Jubiläum mit Puppe: In ihrem 80. Fall bekommen es die Münchner Kommissare mit einem Hightech-Spielzeug zu tun. Ermittelt wird dennoch ganz analog.
Oh je, mag sich so mancher nach den ersten Minuten dieses "Tatorts" denken – schon wieder so ein experimenteller Schmarrn. Da beginnt doch tatsächlich eine Puppe zu sprechen, verklickert einem kleinen Mädchen, der Weihnachtsmann bräuchte ihre Hilfe – und wenig später stehen die Münchner Ermittler Batic (Miroslav Nemec) und Leitmayr (Udo Wachtveitl) vor einem veritablen Blutbad. Aber keine Sorge, "Wir kriegen euch alle" ist kein weiterer Ausflug in Horror-Gefilde (wie etwa der Grusel-"Tatort: Fürchte dich"), sondern doch ein ganz normaler Sonntagskrimi. Freilich einer mit wie immer ernstem Hintergrund. Ob das nun besser ist, möge jeder selbst beurteilen.
Tot sind auf jeden Fall zunächst die Eltern jenes Mädchens mit der sprechenden Puppe. Die kleine Lena selbst überlebt die Blutorgie, ohne überhaupt etwas davon mitbekommen zu haben. Warum es zu dem Gemetzel kam, ist den Kommissaren schnell klar – der Täter macht es ihnen aber auch einfach: "Wir kriegen euch alle", hat er mit Blut an die Wand geschmiert, dem männlichen Opfer hat er die Genitalien entfernt – und noch einen Hinweis hinterlassen auf einen Strafrechtsparagrafen, der die Bestrafung von sexuellem Missbrauch regelt. Da braucht es wahrlich keine allzu feine Spürnase, um zu erkennen, dass hier jemand Rache genommen hat an einem Sexualstraftäter.
Und dann kommt Senta ins Spiel, jene sprechende Puppe, die eben noch so bedrohlich mit den Augen leuchtete. An einem anderen Tatort, der ganz zu Beginn des Films von den Kommissaren aufgesucht worden war, stand Senta noch original verpackt in einem Regal. Eine alte Dame war in ihrer Wohnung verstorben, wohl ein Selbstmord, aber sicher ist das nicht. Senta, das bringt der wie immer fürs Technische zuständige Kalli (Ferdinand Hofer) in Erfahrung, ist eine smarte Puppe, die sich mit dem Internet verbinden lässt und die mit Kameras und Mikrofonen ihre Umgebung ausspionieren kann. Spielzeug 2.0 sozusagen, in Deutschland verboten, in Österreich nicht. Behauptet zumindest Kalli, was Leitmayr zu der schönen Bemerkung verleitet, bei unseren Nachbarn sei "generell nichts verboten".
Wie die Puppe und die blutige Strafaktion am mutmaßlichen Sexualverbrecher zusammenhängen, dröselt das Drehbuch von Michael Comtesse und Michael Proehl nun Schritt für Schritt auf; fast meint man, immer wieder den Groschen fallen zu hören, wenn Batic und Leitmayr in ihren Ermittlungen einen Schritt nach vorne machen. Mit dem seltsam verstörten Hasko (Leonard Carow) haben sie bald einen Verdächtigen, und auch der Zuschauer weiß schnell, was der junge Mann treibt: Er verteilt die smarte Puppe an Kinder, von denen er glaubt, sie würden missbraucht. Bestätigt sich sein Verdacht, schlägt er blutig zu.
Die Fahndung nach Hasko wird zum Katz-und-Maus-Spiel, bei dem die Münchner Ermittler durchaus ihr Alter spüren; etwa, wenn sie per Räuberleiter und laut stöhnend auf einen Baum kraxeln, um einen Verdächtigen auszuspähen. "Wir kriegen euch alle" (Regie: Sven Bohse) ist der 80. Fall des Duos Batic/Leitmayr, das 1991 den Dienst antrat. Trotz Hightech-Spinnereien: Ermittelt wird auch hier nicht viel anders als vor 27 Jahren – weitgehend analog, und an Recht und Gesetz halten sich die Kommissare auch diesmal nicht wirklich.
Am Ende rettet eine der mörderischen Puppen dann ein Leben. Fast scheint es, als wolle sich dieser "Tatort" im letzten Moment doch mit der Technik versöhnen.