prisma: Herr Carpendale, verabschieden sich mit Ihrer neuen Show ja sozusagen vom Tourneeleben, aber nicht von der Bühne, oder?
Howard Carpendale: Ich weiß nicht, ob ich das so sagen kann, denn ich muss da immer ein wenig aufpassen. Bei mir denkt man ja immer, ich mach in irgendeiner Weise Schluss. Eigentlich habe ich das nur einmal gesagt, aber irgendwie ist das bei den Leuten so hängen geblieben. Ich sage nur, dass ich vom ständigen Tourneeleben Abschied nehme. Das habe ich wirklich so entschieden. Ob es danach noch einzelne Konzerte gibt, vielleicht in Form von Auftritten in Hallen mit 3000 Plätzen, wer weiß? So etwas würde ich gerne noch machen, vielleicht drei Abende hintereinander. Leider gibt es in Deutschland nicht so viele passende Hallen.
Ein schönes Beispiel ist doch das Amphitheater Gelsenkirchen, auch wenn das keine Halle ist. Dort sind Sie auch in diesem Jahr aufgetreten. Das ist doch wirklich eine wunderschöne Location direkt am Rhein-Herne-Kanal gelegen. So etwas würde doch perfekt passen.
Das ist super, aber das ist wieder ein Open Air Venue. Ein Open-Air-Konzert ist etwas, an das man weitaus lockerer rangeht als an ein Konzert in einer Halle, wo die Produktion viel größer ist.
Was war Ihnen bei der Konzeption der speziellen Giovanni-Zarella-Show besonders wichtig?
Wenn man in Deutschland eine Musikshow macht, ist man meistens einer von 20 oder 30 Künstlern, die kommen und ein oder zwei Lieder singen. Ich behaupte, selbst wenn Sammy Davis Jr., der größte Entertainer aller Zeiten, in so einer Show auftreten würde, würde man den Unterschied kaum merken, weil da immer eine gewisse Ähnlichkeit besteht. Für mich ist ein Konzert etwas anderes, dort kann man verschiedene Facetten zeigen. Mit dieser speziellen Show habe ich jetzt die Möglichkeit, im Fernsehen für etwas andere Entertainment zu sorgen – Parodien, einen leichten Witz, eigene Ansagen. Ich halte die Ansagen fast für wichtiger als die Musik danach. Ich habe viel Wert daraufgelegt, dass diese Show mit Giovanni eine Menge Entertainment bietet. So wie in den guten alten Zeiten, als solche Shows das Abendprogramm bestimmten.
Also irgendwie auch eine nostalgische Reise in die gute alte Zeit?
Das würde ich sehr begrüßen. Wir sind im Moment in Deutschland in dieser Streaming-Laune. Das gilt nicht nur für Schauspieler, irgendwie muss jede Show eine Partyshow sein, und das find ich sehr schade.
Sie haben als Gäste Künstler aus vielen verschiedenen Generationen dabei, was für Sie spricht. Sie sind seit fünf Jahrzehnten relevant. Sind Sie sich Ihres Einflusses auf andere Künstler eigentlich bewusst?
Wir haben Leute ausgesucht, mit denen ich eine gewisse gemeinsame Vergangenheit habe. Es würde nicht passten, wenn da jemand dabei ist, der sagt: Wir haben uns nie gesprochen, aber ich mag seine Musik. Allerdings sind in der Sommerzeit viele Künstler mit ihrem eigenen Programm unterwegs, deswegen war es schade, dass wir den ein oder anderen nicht erreicht haben. Aber im Grunde bin ich jetzt sehr zufrieden mit unseren Gästen.
Haben Sie von jüngeren Kollegen auch schon einmal Feedback bekommen, dass Ihre Musik ihnen etwas bedeutet?
Wir machen die Show mit Gästen, die vom ZDF und mir ausgewählt wurden. Da ist Gregor Meyle mit dabei, Kerstin Ott, Ben Zucker, Nik P. und Sasha. Wir haben mit den Gästen Lieder ausgewählt, die zu ihnen passen, die sie sehr mögen, und sie hatten die freie Auswahl aus 700 Liedern (lacht). Am liebsten nimmt man da natürlich Lieder, die bekannt sind.
Sich durch dieses Repertoire zu ackern, ist bestimmt nicht ganz einfach. Gehen wir einmal zu Ihren Anfängen zurück. Sie haben einmal gesagt, dass Sie zu Beginn der Karriere am meisten aus Ihren Auftritten in Nachtclubs gelernt hätten. Das kann man sich heute kaum mehr vorstellen. Warum war das so?
In den angelsächsischen Ländern hat man damals das Showgeschäft so verstanden, vor Publikum aufzutreten, auch wenn es nur eine halbe Stunde war. Diese Auftritte in einem Nachtclub oder einem Hotel waren eine sehr gute Schule. Da hat man mit allen möglichen Arten von Menschen zu tun – manche hatten zu viel getrunken –, und man lernt schnell, damit umzugehen. Ich habe viel Zeit in Vegas verbracht und mir die großen Entertainer angeschaut. Ich weiß gar nicht, wie das Publikum mit dem Begriff Entertainment mittlerweile umgeht, denn es gibt dafür eigentlich keine richtige Definition. Für mich ist es wichtig, dass das Publikum nach einer Show das Gefühl hat, den Künstler besser kennengelernt zu haben. Er hat nicht nur einfach seine Hits gesungen, da muss schon etwas mehr kommen.
