Medizinhistorische Serie

"Charité": Das Berliner Krankenhaus und Eckart von Hirschhausen blicken in die Zukunft

12.04.2024, 16.12 Uhr
von Eric Leimann

In jeder Staffel der medizinhistorische Serie "Charité" wird aus einer anderen Epoche des Berliner Krankenhauses erzählt. Nun gibt es den Sprung in die Zukunft. Wie wird sich die Medizin in 25 Jahren verändert haben? Auch eine anschließende Eckart von Hirschhausen-Doku widmet sich dem Thema Medizin von morgen.

ARD
Charité
Miniserie • 09.04.2024 • 20:15 Uhr

Wie wird sich die Medizin entwickeln?

2017 gelang dem Ersten mit der Miniserie "Charité" ein Coup. Unter der Regie von Sönke Wortmann und nach einem Drehbuch von Grimme-Preisträgerin Dorothee Schön reiste die Serie an die Berliner Charité des Dreikaiserjahres 1888. Die Erzählung verband Biografien von vier berühmten Forschern, die damals an der Klinik arbeiteten: Rudolph Virchow, Emil Behring, Paul Ehrlich und Robert Koch. Und natürlich wurde im Sinne des Quotenerfolgs auch die fiktive Geschichte einer mittellosen jungen Frau (Alicia von Rittberg) eingebaut, die am Krankenhaus "against all odds" Karriere machte. 6,6 bis sensationelle 8,3 Millionen Zuschauer schalteten ein – seitdem wird weitererzählt. Dies allerdings auf ungewöhnliche Weise, denn jede neue Charité-Staffel spielt mit neuem Personal in einer neuen Zeit. Mit der vierten "Charité"-Staffel ist man nun im Jahr 2049, der Zukunft, angekommen.

Wie Medizin und Krankenhäuser in 25 Jahren aussehen könnten, wird nach der Vorpremiere bei ARTE in der vergangenen Woche nun an den kommenden drei Tagen (oder in der Mediathek ab 5. April) in Doppelfolgen erzählt. Zum Auftakt des Programms ruft das Erste den "Themenabend: Medizin von morgen" aus. Bei Eckart von Hirschhausens Doku "Hirschhausen – Medizin von morgen" um 21.55 Uhr dürfte daher viele Zukunftsinteressierte dranbleiben. Der studierte Mediziner ergründet die Entwicklung neuer Medizintechniken in bisher aussichtslosen Situationen, wie zum Beispiel bei ALS oder Muskelschwäche. Auch der Einsatz Künstlicher Intelligenz für anspruchsvolle Diagnosen oder die sogenannte "Genschere", die eine medizinische Behandlung bis ins menschliche Genom möglich macht, sind Hirschhausens Themen.

Droht eine neue Pandemie?

Doch zurück zur Fiction: Nach Staffel zwei (Zweiter Weltkrieg) und drei (Mauerbau) erzählt Runde vier von der Spitzenforscherin Maral Safadi (Sesede Terziyan). Mit ihrer Frau, der Gynäkologin Julia Kowalczyk (Angelina Häntsch), ist sie gerade aus den USA an die Charité zurückgekehrt. Dort übernimmt Maral die Leitung des Instituts für Mikrobiologie. Und sie wird gleich mit dem Fall eines mysteriösen neuen Erregers konfrontiert, den sich ein Taucher in der Nordsee eingefangen hat. Aus den Niederlanden wird von weiteren Fällen berichtet. Droht eine Pandemie – oder ist ein neu entdecktes Bakterium gar der Schlüssel in eine bessere Zukunft?

An jener forscht auch Dr. Ferhat Williamson (Timur Isik). Er leitet als Teilnehmender ein Virtual Reality-Experiment mit Locked-In Patienten. Doch man droht ihm die Forschungsgelder zu streichen, wie überhaupt das gesundheitspolitische Klima im völlig überhitzten, eben Klima-geschädigten Berlin 2049 rau geworden ist. Vor den Kliniktüren wüten Demonstranten: Eine Gesundheitsreform will für jeden Menschen einen "Scorewert" mit Daten über dessen Gesundheit und Lebenserwartung erheben. Dieser soll zur Grundlage der Behandlung werden. Ob es tatsächlich noch 25 Jahre dauert, bis so etwas kommt, denkt man sich?

Medizinische Zukunftsvision und Zwischenmenschliches

Die Charité-Zukunft ist weiblich und liegt in Portugal. Dort nämlich fanden die Macherinnen um Regisseurin Esther Bialas der Anthologie-Serie jenen futuristischen Gebäudekomplex, der die Charité von morgen darstellen soll. Tatsächlich ein weit fortgeschrittener Klinikbau, in dem praktischerweise Dreharbeiten stattfinden konnten, kurz bevor dort der Klinikbetrieb losging. Die neue Charité-Staffel weist – wie ihre Vorgänger – Stärken und Schwächen auf: Zu ersteren gehört eine wissenschaftliche, akribische Recherche und Fachberatung der Autorinnen (Tanja Bubbel, Rebecca Martin) durch Fachleute. Die Themen, an denen die Medizin arbeitet, Probleme, die neu auf uns zukommen sowie Lösungen und Entwicklungen der Zukunft – für all das entwickelt die Serie interessante Szenarien. Etwas flacher im Sinne von "soapig" fällt hingegen das Zwischenmenschliche aus.

Ob es um die Konflikte zwischen Maral und ihrer Mutter (Adriana Altaras) geht, einer "Old School"-Ärztin und Reformgegnerin, den Machtkampf mit einem konservativen Kollegen und Befürworter herkömmlicher Heilmethoden (Moritz Führmann) oder Beziehungsknatsch mit Partnerin und Sohn, der kämpfen und einer Schutztruppe für die Demokratie beitreten will: Alles, was hier an Beziehungsarbeit "geleistet" wird, setzt man offensichtlich exemplarisch zum Erklären einer neuen Zeit ein.

Wie geht es mit der "Charité" weiter?

Da gibt es die Ehe zu dritt, in der die Ehefrau und der Ehemann eines Schwerkranken über dessen Behandlung entscheiden müssen. Oder auch einen Gesundheitsminister, der plötzlich ein neues Herz benötigt. Wer Science Fiction im Ersten zur Primetime unter der Woche verkaufen will, muss wahrscheinlich derart "klar" erzählen und die Probleme konkret beim Namen nennen. Sonst würde nur eine "subtile", Genre-affine Minderheit der inhaltlich wohl ziemlich realistischen, kritischen, aber und auch keineswegs dystopischen Vision beiwohnen.

Abgeschlossen ist "Charité" nach Ansicht der Produzenten mit der Reise in die Zukunft übrigens nicht zwangsläufig, wie auf einer Pressekonferenz zur Event-Serie verraten wurde. Man lässt es offen, ob der Weg hier endet oder ob man vielleicht auch wieder in die Vergangenheit oder eine noch weiter entfernte Zukunft reist. Sollten genügend Menschen einschalten oder streamen, wird man wohl eine Lösung finden.

 


Quelle: teleschau – der mediendienst GmbH

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