28.04.2025 Jay Denalane im Interview

Sängerin Joy Denalane über ihre neue Doku-Serie: "Es ist schon sehr spannend, sein jüngeres Ich zu sehen"

"Wir waren damals sehr verspielt, hatten aber trotzdem eine ganz klare Vorstellung von unserer Kunst.": Joy Denalane über ihre musikalische Reise mit ihrem Mann Max Herre. Hier das gesamte Gespräch.
Joy Denalane und Max Herre: Ein musikalisches Traumpaar, das die Zuschauer in ihrer neuen Doku ganz nah an sich heranlässt.
Joy Denalane und Max Herre: Ein musikalisches Traumpaar, das die Zuschauer in ihrer neuen Doku ganz nah an sich heranlässt. Fotoquelle: ARD Kultur/LOTTERMANN AND FUENTES

Die Dokuserie „Max & Joy – Komm näher“ (ARD Kultur/SWR/BR/rbb) begleitet das Musiker-Ehepaar Max Herre und Joy Denalane auf ihrer musikalischen Reise und ist ab dem 8. Mai in der ARD-Mediathek abrufbar. prisma hat mit der Sängerin gesprochen.

Ihre Dokumentation „Max und Joy“ war für mich teilweise wie eine Zeitreise ans Ende der 1990er-Jahre, Anfang der 2000er: Freundeskreis, Ihr großer gemeinsamer Hit „Mit Dir“, Ihr erstes Soloalbum „Mamani“. Das war eine ganz besondere Zeit, oder? Ich meine, wie sehen Sie das im Nachhinein?

Joy Denalane: Für uns war es eine sehr spannende Zeit. Sie müssen wissen, dass wir die Archivaufnahmen unseres Freundes Sékou, der die Dokumentation gedreht hat, vorher selbst nie gesehen haben. Wir hatten das damals gedreht und das lag dann irgendwo und verstaubte im Keller. Durch die Kampagne zu unserem Album „Alles Liebe“ haben wir alles überhaupt erst wieder zu Gesicht bekommen. Es ist total spannend, sich beim „Kind-Sein“ selbst zuzuschauen, sein jüngeres Ich zu sehen, das versucht, sein Leben zu bewältigen und irgendwie etwas Gutes zu machen, sich selbst zu verwirklichen, sich selbst zu finden. Sich bei dieser Reise 25 Jahre später noch einmal über die Schulter blicken zu können. Das ist total schön und berührend, wenn ich das mal so sagen darf.

Als Zuschauer erkennt man sich in den Aufnahmen auch wieder. Viele Situationen kommen einem aus seinem eigenen Leben bekannt vor, auch wenn man selbst kein Musiker ist. Diesen Reifeprozess macht jeder durch. Ihr Mann und Sie haben sich bewusst entschieden, diese sehr privaten Aufnahmen zu zeigen. Gab es auch Momente, in denen Sie das bereut haben?

Joy Denalane: Wir haben mittlerweile Abstand zu diesen Figuren, die wir vor 25 Jahren waren (lacht). Wir waren damals sehr verspielt, hatten aber trotzdem eine ganz klare Vorstellung von unserer Kunst. Wie sie sein muss und was wir dafür investieren müssen. Wir haben das total ernst genommen. Das tun wir auch weiterhin, aber es ist witzig zu sehen, dass wir damals auch schon so total darin aufgegangen sind und trotzdem keine Ego-Problematik aufgetreten ist. Das hätte durch den Erfolg, den wir damals hatten, ja passieren können. Und das ist nicht eingetreten. So konnten wir auch die „FK Allstars“, diese Band, die sich aus dem Freundeskreis entwickelt hat, mit den ganzen anderen Protagonisten nach vorne bringen. Da hatten ein Gentleman, ein Afrob, ein Sékou, eine Deborah, eine Brooke Russell, Max und ich alle unseren Platz und davon genug.

Ein Wahnsinns-Lineup.

Joy Denalane: Trotzdem war das alles total verspielt, nicht nur auf der Bühne. Das war wirklich ein bisschen wie eine einzige Klassenfahrt.

Trotzdem spürt man in der Doku, dass Max nach diesem Riesenerfolg mit Freundeskreis und FK Allstars nicht mehr ganz zufrieden war. Ihre Familiengründung war dann der natürliche nächste Schritt, oder?

