30.10.2018 Genuss

Fleischlos glücklich

Von Matthias M. Machan

Die fleischlose Ernährung boomt. Schnitzel und Steaks, Salami und Leberwurst gibt es in veganen oder vegetarischen Varianten längst in jedem Supermarkt-Regal. Der Blick auf eine boomende Branche.

Sieht aus wie Fleisch, schmeckt wie Fleisch und fühlt sich am Gaumen meist auch so an wie Fleisch: Vegetarische Bratwürste, Frikadellen und Schnitzel sind eine beliebte Alternative für Verbraucher, die bewusst auf Fleisch verzichten wollen. Aber was bekommt man da eigentlich serviert?

Für Schauspielerin Rosalie Wolff gab es in der Jugend nichts Leckereres als Gyros und Frikadellen. Bis eine TV-Reportage ihre Ernährungsgewohnheiten komplett auf den Kopf stellte. "Mir wurde eindringlich klar, dass meine Frikadellen eben nicht im Supermarkt wachsen. Die Bilder von Tieren, die sich gegen Bolzenschuss und Elektrozange gewehrt haben, habe ich bis heute nicht vergessen. Fleisch? Nie wieder!“, sagt die 39-Jährige, die aus diesem Antrieb heraus auch Unternehmerin geworden ist. "Veggy Friends" heißt ihre Firma in Hilden vor den Toren Düsseldorfs. Unter dem Namen "smilefood" betreibt Wolff seit 17 Jahren einen Onlineshop für vegane Ernährung. Deutschlandweit gibt es ihre Produkte, unter anderem auch bei Edeka und Rewe. Außerdem beliefert Wolff Großhandel, Gastronomie und Studentenwerke.

Viele Zutaten

Wer sich dem Thema "Fleischersatz" kritisch nähert, wundert sich über die langen Zutatenlisten. Seitan, Rapsöl, Hefeextrakt, Zwiebeln, Steinsalz, Gewürze, Verdickungsmittel wie Johannisbrotkernmehl und Agar-Agar, der Farbstoff Eisenoxid und Aromen bilden eine lange Liste für ein vordergründig einfaches Stück Fleischkäse. Bei der vegetarischen Mortadella eines Top-Players der Wurstindustrie wird die Liste noch länger. Eiklar ist hier der Hauptbestandteil. Eiklar in der Wurst? Ja, und das zu 70 Prozent! Immerhin kommen die Eier bei diesem Markenprodukt aus der Freilandhaltung.

Selbstverständlich ist das bei Produkten, die preislich mit der zweiten Stelle hinter dem Komma kalkulieren, nicht. Denn die Eier können auch von Hühnern kommen, die nie das Tageslicht sehen – damit wird zumindest der Tier wohl-Gedanke der Vegetarier ad absurdum geführt. Vegane Fleischersatzprodukte bieten eine Ei-freie Alternative. Zwar ist das Gros der Fleisch- und Wurstalternativen vegan, aber einigen Produkten werden eben auch Eier und Milch hinzugefügt. Es empfiehlt sich ein Blick auf die Zutatenliste.

Geschmacklich sind die Fleischersatzprodukte heute oft auf Augenhöhe mit den Originalen. "Das Tier lässt sich problemlos durch eine pflanzliche Basis ersetzen. Oft lebt das Fleisch sowieso nur von der Panade und den Gewürzen", sagt Rosalie Wolff. Geschmack lässt sich auch mit natürlichen Aromen aus Sellerie, Möhre, Meersalz oder Sojasauce erzeugen. Mariniert man beispielsweise Tofu mit Chili und Sojasauce, bekommt man eine würzig-feurige Basis für einen Burger. Dank faseriger Struktur und der Fähigkeit, den Geschmack von Brühe und Gewürzen aufzunehmen, imitiert etwa Seitan, anders als Tofu, nahezu jedes Fleischgericht.

Veggie-Wurst und Seitan-Schnitzel polarisieren. Während Hersteller sie als gesünder und ethisch besser als das Original preisen, sehen Kritiker in ihnen hochverarbeitete, künstliche Lebensmittel. Aber das "Fake-Fleisch" trifft den Nerv der Zeit. Rosalie Wolff muss man nicht mehr überzeugen, sie ist fleischlos glücklich: "Ich war seit Jahren nicht mehr krank. Meine Blutwerte sind top, ich fühle mich fit und gesund."

BUCHTIPPS

Veganismus ist einer der wichtigsten Ernährungs-Trends, aber er ist nicht neu. Dieses Buch erzählt erstmals seine Geschichte. Für alle, die Tierprodukte (ver-)meiden, mehr über ihre Vorgänger wissen oder Veganer besser verstehen wollen.

  • Titel: Gemüseheilige
  • Autor: Florentine Fritzen
  • Verlag: Franz Steiner
  • Seitenzahl: 183 Preis: 21,90 Euro

Mark-Stefan Tietze liebt Fleisch. Was wäre, wenn er sich zu Veganern gesellt, für 100 Tage? Genau das tut er und beschreibt in einer Mi-schung aus Selbstversuch und Reportage, was passiert. Eine Lektüre für alle, die Ernährung ernst, aber Sinnfragen heiter nehmen.

  • Titel: Allein unter Veganern
  • Autor: Mark-Stefan Tietze
  • Verlag: Rowohlt
  • Seitenzahl: 240
  • Preis: 16,99 Euro

Ist unser Umgang mit Tieren moralisch vertretbar? Precht schlägt einen Bogen von der Verhaltensforschung über Religion und Philosophie bis zur Rechtsprechung. Ein Buch, das uns dazu anregt, Tiere neu zu denken und unser Verhalten zu ändern.

  • Titel: Tiere denken
  • Autor: Richard David Precht
  • Verlag: Goldmann
  • Seitenzahl: 512
  • Preis: 12 Euro

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