie inspirierende Menschen kennenlernt. Ich sage immer, dass man auf Reisen mehr lernt als in der kompletten Schulzeit oder in jedem Studium.

Was war 2018 der Auslöser für Deine Weltreise?

Ich war schon immer sehr reiselustig und habe jede freie Zeit, die ich hatte, dafür genutzt. Aber ich wollte mal länger weg sein. Ich hatte überlegt, für ein Jahr in die USA zu gehen, um mein Englisch zu verbessern. Aber dann dachte ich mir: Wenn man sich schon ein Jahr Zeit nimmt, ist es doch irgendwie schade, das Jahr dann nur in einem Land zu verbringen. Ich habe mich dann vor meine Weltkarte über meinem Sofa gesetzt und mich passend zu meinem Lebensmotto „Where to next“ (Wohin als Nächstes?) gefragt, wo ich hinwill. Das Motto habe ich übrigens auch tätowiert und so heißt mein Buch. Mein Ziel war es, in einem Jahr komplett um die Welt zu reisen. Ich war während meiner Weltreise einmal auf jedem Kontinent, außer in der Antarktis. Das war damals nicht drin.

Was war die wichtigste Erfahrung, die Du unterwegs gemacht hast?

Die Erkenntnis, dass man manchmal einfach machen und die Träume über die Ängste stellen muss. Ich bin eigentlich so ein kleiner Schisser (lacht). Meine Familie hätte auch niemals gedacht, dass ich das mit der Weltreise überhaupt durchziehe. Als ich denen von meinen Plänen erzählt habe, haben sie mich gar nicht ernstgenommen: „Du hast Angst vor Spinnen, du hast Angst vor allen möglichen Insekten. Du hast eigentlich Angst vor allem und jedem.“ Habe ich wirklich, auch bis heute noch. Aber der Traum vom Reisen war mir wichtiger als meine Ängste, deswegen habe ich mich ihnen gestellt.

Inwiefern hat die Reise Dich verändert?

Man würdigt das Leben und unsere Welt viel mehr. Klar, ich kriege oft blöde Nachrichten, dass ich durchs Reisen die Welt kaputt mache und so weiter. Aber dennoch glaube ich, dass ich, als jemand der schon viel gesehen hat, unsere Welt mehr wertschätzt als jemand, der nur zu Hause sitzt. Und ich probiere, anderweitig nachhaltig zu leben und etwas Gutes für die Umwelt zu tun. Armut ist auch etwas ganz ganz Krasses, das einem unterwegs begegnet. Ich schätze so simple Dinge wie meinen Kaffee morgens ganz anders wert.

Wie ging es nach der Weltreise für Dich weiter?

Ich habe in meinem Job damals nur pausiert und bin nach der Reise zurück ins Möbelhaus – ich bin gelernte Einrichtungsberaterin. Aber man kann es sich ja gut vorstellen: Ich war ein Jahr unterwegs, habe mein Frühstück immer an den schönsten Orten genossen und komme dann zurück in ein Möbelhaus – dunkel, keine Fenster, keine frische Luft. Ich habe mich gefühlt, als wäre ich im Gefängnis da. Da ich aber während meiner Weltreise schon meine Erlebnisse auf Instagram geteilt habe, erreichten mich erste Anfragen von Kooperationspartnern. So ist aus meinem Hobby quasi langsam mein Beruf geworden.

Magst Du vielleicht kurz Deine Bücher vorstellen? Band eins ist ja bereits erschienen, der zweite folgt im September.

Im ersten Buch geht es um meinen ersten Solo-Trip. Es endet damit, wie ich nach der Weltreise zurückkomme und überlege, meinen Job zu kündigen, um Reisebloggerin zu werden. Das zweite Buch handelt davon, wie mein Freund Jamie, den ich auf Reisen kennengelernt habe, und ich eine weitere Weltreise planen. Doch dann kommt Corona und macht uns einen Strich durch die Rechnung. Stattdessen haben wir also einen Van ausgebaut und sind durch Europa gereist. Der Plan für eine Weltreise war immer noch da, also sind wir 2022 nach Namibia gereist. Doch da hatte ich den schweren Autounfall, weshalb wir die zweite Weltreise schon wieder nicht machen konnten. Das Buch ist eine kleine Achterbahnfahrt. Ich erzähle im Prinzip darüber, wie meine Reise zurück ins Leben ist. Wie der Unfall passiert ist, was ich danach gefühlt habe. Ich schreibe da über Sachen, darüber reden manche Menschen nicht mit ihren Freunden, weil sie so intim sind.

