Doku "Superpower – Sean Penn in der Ukraine"

Ukraine-Doku von Sean Penn: Selenskyjs Charisma überstrahlt den Geltungsdrang des Hollywoodstars

17.04.2024, 15.25 Uhr
von Julian Weinberger

Sean Penn reiste für seine Doku siebenmal in die Ukraine. Dabei versuchte der Hollywoodstar Präsidenten Wolodymyr Selenskyj zur Symbolfigur im Krieg gegen Russland zu stilisieren – und verzettelt sich dabei. 

Wenn ein Komiker zum Präsident eines Landes wird, ist das eine nähere filmische Betrachtung wert. Mit diesem Gedanken im Hinterkopf reiste Sean Penn Ende 2021 in die Ukraine. Er wollte den Mann porträtieren, dem der Weg vom gefeierten Schauspieler der satirischen TV-Sendung "Diener des Volkes" ins höchste politische Amt des Landes glückte: Wolodymyr Selenskyj.

Rückblick auf die Geschichte der Ukraine

Doch "Superpower – Sean Penn in der Ukraine" (deutsche TV-Premiere auf The History Channel, Samstag, 13. April, 20.15 Uhr) wurde kein "niedliches" und "lustiges" Porträt, wie es laut Produzent Billy Smith eigentlich geplant war, sondern infolge des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine ein knallharter Realitätscheck.

Ehe die groß angekündigten Einzelinterviews mit Wolodymyr Selenskyj aber Raum in dem zweistündigen Dokumentarfilm bekommen, dominiert ein anderer Protagonist das Geschehen: Sean Penn. Unterfüttert mit jeder Menge Archivmaterial und Nachrichtenclips führt er chronologisch durch die Geschichte der Ukraine: die Orange Revolution, die Maidan-Bewegung, korrupte Politiker – und schließlich der Aufstieg von TV-Star Selenskyj zum politischen Hoffnungsträger.

Hollywoodstar als Mittelpunkt des Werks

Zwischendrin springen die Macher in der Zeitachse immer wieder in die Jetztzeit, wo Sean Penn beginnend im Oktober 2021 insgesamt siebenmal in die Ukraine reiste und dabei eine Vielzahl von Gesprächspartnerinnen und -partnern vor der Kamera versammelte. Zwar zeichnen die Interview-Fetzen, die es in den finalen Schnitt von "Superpower" geschafft haben, ein konsistentes Bild eines Landes, das in Kriegszeiten ein schier unumstößliches Wir-Gefühl entwickelt. Persönliche Geschichten oder Schicksale, etwa von Zivilisten, denen die Lebensgrundlage oder Liebste genommen wurden, haben aber ob der Sprunghaftigkeit in Penns Dokumentarfilm keinen Platz.

Stattdessen geriert sich der Hollywoodstar als Mittelpunkt des Werks, bei dem man bisweilen den Eindruck gewinnt, persönliche Eitelkeit stehe über journalistischem Ehrgeiz. Das zumindest unterstreichen redundante Aufnahmen Penns beim Spaziergang über ein Minenfeld, beim Durchwühlen eines Erste-Hilfe-Kastens oder beim gequälten Blick in Richtung des Horizonts. Regelrecht deplatziert wirken Grüße, die Penn von seinem Schauspielkollegen und "Top Gun: Maverick"-Star Miles Teller an ukrainische Piloten übermittelt.

Penns Bereitschaft, sich in ein Kriegsgebiet zu wagen und den Forderungen der Ukraine in den heimischen USA zu unterstreichen, soll in keinster Weise geschmälert werden. Und doch ertappt man sich vor dem Bildschirm innerhalb der zweistündigen Laufzeit von "Superpower" immer wieder bei der Frage, was der 63-Jährige eigentlich mit dem Film bezwecken wollte.

"Wir haben den hohen Preis für die Freiheit nicht begriffen"

Umso frappierender fällt das offensichtliche journalistische Vakuum aus, als Sean Penn die wohl einzigartige Gelegenheit erhält, Wolodymyr Selenskyj am Tag des Kriegsausbruchs in Kiew vor die Kamera zu bekommen. "Ich nehme an, dass Journalisten und Quasi-Journalisten auf der ganzen Welt darüber spotten würden, aber keine einzige Zelle in meinem Körper war bereit, eine Frage an den Präsidenten vorzubereiten", lässt der Hollywoodstar die Gelegenheit verstreichen, die Gefühlslage des ukrainischen Präsidenten (laut Penn ein "großartiger Anführer") im Moment der größten Verwundbarkeit einzufangen.

Glücklicherweise ist es das unbestreitbare Charisma Selenskyjs, das "Superpower" am Ende rettet. Im dritten und ausführlichsten Videointerview mit dem 46-Jährigen erklärt dieser: "Wir haben den hohen Preis für die Freiheit nicht begriffen." Nun aber stehe man wie eine Einheit zusammen, präsentiert sich der merklich mitgenommene Präsident im Gespräch im Juni 2022 kämpferisch: "Wenn du nicht bereit bist zu gewinnen, dann kämpfe erst gar nicht."

Gleichzeitig nutzt er die Gelegenheit und die große Plattform, die ihm Sean Penn gewährt, um zu warnen: "Wenn wir jetzt nicht gewinnen, werden es die USA in einigen Jahren mit demselben Feind zu tun bekommen." Und auch zum Thema Waffenlieferungen wird der höchste politische Amtsträger der Ukraine unmissverständlich: "Um zu fliegen, braucht man zwei Flügel. Gib mir nicht einen Flügel und warte, ob ich damit fliegen kann. Ich werde nie mit einem Flügel fliegen können, ich brauche zwei."


Quelle: teleschau – der mediendienst GmbH

Das könnte Sie auch interessieren