Das Berliner Krankenhaus im Jahr 2049

Die "Charité" in der Zukunft: Wie sieht die Medizin von morgen aus?

10.04.2024, 09.27 Uhr
von Elisa Eberle

Wie sieht die Medizin in der Zukunft aus? Mit dieser Frage beschäftigt sich die neue Staffel der medizinhistorischen ARD-Serie "Charité". Dafür geht es in das Jahr 2049. Was hat sich bis dahin im Gesundheitswesen verändert?

Der ungewöhnliche Zeitsprung

Es ist eine ungewöhnliche Fortsetzung des Quoten-Hits "Charité": Beschäftigten sich die ersten drei Staffeln der ARD-Serie mit verschiedenen Epochen der Vergangenheit, reist die vierte Staffel (sechs Episoden als Doppelfolgen ab Dienstag, 9. April, 20.15 Uhr, im Ersten, ab Freitag, 5. April, komplett in der ARD-Mediathek) ins Jahr 2049. Wie also sieht es aus, das Gesundheitssystem der Zukunft? Mit welchen Herausforderungen hatte die Filmcrew unter Regie von Esther Bialas zu kämpfen? Und warum wurde die Serie ausgerechnet in Portugal gedreht?

Beim Blick auf die vergangenen Staffeln von "Charité" stellt sich natürlich zuerst die Frage: Warum muss dieser Science-Fiction-artige Sprung in Zukunft sein? Die vorangegangene dritte Staffel der Serie spielte zur Zeit des Berliner Mauerbaus (1961). Die bis zur Gegenwart vergangenen knapp 60 Jahre wären sicher nicht unspannend zu erzählen gewesen. Immerhin stellte die Corona-Pandemie die Medizin-Welt erst kürzlich auf den Kopf. Dennoch entschieden sich die Serien-Verantwortlichen zu einem neuen Ansatz.

Mut für die Zukunft

"Ausgangspunkt für diese neue Staffel war die Frage, wofür jemand in der Zukunft den Nobelpreis in der medizinischen Forschung bekommen wird?", erklärte die MDR-Fictionchefin Johanna Kraus schon zum Drehstart der Staffel im Februar 2023. Die Antwort verbinde sich überraschend mit den Anfängen der ersten Staffel, die in den 1880er-Jahren spielte: Robert Koch (gespielt von Justus von Dohnányi) gelang es damals, die Bedeutung von Bakterien für die Entstehung von Krankheiten zu erforschen. Für die Entdeckung der Tuberkulose-Bazillen erhielt Robert Koch 1905 den Nobelpreis der Medizin. In Staffel vier forscht nun Maral Safadi (Sesede Terziyan) an den möglicherweise positiven Seiten eines Paläo-Bakteriums.

Die Eindrücke der Corona-Pandemie spielten gerade in der ersten Phase der Stoffentwicklung eine Rolle, wie sich die Drehbuchautorinnen Tanja Bubbel und Rebecca Martin erinnern: "Wir befanden uns mitten im ersten Lockdown, und es war spürbar, dass wir vor großen Veränderungen standen, allein schon durch die Tatsache, dass wir eine Serienentwicklung vornehmlich online vorantrieben. Während des Schreibens der vierten Staffel hatten wir permanent das Gefühl, von der rasant in die Zukunft strömenden Gegenwart überholt zu werden."

Hinzu kam der eigene Anspruch, "einen Kommentar über die Gegenwart abzugeben", wie die Autorinnen betonen: "Uns war wichtig, eine Welt zu entwerfen, die nicht dystopisch, sondern in der vieles besser als heute ist und die von Utopien durchsetzt ist. Wir wollten eine Zukunft zeichnen, auf die wir durchaus mit Hoffnung blicken dürfen und die uns nicht mutlos macht, wenn gleich die Herausforderungen immer bleiben."

Was bringt die Medizin der Zukunft?

Ob dies am Ende gelungen ist, wird jede Zuschauerin und jeder Zuschauer letztlich für sich selbst entscheiden. Ausnahmslos positiv gestaltet sich die in der Serie gezeigte Zukunftsvision allerdings nicht: Anhaltende Klimademonstrationen erschüttern die deutsche Hauptstadt. In Sachsen drohen Waldbrände aus Tschechien überzugreifen, in Berlin selbst hat es um 6 Uhr morgens bereits 32 Grad. Hinzukommen Proteste gegen eine geplante Gesundheitsreform, die für jeden Menschen einen "Scorewert" mit Daten über dessen Gesundheit und Lebenserwartung erheben will. Dieser soll zur Grundlage der Behandlung werden. Ob es tatsächlich noch 25 Jahre dauert, bis so etwas kommt, denkt man sich da unweigerlich.