Man teilt etwas mit dem Publikum.
Genau, diese Formulierung passt. Ich benutze immer gerne den folgenden Satz: Ihr werdet in einem halben Jahr nicht mehr wissen, was ich gesungen oder gesagt habe, aber ich hoffe, ihr wisst, was Ihr gespürt habt an diesem Abend. Das ist mein Hauptziel: Emotion und Bewegung.
Wenn Sie mit jüngeren Künstlern sprechen: Ist so etwas heutzutage überhaupt noch möglich, wo jeder Nachwuchskünstler erst mal ein YouTube-Video dreht und kaum noch live spielt?
Problem Nummer eins ist, dass Sie mir einmal jüngere Namen nennen müssen. Da kommt momentan nichts nach, und das hat mit Streaming zu tun. Ich könnte stundenlang über diesen neuen Weg, den unsere Branche geht, reden. Es hat mich sogar dazu gebracht, keine Platten mehr zu machen. Das funktioniert einfach nicht mehr. Schauen Sie einmal auf YouTube, da gibt es eine Rede über das Ende des Showbusiness. Alben wird es in ein paar Monaten oder Jahren gar nicht mehr geben – sehr schade, weil ein Album so viel mehr über einen Künstler aussagt als eine Single. Das ist aber nicht nur in Deutschland so, sondern überall.
Dabei ist das Schlagerpublikum noch relativ treu und kauft noch Tonträger.
Ich will Ihnen diese Illusionen nicht nehmen, aber das sind heute vielleicht noch zehn Prozent der Zahlen von vor fünf Jahren.
Trotzdem arbeiten Sie ja gerade auch an einem neuen Album. Ist das eine Herzensangelegenheit?
Nein, ich arbeite nicht an einem neuen Album, nur an der Tournee und der Giovanni-Show. Die Schallplattenfirma will Titel aus meiner Vergangenheit modernisieren, aber es wird kein Album geben, nur ein paar Singles.
Die Schlagerbranche gilt ja auch als Haifischbecken. Gibt es dort echte Freundschaften, die auch in diese Shows getragen werden?
Ich hoffe, Sie zitieren mich richtig, wenn ich sage, dass ich das ewige Lächeln und das Nettsein und die vernünftigen Antworten auf dumme Fragen in der Show nicht haben möchte. Das haben Giovanni und ich auch so besprochen. Ich möchte eine Show machen, die erwachsene Menschen interessiert. Im Podcast „Hotel Matze“ – den kann man auf YouTube finden – habe ich viel darüber gesagt. Ich weiß nicht, warum die Schlager-Branche immer so tut, als wäre alles wunderbar und bunt. Natürlich hat man keine Feinde, aber wir wollen alle unseren Job machen, und natürlich sieht man in seinen Kollegen auch eine Art Konkurrenz. Das ist okay so, das ist ganz normal.
Sie haben einmal gesagt, dass Sie Ihren Spitznamen Howie nicht mögen.
Das sage ich schon seit Jahren.
Was sagen Sie denn Ihren Fans, die Sie ja mit diesem Namen verbinden?
Ich glaube nicht, dass es Boris Becker mag, „Bobbele“ genannt zu werden. Es macht alles ein bisschen klein. Ich freue mich immer, wenn ich über meine Show lese, dass es keine Schlager-Show ist. Dieses Wort „Schlager“ ist auch so ein Begriff, den ich nie so ganz verstanden habe. Da hat mir auch noch nie jemand eine gute Definition für gegeben.
Schlager ist wohl die einfache Übersetzung von Hit, also Treffer, Schlager heißt Treffer. Das war immer meine Definition.
Ja, aber warum nur auf Deutsch?
Das weiß ich nicht, das war nur die Übersetzung, die ich kenne. Sie sind am Anfang Ihrer Karriere vom Sportler quasi zur Musik gewechselt. War das für Sie ein innerer Kampf?
Nein, ich habe festgestellt, dass ich da nicht dieses Level erreichen konnte. Heute sehe ich, wie weit die Weltspitze ist. Schon damals in England merkte ich, dass mein Talent nicht reichte. Die Musik kam per Zufall, als ich im Melody Maker, der bekannten englischen Musikzeitschrift, las, dass eine Band einen Sänger suchte, damals in England. Und so landete ich in Düsseldorf in Deutschland.
Millionen Fans werden es Ihnen danken. Letzte Frage, Herr Carpendale: Wenn Sie den Strich drunter machen, was möchten Sie, dass man in 50 Jahren von Ihnen sagt?
Er war ein cooler Typ. Damit meine ich, dass ich nicht immer alles so ernst nehme und darüber lachen kann, wenn jemand Blödsinn über mich erzählt. Deswegen gehe ich durchs Leben, ohne mich allzu ernst zu nehmen.