In den letzten beiden "Tatort"-Saisons waren die Stuttgarter Kommissare Lannert (Richy Müller) und Bootz (Felix Klare) für einige der besten Episoden überhaupt verantwortlich. Wie "performen" sie in ihrem neuen Fall, der in der Okkultisten-Szene spielt?
Seit 2008 heißt das Stuttgarter "Tatort"-Team Lannert und Bootz. Die qualitative Fall-Bilanz des von Richy Müller und Felix Klare verkörperten Männer-Teams war lange Zeit durchwachsen. Mal lieferten der einsame Schweiger (Lannert) und der Familienmensch (Bootz, der später auch zum Single wurde) ordentliche Ware ab, dann wieder etwas schwächere. Wirklich herausragende Filme gab es aus Stuttgart selten. Das änderte sich jedoch zwischen 2017 und 2019. Mit "Stau", einer brillanten Satire auf tragikomische menschliche Verwicklungen, dem fiebrigen "Der Mann, der lügt" und zuletzt "Anne und der Tod" spielten sich die Schwaben in die Liga jener "Tatorte", von denen man mittlerweile etwas Besonderes erwartet. "Hüter der Schwelle" heißt ihr neuer Krimi, von dem man nach den ersten Bildern (eine Leiche wird mit okkulten Verletzungen auf einem Hochplateau vor Stuttgart gefunden) hofft, dass er sich nicht mit den üblichen Ritual-Mord-Klischees zufriedengeben möge. Die sind ja nun in den letzten ein bis zwei Jahrzehnten bis zum Dauergähnkrampf vom Krimi-Genre durchdekliniert worden.
Der Tote erweist sich als Student der Geschichte. Ein Junge aus wohlhabendem Hause, die Mutter (Victoria Trauttmansdorff) betreibt eine Müllentsorgungs-Firma. Offenbar interessierte sich Marcel Richter, so der Name des Opfers, für das Okkulte. So wie auch die seltsame, schöne Studentin Diana Jäger (Saskia Rosendahl, "Werk ohne Autor"), die ab der ersten Begegnung mit Bootz bei diesem nicht näher thematisierte, berührungsfreie Sexfantasien auslöst. Wer weiß, vielleicht kannten sich die beiden ja mal in einem früheren Leben. Die Möglichkeit eines selbigen wird jedenfalls in diesem Zeit- und Geistreisen-Krimi immer wieder thematisiert.
Die Spur der Okkultisten führt Lannert und Bootz nun zum Privatgelehrten Emil Luxinger (André M. Hennicke), der sich selbst als Magier bezeichnet. Der Verstorbene, das gibt Luxinger zu, habe ihm etwas gestohlen, deshalb belegte er ihn mit einem "Schadenszauber". Der ist allerdings nach dem Gesetz nicht strafbar, da Zauberei keinen Einzug in deutsche Gesetzbücher fand.
Krimi-Schadensfluch für Stuttgart
"Hüter der Schwelle" begleitet über 90 Minuten zwei Kommissare von dieser Welt, die sich in einer anderen, für sie fremden zurechtfinden müssen. Kann es wirklich sein, dass Luxinger und Student Richter eine alte Fehde austrugen? Einen Streit um Dinge, die das diesseitige Denken kaum erfassen kann? Lannert und Bootz schleichen durch okkulte Wohnungen und besuchen heimlich Versammlungen der Magier. Kommen sie dem Schwaben-Hokuspokus auf die Spur?
Der noch relativ unbekannte Autor Michael Glasauer ("Huck") schrieb zum ersten Mal für den "Tatort", der aus Polen stammende, aber in Schwaben ausgebildete Regisseur Piotr J. Lewandowski ("Jonathan") führte Regie. Lewandowski gilt als Spezialist für betörende Bilder, doch in diesem "Tatort" bleibt sowohl der erzählerische als auch der visuelle Sog aus. Die Geschichte um Skeptiker, die sich auf fremdem Terrain in einer anderen Art des Denkens schulen müssen, sie zündet irgendwie nicht. Lannert und Bootz stolpern von einem okkulten Klischee ins nächste. Auch die charismatische Überlegenheit des Magiers Luxinger, der sich für unantastbar hält, verfängt trotz Untiefen-Spezialist André Hennicke nicht. Einzig die amouröse Seitengeschichte zwischen Bootz und Diana gefällt wegen ihrer offenen Erzählweise, während alle übrigen Erzählstränge und Personen auch im Widerschein züngelnder Magier-Flammen blass bleiben.
"Hüter der Schwelle" ist in jeder Hinsicht einer der schwächsten "Tatorte" seit langem. Der Krimi-Schadensfluch traf überraschend die zuletzt so bärenstarken Stuttgarter.