Das schmerzvoll-sinnliche Porträt der deutschen Malerei-Revoluzzerin Paula Modersohn-Becker lebt von seiner brillanten Hauptdarstellerin.
"Mein Leben soll ein Fest sein. Ein kurzes, intensives Fest", sagt Paula Modersohn-Becker (Carla Juri, "Feuchtgebiete") in diesem Biopic über das Leben der deutschen Expressionismus-Vorreiterin. Tatsächlich verstarb die Malerin früh, mit 31 Jahren, in der Künstlerkolonie Worpswede bei Bremen. Christian Schwochows ("Bad Banks") Film über das Leben der unangepassten Malerin wäre wohl nicht annähernd so reizvoll geworden, hätte er ihn als klassische Revue bedeutender Lebensstationen inszeniert. Stattdessen verdichtete Schwochow "Paula" (2016) auf sechs Jahre und besetzte die Hauptrolle mit einer Schauspielerin, die so verblüffend unerwartet spielt, wie die Titelheldin malte. Das Erste zeigt den Film nun als Free-TV-Premiere zu später Stunde.
Drei gute Bilder wollte sie in ihrem Leben malen und ein Kind bekommen. Paula Modersohn-Becker, deren Leben kurz nach der Geburt dieses Kindes endete, hat ihren Lebensplan übererfüllt. In einer kurzen Karriere erschuf sie rund 750 Gemälde und etwa 1.000 Zeichnungen, die zum Bedeutendsten zählen, was die Kunst des frühen 20. Jahrhunderts hervorbrachte. Die Radikalität Modersohn-Beckers, ihre Umgebung nicht so zu malen, wie sie das Auge erfasst, sondern ihre eigenen Gefühle in Gesichtern, Körpern und Formen wiederzugeben, galt um 1900 herum als lächerlich bis obzön.
In einer Szene dieses sinnlich fotografierten Biopics ist ein feister Kaufinteressent für ein Bild des Landschaftsmalers Otto Modersohn ins Moor nach Worpswede hinausgekommen. Zu Tisch bei der Suppe wird festgestellt, dass Modersohns Frau Paula ebenfalls malt. Als Paula auf eines ihrer Bilder deutet, lachen sich der Dicke und seine Frau tot. Ein guter Witz also. Doch Paula kann nicht wirklich darüber lachen. Der anfangs leichte Film beschreibt, wie Paula in der Künstlerkolonie Worpswede, einer Art Hipsterparadies der Jahrhundertwende, auf den verwitweten, feinfühlig-linkischen Maler Modersohn trifft.
Eine schauspielerische Glanzleistung
Albrecht Schuch ("Der Polizist und das Mädchen") spielt die Ambivalenz dieses Mannes auf bemerkenswerte Weise. Einerseits erzählt "Paula" die Liebesgeschichte eines Paares, das heute die gleichen Probleme haben könnte: Die Frau ist beruflich ob ihrer Nichtbeachtung frustriert, dazu fasst sie ihr eigentlich sensibler Mann aufgrund eines Traumas nicht an. So trägt die lebensdurstige Paula aus der ersten Hälfte des Films nach einem Zeitsprung von fünf Jahren jenen Schatten im Blick, der sie nach Paris aufbrechen lässt. Hier findet ihre künstlerische und sexuelle Befreiung statt – aber sie bringt Paulas geistige und physische Gesundheit auch an die Grenzen dessen, was ein Mensch noch ertragen kann.
Christian Schwochow, der mit "Novemberkind", "Die Unsichtbare" und "Die Täter" bereits drei Porträts außergewöhnlicher Frauen erschuf, hat für "Paula" die richtige Hauptdarstellerin ausgesucht. Ohne die Schweizerin Carla Juri wäre der Film wohl doch nur ein nettes Biopic geworden. Doch die Schauspielerin macht "Paula" zur Sensation. Ihre Malerin ist schillernd, sexy, schmerzvoll und albern. Sie tut unerwartete Dinge, sie nervt, ist ungerecht und hat clowneske Züge. Kurz: Sie benimmt sich wie eine junge, hochtalentierte Künsterin voller ambivalenter Gefühle für Kunst und Leben.