Joy Denalane: Das ist alles so ineinander übergegangen und durfte auch alles nebeneinander her oder parallel zueinander laufen. Das hat aber auch mit unserem Aufwachsen zu tun, also wie Max und ich groß geworden sind. Ich kam aus einer Familie mit fünf Geschwistern und zwei vollberufstätigen Eltern, die beide total liebevoll waren. Ich habe meine Eltern in wirklich allerbester Erinnerung. Max kam auch aus einem Haushalt, in dem beide Eltern berufstätig waren. Insofern, da haben Sie Recht, stand dieser Vorstellung von Familie die Arbeit nicht im Weg und umgekehrt.

Ihre Familien haben Sie geerdet.

Joy Denalane: Bei uns gab es keine Starallüren, wenn die Frage etwas darauf abzielt. Das liegt aber auch an meiner familiären Prägung, denn ich komme aus diesem großen Haushalt, indem es keine Nummer eins gab. Wir waren einfach sechs Kinder und da war jeder gleich, es gab kein Kind, auf das besonders das Augenmerk gelegt wurde. Wir mussten einfach miteinander auskommen und mussten irgendwie die Räume, die Sphäre des jeweils anderen verstehen und auch respektieren. Bei Max war das ganz ähnlich. So konnten wir unbeschadet, oder besser gesagt, nicht so beeindruckt von unserem Erfolg, einfach unsere Musik machen. Der kommerzielle Erfolg war eher sekundär. Viel wichtiger waren die Fragen „Wie klingen wir?“, „Haben wir hinbekommen, was wir uns vorgenommen haben, bevor wir die Bühne betreten, oder nicht?“. Darum ging es, um unsere Spielfreude.

Nach den FK Allstars haben Sie Ihr erstes Soloalbum „Mamani“ aufgenommen, mit dem Sie sich auf Spurensuche nach Südafrika begeben haben, woher Ihr Vater stammte. Danach sind Sie in die USA gezogen, um mit Max Ihr nächstes Album aufzunehmen. War das im Nachhinein vielleicht etwas zu ambitioniert?

Joy Denalane: Gar nicht. Wir sind ja auch nicht in die USA gezogen, sondern für drei Monate nach Philadelphia gegangen, um dort ein Album zu produzieren, das wir aber schon vorher geschrieben hatten. Das war bevor unser älterer Sohn in die Schule kam, so konnten wir außerschulisch über mehrere Wochen ins Ausland gehen. Amerikanischer Soul und R’n’B war meine ursprüngliche Liebe. Ich komme ja eigentlich aus diesem musikalischen Bereich. Das ist auch nie weggegangen. „Mamani“ war eine andere Reise, eine andere Erzählung. Es war ein Teil meiner Identität, den ich da gezeigt habe und ich fand das auch wirklich wichtig für mich. Aber die Soul- und R’n‘B-Musik war deswegen nicht weniger wichtig für mich. Und auch die Sprache, ich hatte vor Max immer nur auf Englisch gesungen. Ich kannte eigentlich gar keine deutschsprachige Musik.

Die Geschichte, die in der Doku über ihren Hit „Mit Dir“ erzählt wird, ist auch sehr lustig. Sie hatten erst richtige Schwierigkeiten, den Text zu singen. Da kommen dann Vergleiche zu Zungenbrechern auf. Für den Hörer klang Ihr Gesang aber ganz natürlich, nicht umsonst war der Song Ihr Durchbruch. Diese Diskrepanz zwischen dem Geschmack des Publikums und Ihnen als Künstlerin ist da schon sehr interessant.

Joy Denalane: Deutsch ist meine Muttersprache, aber Gesang und Sprechsprache sind zwei völlig verschiedene Dinge. Unsere Sprache ist sehr konsonantenreich und es gibt viele Zischlaute. Wenn man dann zwar deutsch alphabetisiert ist, aber englischsprachig musikalisch erzogen wurde durch meinen Vater und seine Plattensammlung, ist es eine totale Herausforderung, in diese Sprache einzutauchen. Zumal es auch gar keinen Soul auf Deutsch gab.

Da waren Sie die Vorreiterin, das kann man ja durchaus so sagen.

Joy Denalane: Man kann es so sagen. Also, das müssen Sie sagen (lacht).

