Avantasia sind wieder mal in aller Munde. „Here Be Dragons“ rauschte auf Platz eins der Charts, die dazugehörige Tour ist ein riesiger Erfolg. Kann Macher Tobias Sammet dieses Glück überhaupt fassen? prisma fragte nach.
Tobi, 25 Jahre Avantasia: Da wird doch das neue Album nicht alles sein, was wir in diesem Jahr erwarten können, oder?
Ich bin eigentlich gar kein Jubiläumstyp. Ich schaue zwar auch manchmal zurück, bin aber immer ein Freund davon, etwas Neues zu kreieren, das in der Zukunft wert ist, darauf zurückzublicken (lacht). Daher wird es jetzt keine ausgiebige Jubiläumsfeier geben. Ich habe auch gar keine Muße, mir Gedanken um so etwas zu machen. Von außen wird das oft an einen herangetragen, aber ich verdaddele es immer. Ich hoffe einfach, dass noch viel dazu kommt und versuche, die Gegenwart zu genießen.
Es ist ja auch bis jetzt ganz gut gelaufen…
Als ich angefangen habe, habe ich nicht damit gerechnet, dass mir alles so widerfährt, wie es passiert ist. Ich habe mit vielen meiner Helden Musik machen dürfen: Ich bin mit Aerosmith getourt, habe mit Iron Maiden und Kiss die Bühne geteilt und mit Alice Cooper gearbeitet. Das ist so schön. Und ich bin auch nach so vielen Alben immer noch begeistert von dem, was ich mache. Manchmal bin ich überrascht, dass ich nach so langer Zeit immer noch an den Punkt komme, dass ich eine neue Platte in den Händen halte, von der ich denke, dass es die tatsächlich noch gebraucht hat. Das macht mich extrem glücklich.
Gibt es denn die Möglichkeit, dass die beiden ersten Platten, die ja den Mythos Avantasia begründet haben, vielleicht noch einmal als komplette Metal Oper in einem Theater aufgeführt werden?
Ich bin sehr froh darüber, dass ich diese Platten damals geschrieben habe. Natürlich muss ich mich auch damit beschäftigen, wenn wir auf Tour gehen. Ich muss aber auch ganz ehrlich sagen, dass ich zu den Scheiben nicht mehr so den Draht habe wie zur Entstehungszeit. Musik machen ist wie Tagebuch schreiben. Du hältst den künstlerischen Status Quo fest. Mittlerweile fühle ich mich diesen beiden Alben musikalisch nicht mehr so nah, muss ich zugeben. Ich denke einfach, dass Songs, die wir später gemacht haben, näher an mir dran sind.
Dann mal zum neuen Album „Here Be Dragons“, das in Deutschland direkt auf Platz eins der Albumcharts geschossen ist. Sind die Drachen eine Hommage an Dio?
Das könnte man glauben, oder? Nein, in Wahrheit ist es ein Synonym für das Entdecken unbekannter Welten. Den Satz „hic sunt dracones“ habe ich habe ich auf einer alten Seekarte in einem Buch entdeckt. Das war eine Bezeichnung für die Kennzeichnung von unerforschtem Gebiet, in dem Gefahren lauern könnten. Das fand ich super, weil es auch die Herangehensweise an dieses Album beschreibt. Das erste Mal in der Geschichte von Avantasia habe ich mich vor dem Schreiben eines neuen Albums nicht hingesetzt und ein Thema vorgegeben, sondern mich einfach überraschen lassen.
Mit „Creepshow“ habt ihr ein untypisches Drei-Minuten-Hit-Wunder geschrieben. Ist der Song schon etwas älter? Er unterscheidet sich ja deutlich vom Rest des Materials.
Er ist tatsächlich schon etwas älter. Aber das ist beispielsweise „Phantasmagoria“ auch. Manchmal passen Stücke einfach nicht zu den Alben, die gerade entstehen. Dann lege ich sie noch mal weg und krame sie zu einem späteren Zeitpunkt wieder hervor. „Creepshow“ geht ein paar Jahre zurück. Bei dem Song habe ich bei den letzten Alben wahrscheinlich unbewusst das Gefühl, nicht tiefgehend genug für Avantasia zu sein. Aber irgendwann war mir das auch egal, und dementsprechend habe ich den Song dann auch für Avantasia ausgearbeitet, weil ich ihn einfach gefühlt und mir selbst gesagt habe, dass es dann eben auch Avantasia ist. Kurz: Avantasia ist keine Dienstleistung.
Auf der Platte sind wieder so viele Gastkünstler, dass quasi jede Avantasia-Platte Ausdruck und Ergebnis einer Supergroup mit wechselnden Darstellern ist. Wenn man bedenkt, wer schon alles dabei war, ist das ja schon der Wahnsinn: Geoff Tate, Michael Kiske, Candice Night, Ronny Atkins, Eric Martin oder Bob Catley. Da wird man schon blass. Wie suchst du die Sänger für die jeweiligen Stücke aus?
Ich mache das intuitiv. Ich bin ja auch selber Fan, und wenn du so viel aus Musik gezogen hast, um darin zu versinken und Halt zu finden, dann weißt du, wer zu welchem Lied passt. Und ich habe das große Glück, dass viele meiner Helden mitmachen. Es gibt nichts Schöneres, als einen Song zu schreiben und zu wissen: Den singt jetzt Bob Catley.