Der vierte Schwarzwald-"Tatort" erzählt brillant von einer Amour fou in sommerlicher Hitze. Nicht nur wegen zweier brillanter Schauspiel-Leistungen dürfte sich dieser Film am Ende des Jahres 2019 aufs Podest der besten Krimis des Jahres hieven.
Warum fahren ein reiferer Mann (Andreas Lust) und ein sehr junges Mädchen (Meira Durand) wie ein verliebtes Paar über sommerlich erhitzte Straßen? Sind sie Vater und Tochter? Oder in welcher anderen, seltsamen Beziehungen stehen sie zueinander? "Für immer und dich", der vierte Schwarzwald-"Tatort" mit den Kommissaren Tobler (Eva Löbau) und Berg (Hans-Jochen Wagner), traut seinem Publikum zu, diese Frage erst mal unbeantwortet zu lassen.
Dafür erlebt das eingeführte "Odd Couple" bald Dramatisches. Während einer Rast im Wald schlagen zwei jugendliche Mopedfahrer ein Autofenster ein und türmen mit einer Reisetasche. Wütend nimmt der bestohlene Mann die Verfolgung auf. Des Diebes Flucht endet tödlich, die Freiburger Ermittler nehmen ihre Arbeit auf. Während sich der schwitzende Friedemann Berg auf die Suche nach dem Unfallwagen begibt, kümmert sich Franziska Tobler um eine alte Vermisstenmeldung, die Berg seit anderthalb Jahren frustriert. Die aus prekären Verhältnissen stammende Emily, seit ihrem 13. Lebensjahr verschwunden, soll von ihrer Mutter gesehen worden sein. Einbildung oder Fakt?
Es gibt ein Leben zwischen klassischem Ermittlerkrimi und verrücktem "Tatort"-Experiment. Wer die vierte Tobler- und Berg-Untersuchung über 90 psychologisch hoch spannende Minuten verfolgt, wird feststellen: Dieser Film (Drehbuch: Magnus Vattrodt, zweifacher Grimmepreisträger) fühlt sich irgendwie anders an. Er verlässt sich ganz auf seine bockstarke Geschichte und die kongenialen Episodenhauptdarsteller, an deren sich immer zuspitzenden Schicksal man als Zuschauer enorm nah dran ist. Mit dem Österreicher Andreas Lust (51, "Der Räuber) und der 18-jährigen Meira Durand (2010 Hauptdarstellerin des Kinderfilms "Hier kommt Lola!") fand man zwei unverbrauchte Gesichter, die ihre Rollen beängstigend authentisch spielen. Immer mehr hat man das Gefühl, Komplize dieser schwer zu bewertenden Beziehung zu sein. Der Zuschauer hofft mit beiden, zweifelt an ihnen, will sich distanzieren und ist dann doch wieder mittendrin in dieser drastischen Amour fou, die jedoch ohne drastische Bilder auskommt.
Das bisherige Schwarzwald-"Tatort"-Highlight?
Insgesamt wirkt "Für immer und dich" – übrigens der Titel eines von zwei im Film verwendeten Rio Reiser-Songs aus dem Jahr 1986 – wie ein alter französischer Meisterthriller, beispielsweise von Claude Chabrol oder Claude Miller. Vor allem der Franko-Klassiker "Das Auge", in dem Michel Serrault 1983 einen alternden Detektiv spielt, dessen Leben mehr und mehr von einer jungen Verdächtigen (Isabelle Adjani) dekonstruiert wird, mag den Filmemachern als Vorbild gedient haben. Trotz allem ist "Für immer und dich" kein Intellektuellenfilm, der dem filmischen Experiment oder Zitat huldigt. Die präzise geschilderte Ermittlung, der immer drastischer steigende Druck auf die Verfolgten, auch die Sorgen der Ermittler – all das inszeniert Regisseurin Julia von Heinz ("Katharina Luther") absolut "straight" und realistisch. Sämtliche Untiefen, alle Sorgen und das Unwohlsein bei Figuren und Zuschauer – die Qualität der Geschichte und das überragende Schauspiel sorgen dafür.
Nach der hochkonzentrierten, winterlichen Suche nach einem verschwundenen Kind ("Goldbach", Oktober 2017), folgte der eher durchschnittliche Film "Sonnenwende" über eine rechte Landkommune (Mai 2018), danach kam die fordernde Schizophrenie-Studie "Damian", die – obwohl alles andere als weihnachtlich – am 23. Dezember 2018 lief. Mit "Für immer und dich" hat die noch junge Schwarzwald-Historie ihr bisheriges Qualitäts-Highlight gesetzt. Der fantastische Krimi wird im Kritiker-Rückblick des "Tatort"-Jahres 2019 weit oben landen – ebenso wie sich die Episoden-Hauptdarsteller für wichtige Fernsehpreise aufdrängen dürften.