Sonntag am Tatort

Was man sich antut

26.01.2018, 15.38 Uhr
von Florian Blaschke
Sommer in Dresden: Doch die Ermittler schwitzen noch aus ganz anderen Gründen.
BILDERGALERIE
Sommer in Dresden: Doch die Ermittler schwitzen noch aus ganz anderen Gründen.  Fotoquelle: MDR/Wiedemann & Berg/Daniela Incoronato

So kalt und ungemütlich es hierzulande derzeit sein mag – in Dresden ist schon Sommer. Die Wiesen im Park stehen hoch, die Sonne brennt, doch das, was da zwischen Blüten und Gräsern summt und brummt, das sind keine Mücken oder Hummeln oder Bienen. Der neunjährige Rico Krüger (Joel Simon) aber fühlt sich davon offenbar trotzdem angezogen. Und verschwindet spurlos.

Die Familie gerät in Panik, auch wenn Ricos Vater (Jörg Malchow) seiner Frau (Franziska Hartmann) immer wieder ein "Alles wird gut" entgegenraunt. Doch es wird gar nichts gut in diesem Tatort. Denn Ricos Leiche wird kurze Zeit später unten an der Elbe gefunden. Halbnackt. In einer Sporttasche.

Das Ganze setzt auch Kommissariatsleiter Schnabel (Martin Brambach) unter Druck, an ihm knabbert ein alter, ungelöster Fall – auch deshalb bekommt der Tod von Rico höchste Priorität. Und ein "Ok", das reicht Schnabel dieses Mal nicht. "Ich will, dass Sie rund um die Uhr arbeiten", sagt er zu Henni Sieland (Alwara Höfels) und Karin Gorniak (Karin Hanczewski), "dass Sie alles andere vergessen, jeden Stein zwei Mal, nee, drei Mal umdrehen. Nur noch an eins denken: Diesen Mistkerl kriegen wir!" Und wenn sie die ganze Stadt umdrehen müssen.

Verzweiflung, Wut, Ohnmacht

Lange schon musste man in einem Tatort nicht mehr so viel aushalten. So viel Verzweiflung, so viel Wut, so viel Ohnmacht. Und so viele Szenen, die herzzerreißend realistisch sind. Doch auch im Kommissariat sorgt der Fall Riko für offene Fronten und blankliegende Nerven. Und so wechselt "Déjà-vu" zwischen Hektik und Stille, zwischen laut schreiendem Aktionismus und stummem Entsetzen. "Ich bin wütend" sagt Gorniak in einem Moment, in dem das auch wirklich angebracht ist. Und genau das denkt der Zuschauer mehr als nur einmal in diesen 90 Minuten.

Das perfide an diesem Krimi ist zudem, dass er neben den Ermittlungen noch eine zweite Geschichte erzählt und damit den Zuschauer zusätzlich auf die Folter spannt. Denn diese Geschichte wäre keine, hätte sie mit dem Fall nichts zu tun, hätte sie nichts mit dem Summen und Brummen zu tun, dem auch Rico auf den Leim gegangen ist. Es wird wieder auftauchen. Und auch "Alles wird gut" wird noch mal jemand sagen.

Während dieser Tatort von Dustin Loose in Sachen Dramatik also Maßstäbe setzt, ist es am Ende auch einer der Fälle, bei denen man sich fragen kann, warum man sich das überhaupt antut, was Menschen sich antun. Warum man sich quälen lässt von einem Film, der näher dran ist an unserer Wirklichkeit, als zumutbar ist – und in dem selbst Schnabel es irgendwann rausbrüllt: "Kann denn nicht mal was Schönes passieren?!"

Schönheit verblasst vor all dem Schmerz

Das tut es zwar in dem ein oder anderen Moment – manchmal passieren sogar sehr schöne Dinge –, doch ihre Schönheit verblasst vor all dem Schmerz. Und so sind es vor allem die Charaktere, die nicht nur Licht ins Dunkel bringen wollen, sondern auch etwas Menschlichkeit in eine manchmal unmenschliche Welt. Es sind Sieland und Gorniak, die in der sommerlichen Hitze jeden Stein drei Mal umdrehen und trotz ihrer vielen Probleme und Unzulänglichkeiten und all der Sackgassen dieses Falls nicht aufhören, nach Lösungen zu suchen. Und die so etwas wie Hoffnung darauf ausstrahlen, dass es Mittel und Worte gegen das Böse gibt. Gäbe es die nicht, "Déjà-vu" wäre unerträglich.

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