prisma: Wir sind hier in Düsseldorf ansässig und Ihr kommt am 24. Juni her. Es ist eines von nur zwei Konzerten in Deutschland und Euer erster Besuch hier seit Februar 2012. Warum gab es so eine lange Pause?
Roger Taylor: Ja, es ist eine Weile her, das muss ich sagen. Wir haben das Gefühl, dass wir einige Länder in Europa vernachlässigt haben, weil Amerika uns in den letzten Jahren sozusagen „verschlungen“ hat. Die Reaktion auf unsere Konzerte dort war unglaublich, also haben wir viel Zeit in den USA verbracht. Aber wir dachten, es ist an der Zeit, zurückzukehren in Länder, die wir lieben und lange nicht besucht haben.
In Deutschland habt Ihr eine große Fangemeinde, die Euch nicht vergessen hat. Es gibt viele „Duranis“, wie sie in den 80ern genannt wurden.
Roger Taylor: Ja, ich erinnere mich an den Begriff „Duranis“! Es ist toll zu hören, dass die Fans noch da sind.
Ihr feiert 2028 Euer 50-jähriges Bandjubiläum. Plant Ihr schon etwas dafür?
Roger Taylor: Ich wusste nicht mal, dass wir auf 50 Jahre zusteuern (lacht). Das überrascht mich, weil wir nicht weit in die Zukunft schauen. Wir konzentrieren uns auf die Gegenwart und denken nicht an große Jubiläen. Es ist erstaunlich, wenn man bedenkt, wie viele Bands gekommen und gegangen sind. Es gibt viele One-Hit-Wonder, aber nur wenige halten so lange durch. Wir sind sehr glücklich, dass wir es geschafft haben.
Wie würden Ihr Eure künstlerische Relevanz heute beschreiben, besonders im Vergleich zu früher?
Roger Taylor: Wir denken, dass wir noch relevant sind. Wir machen weiterhin Platten – unser letztes Album, „Danse Macabre“, war viel dunkler und hat ein neues Publikum angesprochen. Solange wir neue Leute erreichen, fühlen wir uns relevant. Bei Festivals sehen wir junge Fans, die unsere Texte kennen und vorne stehen. Der Zugang zur Musik hat sich geändert – Kids entdecken uns auf Spotify und denken, wir sind eine neue Band! Das ist ein Kompliment. Es gibt auch eine Art 80er-Revival, und viele Bands nennen uns als Einfluss, was ebenfalls für Relevanz spricht.
Ein guter Song bleibt ein guter Song, oder? Ihr habt viele großartige Songs.
Roger Taylor: Genau! Und Bands mit einem großen Katalog wie unserem werden seltener. Die Leute schätzen an uns, dass wir alles selbst geschrieben haben, ohne externe Songwriter. Das macht uns besonders.
In Deutschland gibt es große 80er-Nostalgie-Touren mit Künstlern wie Holly Johnson oder Samantha Fox, die ganze Stadien füllen. Duran Duran hält sich davon fern. Was denkst Du über diese Nostalgie-Touren?
Roger Taylor: Wir haben uns immer ein bisschen davon distanziert. Solche Touren sind toll für die Fans, und ich bin sicher, sie machen Spaß, aber wir wollten nie als reine 80er-Band abgestempelt werden. Wir hatten auch außerhalb dieses Jahrzehnts Erfolg. Es ist nicht unser Ding, aber ich würde gerne mal zu so einer Show gehen – klingt nach Spaß!
Euer einzigartiger Sound hat Euch irgendwie immer ausgezeichnet. John Taylor sagte einmal, Ihr wolltet eine Mischung aus Sex Pistols und Chic sein. Wie hat sich Euer Sound seitdem entwickelt?
Roger Taylor: Diese Aussage von John ist berühmt, aber es gab viele Einflüsse – Bowie, Kraftwerk, Roxy Music. Andy liebte Rockbands wie AC/DC und Deep Purple, Simon mochte die Doors und Patti Smith. Wir waren Amateure, die aus verschiedenen Richtungen kamen, und haben zufällig diesen eigenartigen Hybrid erschaffen, der Duran Duran wurde. In Amerika hat man unsere Rockgitarren geliebt, kombiniert mit dem New-Wave-Feeling. Das war der Schlüssel, um dort den Durchbruch zu schaffen.
Songs wie „Wild Boys“ sind sehr gut gealtert. Ist er in Eurer aktuellen Setlist?
Roger Taylor: Oh ja, „Wild Boys“ ist definitiv dabei. Das ist so ein starker Song, der die Menge immer mitreißt. Ich erinnere mich damals an eine Disco in München, die wir besucht haben. Der Song lief dort und die Leute sind abgegangen.
Die haben den Laden damals bestimmt abgerissen bei dem Song. Ich liebe den nach wie vor. Du hast schon öfters die Rhythmusarbeit von Chic als großen Einfluss genannt, und jetzt tourt Ihr wieder mit Nile Rodgers und Chic. Wie fühlt sich das an?
