Alpen-Tarantino mit Braunschlag-Seite: Die Wiener baden hüfttief im Strizzi-Klischee. Ein großer Spaß – sofern man ein bisschen was von den Dialogen versteht.
Geh wusch! Schwer was los in Wien und Umgebung. Der alternde Strizzi, genannt der "Dokta", will seine Bumsen an den jungen Pico übergeben. Der wird aber auf der Landstraße von einem Jugo überfallen, der den Edi erschießt und mit der Marie flüchtet. Von der Puffn fehlt daraufhin jede Spur. – Hosd mi? Pardon: So weit verständlich? Nein? Geh bitte, wir sind ja nicht so. Wäre auch ein Jammer, wenn dieser Sensations-"Tatort" an der Sprachbarriere scheitert.
Also noch mal von vorn, damit auch der Piefke eine Chance hat, Anschluss zu halten in dieser wilden Milieuballade, die zu gleichen Teilen der Wiener Rotlichtromantik und einer ziemlich schmutzigen Fantasie entsprungen ist.
Stellen wir uns also eine Schotterstraße vor den Toren Wiens vor und dazu zwei tätowierte Halbweltgestalten in einem blitzblank polierten 80er-Jahre-BMW. Es kommt zu einem Überfall, bei dem Geld ("Marie") entwendet und der Beifahrer Edi erschossen wird. Mutmaßlich von einem Osteuropäer ("Jugo"). Der überlebende Geldbote mit dem klingenden Namen Pico Bello (Christopher Schärf) – wie man erfährt, der designierte Nachfolger des alternden Rotlichtpaten ("Strizzi") der Stadt – fackelt vorsichtshalber die Leiche ab. Denn mit den Kieberern, also den Sonderermittlern Moritz Eisner (Harald Krassnitzer) und Bibi Fellner (Adele Neuhauser), will man in kriminellen Kreisen nichts zu tun haben.
Aber vergebens: Die verkohlte Leiche wird entdeckt. Ein paar DNA-Tests später sind die beiden Polizisten dem "Dokta" (Erwin Steinhauer) und seiner Bagage auf der Spur und stiften Unruhe in dessen Etablissements ("Bumsen"). Nur: Wo ist die Tatwaffe ("Puffn") verblieben? Und was hat Bibis problematischer Freund Inkasso Heinzi (Simon Schwarz) mit der Sache zu schaffen?
Wer so weit im Bilde ist, steht schon mal auf der sicheren Seite. Denn selbst wenn man nur die Hälfte des Dialektsprechs sortiert bekommt, den das handelnde Personal durch den Pornoschnauzer nuschelt, ist dieser Ösi-"Tatort" ein Erlebnis. Vom Nackentattoo bis zur Pomadetolle sehnt sich alles nach einer Zeit, als Zuhälter noch Proleten mit Stil waren. Kein Auto nach Baujahr 89 wird bewegt, und auf der Grillparty vom "Dokta" singt der ehemalige Friedhofsgärtner und angesagte Liedermacher Voodoo Jürgens seine Gruselweise "Wien bei Nacht".
Eh klar, dass von Johannes Krisch bis Maria Hofstätter einschlägige Knautschgesichter rekrutiert wurden. Nicht umsonst fühlt man sich oft wie in einer Kriminebenhandlung der Kultserie "Braunschlag". Nicht aber deren Schöpfer David Schalko ist "Her mit der Marie!" (zu Hochdeutsch: "Geld her!") zu verdanken, sondern den Autoren Stefan Hafner und Thomas Weingartner. Mit Splitscreens und dampfendem Psych-Rock-Soundtrack hat die Regisseurin Barbara Eder ("Thank You for Bombing") aus der Buchvorlage eine Art Alpen-Tarantino gezaubert. Austroploitation sozusagen. Schneid haben sie beim ORF.
Und vor allem haben sie Eisner und Fellner, das konkurrenzlos symbiotischste Paar der "Tatort"-Landkarte. Andere Ermittler würden im Angesicht einer solchen Inszenierungswucht zu Randfiguren schrumpfen. Diese beiden Giganten blühen aber erst im Strudel des Wiener Wahnsinns richtig auf. Weil sie nicht nur den Schmäh haben, sondern auch viel Herz und die Sehnsucht nach einer besseren Welt. Drum hallt auch der Fernwehschlager der Steirer Legenden S.T.S. nach dem Abspann noch lange nach: "Und irgendwann bleib i dann dort, lass' alles lieg'n und steh'n. Geh von daham für immer fort." Machen's natürlich eh nicht. Zu unserem Glück.