Wie schwer fällt es Dir, so Persönliches zu teilen?

Gar nicht, muss ich sagen. Ich teile mittlerweile schon seit sieben Jahren mein Leben auf Instagram und habe immer die guten und schlechten Seiten geteilt. Mir war das immer wichtig. Nach dem Unfall war ich fünf Tage nicht online, aber irgendwie wollte ich das teilen. Ich war mir aber nicht sicher, ob ich diese Flut an Nachrichten danach haben wollte. Nach einer Woche habe ich mich dann zurückgemeldet. Es ist ganz komisch, wenn man so eine Community hat. Man kennt sich nicht, aber es fühlt sich doch irgendwie so an, als wären wir Freunde (lacht). Ich habe am Ende so viel Feedback bekommen, damit habe ich mich so ein bisschen selbst therapiert. Mir ist es leichter gefallen, meine Bedenken, Probleme und auch „mein Heulen“ in die Kamera zu sprechen, als mit Menschen, die ich kenne, zu reden. Das ist auch heute noch so. Meine Freunde und Familie sind manchmal davon etwas genervt, aber mir fällt es leichter, etwas in mein Handy zu sprechen, ohne direktes Feedback zu bekommen. Ich will ja gar kein Mitleid oder so.

Hat der Unfall Dich als Person verändert?

Das war hart, da wird einem der Boden unter den Füßen weggerissen. Ich war immer wie ein Flummi und bin viel herumgesprungen. Wir hatten die nächsten Reisen schon geplant, und auf einmal ist man total am Ende. Ich hatte von oben bis unten alles gebrochen. Ich konnte mich keinen Zentimeter mehr bewegen. Da kommt man in so einen Überlebensmodus. Natürlich hat man Träume und will wieder dahinkommen, wo man vorher war. Ich muss aber auch sagen, dass ich nie realisiert habe, wie schlecht es wirklich war. Ich habe mir schon mal beim Skifahren meinen Arm gebrochen und sechs Wochen später war der wieder gut. Wenn die Ärzte mir gesagt haben, ich kann nie wieder gehen, habe ich das nicht richtig geglaubt. Wenn man so lange im Rollstuhl gesessen hat und dann wieder gehen kann, ist man schon unfassbar dankbar. Wobei es nach wie vor hart ist. Ich würde lügen, wenn ich sage, mir geht’s gut.

Ist das Reisen für Dich in der Reha ein Antrieb gewesen?

Total. Ich bin auch so ein Mensch, der nie aufgehört hat, viel zu machen. Wenn ich zehn Minuten gehe, habe ich Schmerzen. Wenn ich auf der Couch liege, habe ich keine Schmerzen. Manchmal frage ich mich, wieso ich mir das eigentlich alles antue. Aber ich liebe das Leben zu sehr und bin zu jung, um nur noch zu Hause zu bleiben. Ich möchte noch so viel von der Welt sehen. Ich stelle in dem Fall nicht meine Träume über meine Ängste, sondern meine Träume über meine Schmerzen.

Eine Frage passend zu Deinem Motto „Where to next?“: Welche Reiseziele stehen noch so auf der Liste?

Wir werden nach Namibia reisen, denke ich. Es steht zwar noch nicht fest, wann, aber wir haben uns vorgenommen, dort noch einmal hinzufahren und unsere Reise zu beenden, wann wir es wollen. Und nicht, wann ein anderer es macht. Wir möchten demnächst auch noch einmal mit unserem Van für vier Wochen unterwegs sein. Ich denke, es geht nach Schweden.

„Where to next – Ein Jahr alleine um die Welt“ von Jil Eileen Füngeling, Community Editions, 320 Seiten, 19,90 Euro

„Where to next – Meine Reise zurück ins Leben" erscheint ab dem 1. September bei Community Editions und ist bereits vorbestellbar.