Roger Taylor: Es ist unglaublich, vor einem unserer Idole zu spielen. Wir hören ihn in der Garderobe bei seinen Auftritten und er spielt da Klassiker wie „Good Times“ oder „Get Lucky“, den Song, den er zusammen mit Daft Punk aufgenommen hat, und das pusht uns, weil Nile die Messlatte so hochlegt. Er ist ein Meister der Live-Performance, authentisch und ein Genie. Seine Gitarrenarbeit ist phänomenal. Seine Produktionen, wie für „Notorious“ oder unsere Reunion, waren prägend. Es macht die Show zu einem besonderen Abend.
Du sagtest, die Band ist für Dich wie eine Bruderschaft, seit Ihr Teenager wart. Warum ist diese Bindung so stark?
Roger Taylor: Es ist erstaunlich, dass wir das geschafft haben. Es gibt nicht viele Bands wie uns, die immer noch zusammen sind, vielleicht Depeche Mode oder U2. Wir sind zusammen aufgewachsen und haben auch schwierige Zeiten überstanden. Die frühen 80er waren glamourös, aber auch überwältigend und ziemlich hart. Wir waren Teenager, als die Band weltweit explodierte – in Europa, Amerika, Australien, Japan. John beschrieb es einmal als einen führerlosen Zug. Diese Erfahrung hat uns zusammengeschweißt, wie Überlebende der Titanic (lacht). Wir sind immer noch Freunde und machen Musik zusammen.
Damals wurdet Ihr teilweise als Boyband abgestempelt, obwohl Eure Musik tiefgründig war. Wie hast Du die Kritik empfunden?
Roger Taylor: Die Kritik hat mich irgendwann gestört. Ich bin nicht in eine Band gegangen, um Popstar zu sein, sondern um Musiker zu sein, wie die Sex Pistols, The Clash oder Roxy Music. Songs wie „The Chauffeur“ waren tiefgründig, aber wegen unseres jungen Publikums – 10 bis 14 Jahre alt – und unseres Looks dachten viele, wir wären eine Eintagsfliege. Besonders die britische Presse war hart. Es ist schön, diese Kritiker widerlegt zu haben.
Die britische Presse scheint ihre eigenen Bands oft nicht zu mögen. Stimmt das?
Roger Taylor: Ja, Großbritannien hat großartige Künstler hervorgebracht – Beatles, Stones, Queen, Coldplay –, aber die Presse war oft zynisch. Viele Kritiker waren vielleicht gescheiterte Musiker, die ihre Frustration rausließen. Zum Glück hat sich das etwas gelegt.
Eure Aufnahme in die Rock and Roll Hall of Fame 2022 war eine hohe Anerkennung. War das eine Überraschung?
Roger Taylor: Ja, total! Viele, wie Billy Idol, haben es bisher nicht geschafft, was unglaublich ist. Wir haben nie damit gerechnet. Es war eine wunderbare Bestätigung, besonders 40 Jahre nach dem man uns als Popband abgeschrieben hat. Diese Anerkennung kommt zudem direkt aus der Musikindustrie, das macht sie so besonders.
Ist die Musikbranche heute angenehmer für Dich als in den 80ern? Du hast ja damals eine längere Pause eingelegt.
Roger Taylor: Viel angenehmer! Unser Publikum ist mit uns gewachsen. Wir spielen nicht mehr für 12-Jährige, sondern für eine reife Menge, die ihre Kinder mitbringt – manchmal sogar Enkel. Wir können heute frei durch New York oder Düsseldorf laufen, ohne Chaos. Es gibt uns Freiheit, und die Energie der Fans ist immer noch da, aber entspannter.
Ihr wart nie eine politische Band, habt Euch aber zu Themen wie Hunger in Afrika, Klimawandel oder Homophobie geäußert. Wie weit geht Euer Engagement?
Roger Taylor: Wir halten uns bei der Politik schon eher zurück, weil unsere Fans so unterschiedliche Ansichten haben. Wir möchten da niemandem vor den Kopf stoßen. Aber bei klaren Ungerechtigkeiten – wie Transgender-Rechten oder Umweltproblemen – sprechen wir uns aus. Innerhalb der Band haben wir auch unterschiedliche politische Meinungen, was unser Bandleben irgendwie auch im Gleichgewicht hält.
Letzte Frage: Was können die Fans in Düsseldorf erwarten?
Roger Taylor: Alle Hits, die Ihr liebt – wir lassen keine Klassiker aus, das wäre unfair! Ich kann Bands nicht verstehen, die ihre Hits nicht spielen. Sie verlangen hohen Eintritt und enthalten dem Publikum diese Songs vor. Dazu wird es ein paar Songs von unseren letzten beiden Alben „Danse Macabre“ und „Future Past“ sowie tiefere Cuts aus früheren Alben geben. Nick Rhodes sorgt für eine tolle Lichtshow und Screens, die Ästhetik ist uns wichtig. Es wird ein Abend voller Tanz und Energie – Ihr werdet es lieben!
Meine Frau sagt, man hört die Hits und kann nicht aufhören zu tanzen!
Roger Taylor: Genau! [lacht]
Vielen Dank, Roger, für Ihre Zeit. Es war ein Vergnügen. Alles Gute für die Tour!
Roger Taylor: Danke, Jungs. Bis bald in Düsseldorf! Tschüss!