prisma: Auf einer Skala von 1 bis 10 – wie lustig sind die Wechseljahre?
Annette Frier: Oha. Ich hatte Angst, dass die vielleicht nicht so lustig werden. Und da Humor ja die Waffe schlechthin ist, um herausfordernden Dingen zu begegnen, wäre es nicht sehr klug gewesen, ausgerechnet in den Wechseljahren eine Ausnahme zu machen.
Das war dann auch der Grund, das Thema in Form einer Comedy-Serie zu machen?
Ja, genau. Das war sozusagen die formale Strategie. Inhaltlich ist es so, dass Wechseljahre allein nicht unbedingt abendfüllend sind. Aber es ist ganz unglaublich, was sie in einem Menschen auslösen können. Ich war zunächst erstaunt und teilweise scheinbar grundlos beleidigt, merkte aber dann, dass ich mich offensichtlich in einer Art „zweiter Pubertät“ befinde. Deswegen hat es sich angeboten, die Wechseljahre in eine Drei-Generationen-Frauen-Familiengeschichte einzubetten. Familie betrifft jeden. Ob wir uns in ihr wohl oder fremd fühlen, wir alle kommen aus einer. Glücklicherweise hat Sonja Schönemann große Lust gehabt, die Bücher zu schreiben. Sie ist eine fantastische Autorin. Wir kennen uns schon seit 25 Jahren: Wochenshow – unser beider erster großer Job.
Wie viel Wahrheit steckt in „Frier und Fünfzig“? Es gibt einige Szenen, bei denen man sich gut vorstellen kann, dass sie wirklich so passiert sind…
Ich frag mich das auch die ganze Zeit, die Grenzen verschwimmen allerdings, ich weiß es teilweise selber nicht mehr so genau – und wenn ich es wüsste, würde ich es an dieser Stelle nicht sagen….
Der Blumenstrauß mit Botox-Gutschein, den Sie in der Serie bekommen, war aber hoffentlich nie wirklich ein Thema, oder?
Ich glaube, den hat die Schöneberger bekommen! (lacht) Nein, Quatsch. „Zieh mich nicht in deine Wechseljahre rein“, heißt es in der Serie in Folge 1. Aber es ist schon interessant, was passiert, wenn die Leute wissen, dass man soeben 50 geworden ist. Ich glaub das wurde im Radio gesagt oder so, ich kann es mir nicht anders erklären. Ich habe ja keine WDR-Party anlässlich meines 50. Geburtstages gemacht, ich habe auch mit niemandem offiziell darüber gesprochen, habe keine Interviews zu diesem Termin gegeben – und dennoch habe ich gedacht: Wieso wissen denn jetzt alle, dass ich 50 bin? Und dann kommen die Leute plötzlich, und das fand ich so lustig, und sagen: „Toll! Also toll!“, und zeigen so auf dich. Ich dachte: Was ist denn jetzt toll? Und der Hashtag dazu ist, glaube ich: „Mutig, dass deine Fresse nicht gebotoxed ist.“ Ja. Kann natürlich sein, dass ich das falsch interpretiere. Unterm Strich bleibt es so oder so eine – etwas unverschämte – Petitesse. Aber auch lustig. Anderes Beispiel: Mir wird oft gesagt, wie schlank ich im echten Leben bin. Immer mit so einer leichten Überraschung in der Stimme. Anfangs habe ich noch versucht, den Leuten zu erklären, dass das Fernsehen so eine bis zwei Kleidergrößen breiter macht. Mittlerweile denke ich immer nur: Lächeln und winken.
Vor einiger Zeit gab es eine breitere Diskussion darüber, dass „ältere“ Schauspielerinnen – also Frauen etwa ab Mitte 40 – oft keine guten Rollen mehr bekommen. Ist „Frier und Fünfzig“ auch eine Reaktion darauf?
