Kinderfotos im Netz: gepostet, geklaut, missbraucht
20.09.2019 • 20:15 - 21:00 Uhr
Info, Gesellschaft + Soziales
Lesermeinung
Posieren auf dem Kinderbett, Posten bei Instagram: Tausende solcher unbedarft ins Netz gestellter Alltagsbilder werden von Tätern gezielt gesucht und in sexualisiertem Kontext missbraucht.
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Cyberkriminologe Thomas-Gabriel Rüdiger unterrichtet an der Fachhochschule Brandenburg den Polizei-Nachwuchs. Er sagt, Täter hätten online nahezu freie Bahn, weil deutsche Ermittler kaum sichtbar präsent seien.
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Screenshot von einem Computer-Bildschirm. Ein junges Start Up hat einen Computer-Algorithmus entwickelt, der vermeintlich harmlose Textbausteine von Tätern entschlüsselt und Alarm schlägt. So kann Künstliche Intelligenz die getarnte Anmache enttarnen.
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Risiko Onlinespiele: Erwachsene Täter bahnen über die Chat-Funktion sexuelle Kontakte mit Kindern an. Die Spiele-Industrie und auch die Bundesregierung, sagen Kritiker, tun dagegen zu wenig.
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Originaltitel
Kinderfotos im Netz: gepostet, geklaut, missbraucht
Produktionsland
D
Produktionsdatum
2018
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Kinderfotos im Netz: gepostet, geklaut, missbraucht

Weitgehend unbemerkt werden im Internet massenhaft Kinderfotos geklaut und von Pädophilen für sexuelle Zwecke missbraucht. Unbedarft gepostete Alltagsbilder landen in pädophilen Foto-Blogs. In Chats beliebter Online-Spiele wie "Clash of Clans" bahnen Erwachsene ungehindert sexuelle Kontakte mit Zehnjährigen an.

Kinder und Jugendliche sind im Internet oft sexualisierter Gewalt ausgesetzt, ohne dass Industrie und Politik etwas dagegen unternehmen. In der Dokumentation hält der Missbrauchsbeauftrage der Bundesregierung, Johannes-Wilhelm Rörig, frustriert fest: "Kinder- und Jugendschutz findet derzeit im Internet nicht statt." Gesetzliche Regelungen, die für mehr Schutz sorgen könnten, stammen aus dem Jahr 2003 und sind "der tatsächlichen Entwicklung Jahrzehnte hinterher." Autor Sebastian Bellwinkel zieht in seinem Film eine ernüchternde Bilanz: Es scheint, als habe der große Aufschrei über massive Missbrauchsfälle vor acht Jahren an Canisius-Kolleg, Odenwaldschule und anderen Einrichtungen nichts bewirkt. Aktuell entsteht in der digitalen Welt die nächste Generation Betroffener. Nach einer Studie der Universität Regensburg geben rund 730 000 Erwachsene zu, sexuelle Online-Kontakte zu Kindern unter 14 Jahren zu haben. "Rechnet man konservativ mit zwei bis fünf Kontakten pro Täter, reden wir über weit mehr als drei Millionen betroffene Kinder und Jugendliche", sagt die Psychologin Julia von Weiler vom Verein "Innocence in Danger."

Die Dokumentation macht deutlich, dass insbesondere Eltern genauer hinschauen und verstehen müssen, wo ihre Kinder im Internet unterwegs sind und wer ihnen dort begegnen kann. Doch oft fehle Eltern die Medienkompetenz. Eine fatale Entwicklung, wie mehrere Experten warnen. Stattdessen posten viele Eltern selbst Fotos ihrer Kinder in sozialen Medien und bieten pädosexuellen Tätern so gratis Bildernachschub. Ein Beispiel für das Wegsehen von Industrie und Politik ist das Zustandekommen des Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG). Das hatte Justizminister Heiko Maas auf den Weg gebracht, um Betreiber sozialer Netzwerke wie Facebook und Twitter zu einem aktiveren Vorgehen gegen hetzerische Aussagen zu bringen. Nach dem Referentenentwurf dieses Gesetzes sollten auch Anbieter vieler Online-Spiele dazu gehören. "Das hätte dazu führen können, dass in den Chats geschulte Moderatoren eingesetzt werden, die auch stärker gegen sexuelle Anmache hätten vorgehen müssen", sagt der renommierte Cyberkriminologe Thomas-Gabriel Rüdiger. Mit einem Jahresumsatz von zuletzt 3,3 Milliarden Euro verfügt die Games-Branche eigentlich auch über die finanziellen Mittel, sollte man meinen.

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Die Dokumentation zeigt, wie die Lobby der Onlinespiele-Betreiber Druck gemacht hat, sodass sie schließlich aus dem Gesetz ausgenommen worden sind. "Cybergrooming, also die Anbahnung sexueller Online-Kontakte von Erwachsenen mit Kindern, spielt im Gaming nicht so eine starke Rolle", behauptet Felix Falk, Geschäftsführer des Branchenverbandes. Dem widersprechen zahlreiche Experten, unter anderen Johannes-Wilhelm Rörig: "Es ist ein Riesenproblem, und es ist ein völlig unterschätztes Problem." 

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