Revolutionärer Hintergrund, biederes Drama: Die Romanverfilmung "Das goldene Ufer" taucht ein in eine Zeit der Aufbruchsstimmung. Alles dreht sich um eine romantische Liebesgeschichte und Selbstbestimmung vor dem Hintergrund des deutschen Vormärz. 3sat wiederholt den Film zur besten Sendezeit.
Die Heirat aus Liebe, so liest man immer wieder, sei eine Erfindung der Romantik. Ein Glück, dass die Menschheit einst entdeckt hat, dass es noch andere Gründe zum Heiraten gibt als die Zweckgemeinschaft – denn wie sonst sollten all die historischen Liebesschmonzetten funktionieren, die die Bücherregale füllen und auch im TV-Programm längst angekommen sind?
Eine solche ist auch der Film "Das goldene Ufer" (2015, Regie: Christoph Schrewe), der vor dem Hintergrund des deutschen Vormärz angesiedelt ist. Leider aber erweist sich die Verfilmung des gleichnamigen Iny-Lorentz-Romans weniger als Sturm und Drang denn vielmehr als laues Lüftchen – überzeugenden Darstellern zum Trotz. 3sat wiederholt das Drama jetzt zur besten Sendezeit.
Lange, bevor es das Wort "Emanzipation" in den Duden schaffte, hat Gisela (Miriam Stein) dessen Bedeutung bereits für sich verinnerlicht: Die junge Frau will frei sein. Genug hat sie von ihrem Leben als einfache Magd im Haushalt des Grafen von Rennitz (Walter Sittler) und dessen herrischer Ehefrau (Ulrike Folkerts). Sie zieht es weg aus der niedersächsischen Provinz des Jahres 1825 hin zu vermeintlich goldenen Ufern – nach Amerika.
Ihr Geliebter Walther (Volker Bruch, auch im wirklichen Leben der Partner von Miriam Stein) aber ist wenig revolutionär gesinnt, auch wenn er unter der Tyrannei des Grafensprößling Diepold (Trystan Pütter) leidet. Er hat sich mit seinem Status und Stand abgefunden. Als Walther aber ins ferne Göttingen geschickt wird, um einen neuen Käufer für das geerntete Holz des Grafen zu finden, setzt Diepold alles daran, Walther zu diskreditieren, um in der Gunst seines Vaters zu steigen. Wird auch Walther sich vom Revolutionsgeist anstecken lassen, der seine Gisela erfasst hat, oder wird ihre Beziehung an den Widersprüchen der Zeit scheitern?
Die Jahrzehnte vor der letztlich gescheiterten Revolution vom März 1848 waren in den deutschen Bundesstaaten eine Epoche, in der, inspiriert von der Französischen Revolution, allerorten liberales Gedankengut aufkeimte. In "Das goldene Ufer" ist das jedoch nur ausschmückender Hintergrund für ein recht unspannendes Liebesmelodram, bei dem jeglicher Konflikt spätestens fünf Minuten nach Aufkommen vom Drehbuch (Benjamin Hessler, Florian Oeller) in harmonisches Wohlgefallen aufgelöst wird.
Parallel zum Vormärz breitete sich ab 1815 noch eine andere Strömung in Deutschland aus: das Biedermeier. Fast scheint es, als habe sich "Das goldene Ufer" dramaturgisch an dieser konservativen Gegenbewegung orientiert. Da hilft es auch nicht, dass Heinrich Heine (Vladimir Burlakov) mal kurz zwischen rein revoluzzern darf und sowohl Kostüme als auch Ausstattung hervorragend gelungen sind – trotz fortschrittlichem Anstrich ist "Das goldene Ufer" so bieder wie ein Spitzweg-Gemälde.
Das goldene Ufer – Fr. 01.12. – 3sat: 20.15 Uhr