"Home of Reality TV"

30 Jahre RTLZWEI: Drei Jahrzehnte und zahlreiche Skandale

06.03.2023, 12.53 Uhr
von Franziska Wenzlick

Vor 30 Jahren ging RTLZwei erstmalig auf Sendung und hat für zahlreiche neue TV-Formate gesorgt. Sich selbst bezeichnet der Münchner Sender als Heimat des Reality-TVs. Das Jubiläum ist ein guter Anlass, einen Blick zurück, auf die bunten Kult-Formate wie "Big Brother" und die zahlreichen Skandale der vergangenen drei Jahrzehnte, zu werfen. 

"Macht einfach Spaß": So lautete 16 Jahre lang der Slogan von RTLZWEI. 1993, als der zweite Ableger der RTL Group mit der Kult-Komödie "Ein reizender Fratz" auf Sendung ging, war der Fokus des Senders somit offensichtlich: RTLZWEI, damals noch "RTL 2", also mit der Zahl im Namen, wollte unterhalten – mitunter auch mit Formaten, die im deutschen TV zuvor wohl nur schwer einen Platz gefunden hätten.

Die Rechnung ging auf: "Peep!" etwa, ein zu Beginn von Amanda Lear und später unter anderem von Verona Pooth moderiertes Erotikmagazin, bewegte bereits in der ersten Staffel im Jahr 1995 durchschnittlich 1,5 Millionen Zuschauerinnen und Zuschauer zum Einschalten. Auch wenn es längst keine Erotikmagazine mehr gibt: Bis heute setzt man bei RTLZWEI mit Datingformaten wie "Adam sucht Eva – Gestrandet im Paradies" und "Naked Attraction" erfolgreich auf nackte Tatsachen – und bleibt somit auch dem von 2016 bis 2020 verwendeten Senderclaim "Zeig mir mehr!" treu.

Experimentierfreude und Tabubrüche

Entsprechend wenig überrascht es, dass Murad Erdemir von der Medienanstalt Hessen dem Münchner Sender zum 30-jährigen Senderbestehen nicht nur gratuliert, sondern auch wünscht, "dass der Sender sich seine Unabhängigkeit und seine Unberechenbarkeit bewahrt" und "dass er die Medienaufsicht weiterhin vor Herausforderungen stellt". Moralisches Bewusstsein, so Erdemir, entstehe "nicht allein durch positive Vorbilder im Namen der Political Correctness. Zuweilen braucht es auch Experimentierfreude und Innovation bis hin zum medial vermittelten Tabubruch, um daran Werthaltungen und Grenzen des Zulässigen exemplarisch zu debattieren".

Tatsächlich gehört der Tabubruch ebenso zur Geschichte von RTLZWEI wie das 2013 eingestellte Anime-Nachmittagsprogramm, die Ausstrahung ganzer Staffeln von Serien wie "The Walking Dead" und "Game of Thrones" an einem Wochenende sowie die bis heute beliebten Wiederholungen der US-Mysteryserie "X-Factor: Das Unfassbare". Mit Realityformaten wie "Frauentausch" und "Big Brother" prägte der Sender Anfang der 2000-er nicht nur die deutsche Fernsehlandschaft (sage und schreibe 57 Prozent der jungen Zuschauerinnen und Zuschauer verfolgten die erste "Big Brother"-Staffel) und öffnete Türen für so viele nachfolgende Sendungen, sondern er löste auch die ein oder andere hitzige Debatte aus. Zunächst ging es ums Grundsätzliche, später ums Detail: Im Jahr 2004 etwa wurde diskutiert, ob es angemessen sei, eine "BB"-Bewohnerin dabei zu filmen, wie sie sich ein Brustwarzenpiercing stechen lässt. RTLZWEI hatte das Format zum damaligen Zeitpunkt im Nachmittagsprogramm gezeigt.

Trash-TV findet hier ein zu Hause

Jahre später hat sich – wohl nicht zuletzt dank RTLZWEI – so manche moralische Grenze im deutschen Fernsehen verschoben. So folgt längst kein Aufschrei mehr, wenn in der Dokureihe "Reeperbahn Privat! Das wahre Leben auf dem Kiez" der Arbeitsalltag einer Prostituierten begleitet wird. Auch in puncto "Trash-TV" stehen andere Sender dem "Home of Reality" in nichts nach – ganz im Gegenteil: "Love Island – Heiße Flirts und wahre Liebe" und "Kampf der Realitystars", zwei RTLZWEI-Shows, sind im Vergleich zu so manchem RTL- oder SAT.1-Format einigermaßen skandalarm – erfreuen sich aber dennoch großer Beliebtheit beim Publikum.

Auch die sendereigenen Dailys "Berlin Tag & Nacht" und "Köln 50667", die sich vor allem durch ihre ungewöhnliche Machart auszeichnen und zu Beginn immer wieder als "geschmacklos" und "verblödend" abgetan, haben sich längst als feste Größen im Vorabendprogramm etabliert.

Wenig skandalträchtig scheint darüber hinaus auch der wohl größte Widerspruch im RTLZWEI-Programm zu sein. So weist der Sender zwar mit der Sozialreportagereihe "Hartz und herzlich" regelmäßig auf soziale Missstände in Deutschland hin, glorifiziert zur besten Sendezeit aber auch den ausschweifenden "Jetset-Lifestyle" der Familie Geiss.

Ob sich "Sieh's mal zwei", wie das Sender-Motto seit 2020 lautet, wohl auch auf die zwei Welten bezieht, die das Publikum seit einigen Jahren bei RTLZWEI zu sehen bekommt? Der Kontrast im Programm des Senders wird auch zum 30-jährigen Bestehen des Senders deutlich: Am Montag, 6. März, erwarten Fans zur Primetime (20.15 Uhr) zwei neue Folgen von "Die Geissens". Zu später Stunde (00.15 Uhr) wiederholt der Sender dann eine Ausgabe der Reihe "Armes Deutschland – Stempeln oder abrackern?".


Quelle: teleschau – der mediendienst GmbH

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