Ich sage das jetzt einfach mal so. Sie und Max haben eine ganz besondere Klangfärbung hereingebracht. Seine Art zu rappen, war auch weicher, hatte einen besonderen Flow. Deshalb hat das damals auch so gut gepasst, und passt auch auf Ihrem neuen Album „Alles Liebe“ so gut.

Joy Denalane: Max hatte bereits das Album „Quadratur des Kreises“ aufgenommen mit dem Hit „A-N-N-A“, dann kam das zweite Album „Esperanto“, auf das er mich dann eingeladen hatte für den Song „Mit Dir“. Das heißt, er hatte mir natürlich die deutsche Sprache in der musikalischen Ausdruckform total voraus. Ich war wirklich wie eine Anfängerin.

Überhaupt ist Ihre Geschichte wie aus dem Märchen. Das wird in der Doku ja noch einmal deutlich: wie Sie sich kennengelernt haben und wie es dann sowohl musikalisch als auch persönlich gefunkt hat. Das ist ja eigentlich fast zu schön, um wahr zu sein.

Joy Denalane: Es gibt ja auch viel Reibung, es ist natürlich nicht alles nur schön. Aber ich kann tatsächlich sagen, wie wir uns kennengelernt haben, das ist eine Traumgeschichte. Das war wirklich so toll und ich habe damit gar nicht gerechnet. Wir beide nicht. Wir haben uns wirklich auf Anhieb ineinander verliebt. Und das hatte ich bis dahin noch nie erlebt. Das ist schon wirklich sehr einzigartig in meiner Biografie, dieses Kennenlernen.

Es gibt da diese ganz frühen Aufnahmen von Ihnen, auch von Ihrer Hochzeit. Das ist sehr persönlich, aber auch schon länger her, wie Sie zu Beginn richtig bemerkt haben. Es gibt aber auch neuere Aufnahmen von der Arbeit am neuen Album. Da ist auch eine gewisse Reibung zu bemerken. Haben Sie die Kamera da überhaupt noch gesehen? Oder war Ihnen das dann egal? Wie kann man sich das vorstellen?

Joy Denalane: Wie ich schon anfänglich gesagt habe, geht es bei uns immer um die Sache, um die Kunst. Wenn wir zusammenarbeiten, steht die immer im Vordergrund. Ob wir die dann durch Reibung oder durch Harmonie erreichen, ist uns dann auch egal. Es gibt auch keinen Streit, der über die Kunst hinaus geht. Reibung gab es bei uns schon immer und wir haben immer schon miteinander gerungen. Um die Deutung, wie etwas ausgedrückt werden muss, was besser ist, was besser passt oder schlechter passt. So ist unsere Sprache während des Musikmachens, aber da bleibt es irgendwie auch. Das heißt aber nicht, dass wir nicht auch als privates Paar Reibung haben. Wir haben uns ja auch schon getrennt. Also insofern gab es natürlich auch an anderen Stellen Reibung. Aber das steht auf einem anderen Blatt. Oder das findet auf einer anderen Ebene statt. Wenn wir aber als Musiker im Studio nebeneinanderstehen und um die Sache ringen, hat das mit dem Privaten nichts zu tun. Das ist vielleicht ein Teil unserer Persönlichkeit, der damit reingeht.

Gibt es in der Dokumentation auch Momente, die Sie überrascht haben? In denen Sie eine neue Facette von sich oder Ihrem Partner entdeckt haben?

Joy Denalane: Na ja, meinen Partner sehe ich ja immer (lacht). Da erinnert man sich vielleicht mal an Dinge, an die man schon gar nicht mehr gedacht hatte. Es ist eher so, dass man manchmal ein wenig überrascht ist, sich selbst zuzuschauen. Beim Sein, beim Arbeiten, bei der Freizeit. Man spricht sein ganzes Leben und hört sich auf eine bestimmte Weise. Also ganz anders, als einen die anderen hören. Wenn man dann eine Aufnahme von sich hört, ob gesprochen oder gesungen, ist man total erschrocken. So klinge ich? Eigentlich dachte ich, ich klinge ganz anders. So ungefähr ist es, wenn man Archivmaterial sieht, das sich plötzlich wieder auftut, es anschaut, durchschaut und sich sozusagen in der Bewegung sieht. Sieht, wie man sich gibt, wie sich die Sprache verändert hat. Wie sich der Ton im Sprechen verändert hat. Das fand ich schon erstaunlich. Meine Stimme hat sich sehr verändert.

