10.05.2016 Ausstellung

Ein teuflisches Genie

Muskau: Blick auf eine harmonische Landschaft von Pücklers Hand
Muskau: Blick auf eine harmonische Landschaft von Pücklers Hand Fotoquelle: Bundeskunsthalle Presse

Pückler mal wieder! Der Fürst stand in seinen frühen Dreißigern, als er den Bürgern von Muskau, seinen Schutzbefohlenen,
einen Schock versetzte. Er hatte sie zu einem Ball ins Parktheater geladen, und die Kleinstädter kamen nach  Kleinstädterart: herausgeputzt wie zum Kirchgang, in neugieriger Erwartung, ein bisschen verlegen.

Wer nicht kam, war der Fürst, Hermann von Pückler-Muskau. Er ließ sich entschuldigen, eine Grippe fessle ihn ans Bett.

Von Anfang an irritierte die Musik. Stellten sich die Gäste zu einem ländlichen Tanz auf, ging die Kapelle alsbald in einen Walzer über; den Walzer dehnten sie zu sinfonischer Länge aus. Die armen Tänzer schüttelten den Kopf und hielten ratlos inne.

Dann das Essen. Die Tischdecken und Servietten in tiefstem Schwarz. Provokateure, vom Grafen engagiert, tuschelten, es handle sich um Leichentücher aus der Pückler'schen Familiengruft. Als das Fleisch aufgefahren wurde und jemand flüsterte, auch das stamme aus der Gruft, ergriffen die ersten die Flucht. Da stürzte ein Kronleuchter von der Decke, woraufhin ein Provokateur "Feuer, Feuer!" rief und endgültig alle aus dem Saal stoben.

Pückler aber saß derweil wohlgemut in einer geheimen Loge, führte ein Lorgnon ans Auge, um besser sehen zu können, und weidete sich an dem, was er angerichtet hatte.

Held einer Ausstellung

Ein kleiner Teufel, dieser Fürst. Und so einer soll nun der Held einer allein schon in räumlicher Hinsicht herausragenden Ausstellung in der Bundeskunsthalle sein?

Ab Samstag erzählt das "Parkomanie" genannte Ausstellungsunterfangen von Pücklers genialischen Ideen, seinen großen Gärten, seinem blendenden Schreibstil, der einen Goethe entzückte, und seinen nimmersatten Eroberungen bei den Frauen. Ja, dieser Teufelskerl war ein besessener Schöpfer von künstlich in die Landschaft geschlagenen Sichtachsen, ein Künstler unter den Park-Architekten. Er gehört zu den wenigen Menschen, die von eigener Hand anlegten, was in unserer Zeit den Rang eines Weltkulturerbes erlangen sollte. Der Fürst-Pückler-Park Bad Muskau, diesseits und jenseits der Lausitzer
Neiße gelegen, ist mit 830 Hektar der größte Landschaftspark in Mitteleuropa.

Aber Pückler war noch viel mehr. Er verstand sich auf Rennpferde, züchtete Englisches Vollblut. Sein Hengst Sledmere gewann ein großes Rennen in Wien, was dem Fürsten, der notorisch mehr Geld ausgab, als er einnahm, 70.000 Gulden eintrug.

Aufmerksamkeit erregte Pückler auch mit der Wette, auf einem Rennpferd die Strecke von Zehlendorf zum Brandenburger Tor in weniger als 30 Minuten zurückzulegen. Tausende stehen am Streckenrand und tatsächlich: Nach 27,5 Minuten gelangt "der tolle Pückler", wie ihn das jubelnde Volk ruft, ans Ziel.

Das Berliner Abenteuer gehört indes, wie so vieles, eher auf die teuflische Seite seiner Lebensbilanz. Das Pferd, Sprightly, hatte sich schon nach wenigen hundert Metern ein Gelenk verknackst, wurde von Pückler aber gnadenlos zum Brandenburger Tor getrieben.

Einen vom Regen durchnässten Pastor lud Pückler scheinfreundlich zu sich ein, steckte ihn in den Sonntagsstaat seiner Förstersfrau und kutschierte ihn zur Gaudi der Leute dreimal um die Muskauer Kirche.

Die Berliner wiederum staunten nicht schlecht, wenn sich der Fürst in "Graf Hirsch" verwandelte und auf dem Boulevard
Unter den Linden mit einem von vier Hirschen gezogenen Gespann paradierte. Hernach pflegte er vor dem Café Kranzler haltzumachen. Gassenjungen bewarfen ihn mit Pferdeäpfeln, doch die Damen warfen Blicke.

Spross einer unmöglichen Allianz

Lässt sich einer wie Pückler, irrlichternd wie er war, überhaupt in feste Konturen fassen?

Am 30. Oktober 1785 wurde er als Sonntagskind auf Schloss Muskau geboren. Er war der Spross einer Vereinigung zweier Standesherrschaften, die einander herzlich gleichgültig waren und geblieben wären, wenn es dieses Erben nicht bedurft hätte.

Hier die griesgrämigen Pücklers aus Branitz bei Cottbus, Bauern durch und durch, viel Land, wenig Kapital, keine Kultur.

Dort die weltläufigen und steinreichen Callenbergs in Muskau, die über ihre sorbische Bevölkerung (Muskau ist ein eingedeutschtes Wort für Moskwa) wie mittelalterliche Fürsten herrschen, über Brauereien, Glashütten, Bergwerke und unendlich viel Land.

Erbin der Callenberg'schen Welt ist Tochter Kunigunde. Also muss ein Mann her, so viel steht fest. Doch warum Callenbergs Wahl ausgerechnet auf den missmutigen, engstirnigen und heiratsunlustigen Bauern Pückler fällt, bleibt ein Rätsel.
So wenig sich das Paar versteht (Kunigunde ist bei der Hochzeit 14 Jahre alt, ihr Mann 30), sorgt es doch in pflichtgemäßer
Regelmäßigkeit für Nachwuchs.

Der älteste Sohn, Hermann, verspricht nicht eben eine Leuchte zu werden. Die Hauslehrer (Hofmeister) verzweifeln schnell an ihm und suchen das Weite. Die zuchthäuslerisch-frommen Internate, in die man ihn abschiebt, setzen den aufsässigen und früh zu sexuellen Eskapaden neigenden Jungen meist schon nach einem Jahr vor die Tür.

Wie konnte aus diesem Wüstling ein Mann werden, der zwei der wunderbarsten Parklandschaften auf dem europäischen Kontinent schuf und es bis zu seinem Tode, 1871, zu weltweiter Berühmtheit brachte?

Die Ausstellung in der Bundeskunsthalle Bonn (selbst auf dem Dach sind Formen eines Pückler'schen Gartenbaus nachempfunden worden) erzählt davon.

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