Sommerkino in der ARD

"Offenes Geheimnis": alte Wunden und eine Kindesentführung

von Gabriele Summen

Der Film mit Penelope Cruz und Javier Bardem in den Hauptrollen handelt nur scheinbar von einer Entführung – in Wahrheit geht es um alte Wunden, die mit der Zeit aufreißen.

ARD
Offenes Geheimnis
Drama • 04.08.2020 • 22:45 Uhr

Ein alter Glockenturm mit einer zerbrochenen Scheibe, durch die Tauben ein- und ausfliegen, die Zahnräder einer Uhr greifen immer noch knarzend ineinander, Liebespaare von einst haben sich mit ihren Initialen im Mauerwerk verewigt. Ein spannendes Bild, dass Regisseur Asghar Farhadi, zweifach mit dem Oscar für den besten fremdsprachigen Film ausgezeichnet, als Einstieg für "Offenes Geheimnis" wählt. Sein erster auf Spanisch gedrehter Thriller aus dem Jahr 2018 ist nun im Ersten zu sehen und widmet sich der Frage, welchen Einfluss die Zeit auf jahrzehntealte Beziehungsgeflechte hat. Die Antwort sucht der Meister komplizierter Dramen mit der Spürnase einer Agatha Christie und der geballten Starpower Spaniens.

Laura (Penélope Cruz) kehrt zur Hochzeit ihrer jüngeren Schwester mit ihrer 16-jährigen Tochter Irene (Carla Campra) und ihrem kleinen Sohn Diego in ihr verarmtes Heimatdorf zurück. Ihr Ehemann ist angeblich aus beruflichen Gründen in Argentinien geblieben. Neben ihrer Familie trifft Laura auch ihre Jugendliebe Paco (Javier Bardem) wieder, einen ehemaligen Bediensteten, dem sie einst ihr eigentlich wertloses Stück Land verkauft hat. Inzwischen hat Paco dort mit seiner neuen Lebenspartnerin Bea (Bárbara Lennie) ein gut laufendes Weingut aufgebaut.

Doch die Wiedersehensfreude währt nicht lange: Während der ausgelassenen Hochzeit wird Lauras Tochter, die unter Asthma leidet und bereits ins Bett gegangen ist, entführt. Die Kidnapper melden sich per SMS. Aber nicht nur bei ihr, sondern erstaunlicherweise auch bei Pacos neuer Lebensgefährtin. Befeuert durch einen etwas deplatziert wirkenden, befreundeten Kommissar im Ruhestand, den die Familie in ihrer Verzweiflung involviert hat, tauchen immer mehr Fragen auf. Allerdings werden auch immer mehr Geheimnisse enthüllt, und Ressentiments treten hervor.

Während Laura im ersten Teil des Films als starke Persönlichkeit eingeführt wurde, verwandelt sie sich nun mehr oder weniger in ein heulendes Häufchen Elend – fast wie in einer Telenovela. Paco übernimmt das Kommando, selbst noch, als Lauras arbeitsloser Mann Alejandro (Ricardo Darin) eintrifft. Alejandro ist trockener Alkoholiker, vertraut auf Gott, ist finanziell ruiniert, und weit davon entfernt, das geforderte Lösegeld in Höhe von 300.000 Euro zahlen zu können. Paco allerdings könnte, wenn er sein Weingut verkaufen würde ...

Am Ende des Beziehungsreigens, der den Zuschauer doch erstaunlich kalt lässt, verdächtigt beinahe jeder jeden, die migrantischen Saisonarbeiter auf Pacos Weingut eingeschlossen. Wer auf eine spektakuläre Auflösung des Entführungsfalls hofft, dem sei vom Film abgeraten. Aber auch Fans von Farhadis außerordentlichem Talent, familiäre Verstrickungen ans Tageslicht zu bringen, werden am Ende ein wenig enttäuscht sein.


Quelle: teleschau – der mediendienst GmbH

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