Eine besondere Stärke der Doku ist dieser Blick hinter die Kulissen. Wie der kreative Prozess bei Ihnen abläuft. Da werden einmal die Szenen aus den USA gezeigt, als Sie Ihr zweites Album „Born And Raised“ Anfang der 2000er in Philadelphia aufgenommen haben, und Max als Produzent Ihren Gesang 10-, 15-mal hintereinander anhört und alle ein wenig genervt sind. Und im Kontrast dazu dann die Aufnahmen von der Arbeit zum neuen Album. Da wirkt alles mehr auf Augenhöhe. Dass Sie beim neuen Album mehr zusammengearbeitet haben. Stimmt der Eindruck?

Joy Denalene: Genau, dieses Album „Alles Liebe“ war unsere bisher harmonischste Zusammenarbeit. Auch wenn es mal eine Auseinandersetzung gab, hat das total Spaß gemacht. Das lag natürlich auch daran, dass wir reifer geworden sind. Es war aber auch ein Projekt, bei dem von vornherein klar war, das ist 50-50. Da gibt es gar keine zweite Meinung. Das muss sich auch abbilden in der Zusammenarbeit. Und Max sieht immer 360 Grad, er hat einfach diesen Blick für das Ganze. Und das hat nicht jeder Künstler, das kann ich nach all den Jahren der Zusammenarbeit betonen. Ich habe diese Fähigkeit nicht so ausgeprägt wie er. Ich habe ganz viel gelernt von Max.

Das ist ein großes Talent von ihm als Musiker.

Joy Denalane: Man kann es anwenden, aber ich werde nie diese Präzision und diesen Blick haben, den er hat. Der ist ihm einfach gegeben, der ist einfach da. Er weiß immer wie er von A nach B kommt, da ist er einfach besonders stark. Wir ergänzen uns aber auch sehr gut.

Welche Reaktionen erwarten Sie auf die Doku?

Joy Denalane: Oh Gott, sagen Sie es mir (lacht). Keine Ahnung, ich erhoffe mir, dass sie irgendwie unterhaltsam ist. Dass sie einen Einblick gewährt in dieses Künstler-Dasein und dass wir es ernst nehmen mit der Musik. Dass die Musik, wenn wir Musik machen, irgendwie immer Vorrang hat. Wir lieben die Musik und treffen uns auch immer wieder über die Musik. Das sind so Begegnungen, die wir als Paar haben. Über Musik können wir immer noch ewig diskutieren. Das ist irgendwie etwas Schönes. Und ich hoffe, dass die Leute das sehen. Für unseren Freund Sékou Neblett erhoffe ich mir nur das Beste. Er ist der Filmemacher, der die Doku über uns gemacht hat. Er wollte die Geschichte erzählen, weil er Filmemacher geworden ist. Und er ist jetzt wie der Künstler, der gerade sein Album abgibt, das ist sein Zustand. Ich kann nur hoffen, dass die Leute die Doku mögen.

Total sympathisch waren ja auch die Einspieler Ihres entwaffnend ehrlichen Bruders und die Szene als Ihr Sohn einen Song des neuen Albums über das Handy bewerten soll, und er nicht gerade begeistert ist. Der hat es dann ja auch nicht auf das Album geschafft.

Joy Denalane (lacht): Mein Bruder? Klasse! Und der Song hat es wirklich nicht auf das Album geschafft, er nannte das Kindermusik. Das war ziemlich lustig, überhaupt unterhalten wir uns mit unseren Kindern sehr gerne über Musik.

Und die sind immer ehrlich. Wenn die was nicht gut finden, dann wird das auch gesagt. Ob es jetzt von Mama und Papa ist oder nicht.

Joy Denalane: Das finde ich gut. Das mag ich irgendwie einfach an unserem Verhältnis. Und es war auch wirklich ein lustiger Moment. In dem Moment ist der Song gestorben (lacht).

Die Doku gibt es ab dem 8. Mai in der ARD-Mediathek zu sehen: https://1.ard.de/MaxundJoy.