Krimi im Ersten

Tatort: Ein Zwitter am Zeitgeschehen

19.03.2016, 08.40 Uhr
von Detlef Hartlap
Im NDR-Tatort "Zorn Gottes" haben es die Ermittler mit Schleuserbanden und IS-Terroristen zu tun.
BILDERGALERIE
Im NDR-Tatort "Zorn Gottes" haben es die Ermittler mit Schleuserbanden und IS-Terroristen zu tun.  Fotoquelle: NDR/Marion von der Mehden

Wotan Wilke Möhring und seine neue Kollegin Franziska Weisz bleiben am Ende übrig. Das ist die gute Botschaft. Die schlechte ..., aber lesen Sie selbst!

Düster, düster, düster. Dieser Tatort, der nach einem Worte des Propheten Zorn Gottes heißt, macht ganz in Schwarz, Grau und Dunkelgrün und findet den Weg ins Weiße oder Bunte nicht. Feuchte Keller und einsame Waldstücke, Wartehallen und Verliese, Wohnzimmer von stiller Unbehaglichkeit, geheime Flure, von deren Existenz offenbar nur Schleuser wissen ...

Die Botschaft des Films (Regie Özgür Yildirim, Buch Florian Oeller) lautet: Hier wird was Wichtiges gezeigt, denn wir sind ganz hart am Zeitgeschehen, und was wäre wichtiger als Zeitkolorit!  

Aber es bleibt unterm Strich ein Tatort. Und ob er wirklich vom Geschehen unserer Tage erzählt, sei dahingestellt.

Die Neue an Falkes Seite

Mehr noch als Terroristen und Worte des Propheten interessiert sich der Tatort-Zuschauer für die Beantwortung der Frage, wer denn nun die Neue an Falkes (Wotan Wilke Möhrings) Seite ist. Petra Schmidt-Schaller als Ermittlerin Katharina Lorenz hat bekanntlich die Brocken beim von Ort zu Ort vagabundierenden Bundespolizei-Tatort hingeschmissen, weil ihr Katharina Lorenz zum Halse heraushing.

Die Neue heißt bürgerlich Franziska Weisz und in ihrer Rolle Julia Grosz. Sie gelangt an Falkes Seite, indem sie ihn umhaut. So einfach geht das.

Es kommt dazu, weil Falke aus nicht näher definierten Gründen das Sicherheitssystem des Flughafens Hannover testen will und eine stürmische Flucht aufs Parkett legt, als man ihn entdeckt. In dieser Situation bleibt Julia Grosz cool und lauert dem Flüchtigen auf. Auf so eine Begegnung, das erweist sich im Folgenden, kann man bauen. Julia Grosz ist vermutlich die schweigsamste Ermittlerin am Tatort seit Hanne Wiegand (Karin Anselm, lange her!), aber wie diese äußerst effektiv.

Actionkrimi, Polit-Farce und Kammerspiel

Halten wir diesem Film also zugute, dass man dem Spiel von Franziska Weisz und Wotan Wilke Möhring mit wachsendem Wohlgefallen zuschaut. Ansonsten wäre die Chose auch schwer auszuhalten. Wir sehen einen Zwitter oder Drilling (oder was auch immer) von Actionkrimi, Polit-Farce und Kammerspiel. Gegen Letzteres spricht allerdings, dass immerfort Menschen sterben, gleich zu Beginn wird jemand aus nichtigem Anlass in den Katakomben des Flughafen Hannover totgeprügelt, am Ende sind die meisten Mitspielenden tot, von Weisz und Möhring abgesehen.

Polit-Farce? Natürlich lässt sich die gesamte Misslichkeit der politischen Zustände weltweit in zehn bis fünfzehn Sätzen runterrasseln. Nach solchem Vortrag kommt garantiert niemand auf die Idee, die islamistischen Terroristen mordeten einfach nur so zum Spaß, nein, es geht ihnen um ..., ja um was eigentlich? Vermutlich wäre das Thema erst im nächsten VHS-Kurs "Fanatismus für Fortgeschrittene" gekommen, dumm nur, dass dafür in diesem Film infolge allgemeinen Dahinscheidens (s. o.) kein Anlass mehr bestand.

Schließlich der Actionthriller. Hier sorgt schon das Genre dafür, dass die Ansprüche an Sinn und Logik weiter gefasst sind. Es bedarf also nicht unbedingt zwingender Notwendigkeit, wenn geschossen, geprügelt oder pyromanisch gefuhrwerkt wird. In dieser Hinsicht bleibt der Film in vorgegebenem Rahmen.

Man könnte sich fragen ...

Man könnte sich höchstens, auch in Anbetracht der einschlägigen Fernsehbilder, fragen, ob Flüchtlinge oder solche, die dafür gehalten werden, wirklich in feinem Zwirn und mit Aktenköfferchen wohlgemut auf deutschen Flughäfen ankommen. Aber vielleicht unterscheidet sich die Flüchtlingssituation in Hannover ja von der in anderen Städten.

Man könnte sich auch fragen, ob Schleuser, deren geschicktes Handeln ganze Kohorten von Grenztruppen überfordert, wirklich so dämlich sind wie in diesem Tatort.

Und es würde, abschließend, interessieren, ob es eine Statistik darüber gibt, wie häufig Leichen aus einem Flugzeug zielgenau in einen Swimmingpool plumpsen, in dem sich gerade ein Pärchen verlustieren möchte. 

Aber das ist wohl eher nebensächlich. Die Hauptsache ist: Wir sind ganz hart am Zeitgeschehen.

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