Doch auch wenn es im Jahr 2049 technische Errungenschaften wie robotergesteuerte Operationen, Alzheimer-Früherkennung oder Impfungen gegen Krebs gibt, bleibt das Grundproblem des Gesundheitswesens bestehen: Pflege ist teuer, und viel zu wenige Menschen wollen den Job noch machen. Als Reaktion darauf werden die Menschen angehalten, selbst einen Teil zur eigenen Gesundheit beizutragen. Mit anderen Worten: Wer zu ungesund lebt, dem bleiben lebensnotwendige Behandlungen im Zweifelsfall verwehrt.

Der realistische Blick in die Zukunft

Was in der Fiktion hart klingt, fußt in Wahrheit auf einer intensiven Auseinandersetzung mit bereits existenten Strukturen: "Wir haben in der Entwicklung und Vorbereitung sehr viele Gespräche mit ganz verschiedenen Zukunftsforschenden und Expert:innen geführt, und haben daraus eine mögliche zukünftige Welt geformt", erklärt Regisseurin Esther Bialas. Produzentin Henriette Lippold ergänzt: "In der Stoffentwicklung haben wir aktuelle medizinische Entwicklungen weitergedacht." Die "komplette und permanente Kontrolle aller Vitalfunktionen", die in der Serie von implantierten Chips übernommen wird, gibt es in abgeschwächter Form schon heute – als Smartwatch. Anreize für die eigene Gesundheitsvorsorge gibt es ebenfalls, wie der Mikrobiologe Prof. Dr. med. Andreas Diefenbach erklärt: "Beipielsweise mit dem Bonusheft in der Zahnmedizin."

Gleiches gilt für den Einsatz von Robotik bei Operationen oder die thematisierte Zunahme von Antibiotikaresistenzen: "Es gibt immer weniger neue Antibiotika, da die Pharmaindustrie in diesem Bereich zu wenig aktiv ist", klagt Diefenbach: "Wissenschaftler haben begonnen, dem entgegenzuwirken, indem sie die Forschung an neuen, antibiotisch wirksamen Substanzen intensiviert haben." Mitte Februar erst sorgte etwa ein neues "Super-Antibiotikum" der Universität Harvard gegen multiresistente Keime für Schlagzeilen. Die Forschung an den in Millionen Jahre alten Schichten des Erdmantels gefundenen Paläo-Bakterien spielt laut dem Experten ebenfalls schon eine große Rolle.

Warum wurde "Charité" in Portugal gedreht?

Bleibt die Frage, warum die vierte Staffel von "Charité", die auch die negativen Auswirkungen des Klimawandels thematisiert, ausgerechnet im fernen Portugal gedreht wurde. Die Antwort ist pragmatischer als gedacht: "In Portugal haben wir mit dem Champalimaud einen architektonisch herausragenden Campus gefunden, der unsere Vision von der Charité in der Zukunft wirklich perfekt widerspiegelt", erklärt Regisseurin Bialas: "Moderne, nachhaltige Architektur und Medizin auf der Höhe der Zeit." Tatsächlich erinnert die Kabine, in der Felicitas Abdul-Hai (Catarina Avelar) in Folge eins ihre Dialyse bekommt, mehr an die First Class eines Langstreckenflugzeugs als an einen Behandlungsraum. Hinzukommt, dass "die klimatischen Bedingungen in Portugal", laut Bialas, "einen vagen Blick auf ein vom Klimawandel geprägtes Berlin in 30 Jahren erahnen" lassen.

Wer mehr über die mögliche Zukunft des deutschen Gesundheitswesens erfahren möchte, der sollte nach der ARD-Ausstrahlung der ersten beiden "Charité"-Episoden am Dienstag, 9. April, dran bleiben: Im Anschluss (um 21.55 Uhr) zeigt das Erste die Doku "Hirschhausen – Medizin von morgen". Der Arzt und Fernsehmoderator Eckart von Hirschhausen hinterfragt, welche Fortschritte in der Medizin und welche Herausforderung der Umwelt die Zukunft für uns bereithält.


Quelle: teleschau – der mediendienst GmbH

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