Allerdings. Das ist ja nunmal sehr wahr. Mir ist gleichzeitig vollkommen klar, dass ich nun selbst in einer relativ privilegierten Position bin und gut arbeiten darf, aber auch ich kann nicht behaupten, dass ich auch nur EINE gute Rolle abgesagt habe, weil es so viele tolle Angebote gab. Wir befinden uns in einem umfassenden gesellschaftlichen Transformationsprozess. Mit dieser Serie habe ich die Möglichkeit, ein wichtiges Thema, das mich und neun Millionen andere Frauen in Deutschland gerade betrifft, im Wortsinn zu bespielen. Eine kleine Anleitung, dieser Phase mit Selbstliebe und Humor zu begegnen. Erinnert mich übrigens grad an die Gebrauchsanweisung für mein erstes Auto, ein 2 CV, also eine Ente war’s – und das Heftchen dazu hatte eine Frau aufm Cover und drunter stand: Jetzt helfe ich mir selbst!
In der Serie überlegt Ihre Figur, auch mal in einem Krimi mitzuspielen. Und dann heißt es: Das passt doch gar nicht zu dir. Ist es wirklich so, dass man festgelegt wird auf Rollen?
Natürlich wird man festgelegt. Ist doch überall so. Ich bin bisher erstaunlich krimifrei durch meine Karriere gegangen. Wundert mich nicht unbedingt. Hab ich ja schon angedeutet, dass ich mich mit Familie besser auskenne als mit Forensik. Die Leute auf der Straße sagen mir oft, ich sei so nett. (Bin ich übrigens auch.) Das ist nicht weiter schlimm, im Gegenteil, aber ich spiele auch meistens die Protagonistin. Um mich herum bricht die Welt zusammen und dann stelle ich dar, wie das ist, wenn man versucht die Übersicht zu bewahren im Chaos. Das ist ein toller Spielvorgang. Aber, und darauf spielen wir in der Serie an, es ist ein Problem, wenn es erwartbar wird. Ah, da kommt Annette Frier, die ist im Auftrag des Guten unterwegs. (Ich weiß, es gibt Schlimmeres.)
Also eigentlich müssten Sie jetzt mal mordend durch einen Tatort laufen?
Exakt. Ich frag auch manchmal nach. Was ist los, wieso besetzt ihr mich nicht mal als Racheengel? Macht doch schon deswegen Sinn, weil niemand damit rechnet. Aber das ist ja ein uraltes Thema von Schauspielern, dass sie immer gerne das spielen wollen, was sie eben nicht angeboten bekommen. In erster Linie mache ich mich da in der Serie über mich selber lustig.
Was müsste sich aus Ihrer Sicht ändern, damit Frauen in jeder Lebensphase authentisch in Film und Fernsehen zu sehen sind?
Es ist wie bei vielen Dingen – es muss einfach normal werden. Wir sind immer noch mittendrin in der Abschaffung des Patriarchats, und es gestaltet sich gerade noch schwieriger als vor wenigen Jahren, finde ich. Man hat das Gefühl, dass teilweise die Uhr wieder zurückgedreht wird, wahnsinnig anstrengend. Ich versuche jetzt, mit meinem kleinen Beitrag mitzuhelfen. Ich bin Koproduzentin und war an allen Arbeitsschritten direkt beteiligt. Das war für mich ein wichtiger Schritt und in der Arbeitswelt ist das keineswegs normal als Schauspielerin. Verstehen Sie mich nicht miss, ich liebe das sehr, nur zu spielen. In dieser Sache lag die Verantwortung für das Produkt aber sehr bei mir, und es war auf verschiedenen Ebenen wichtig, selbige auch zu übernehmen. Ich bin sehr dankbar für die tolle Erfahrung, auch wenn ich ordentlich Fracksausen hatte.
Wie ist leicht oder schwer war es, die vielen Gaststars wie Cordula Stratmann oder Barbara Schöneberger von einem Auftritt in der Serie zu überzeugen?
Vielleicht habe ich Glück gehabt, dass wir uns sehr gut kennen und teilweise auch befreundet sind. Kurze Kommunikationswege sind da sehr hilfreich…. Aber ganz im Ernst? Ich bin extrem stolz auf das Line- Up und auch hier irre dankbar, dass die diversen Kolleginnen mir diesen Vertrauensvorschuss gegeben und gesagt haben: Ja, ich mache mit. (Liegt aber auch an den tollen Dialogen von Sonja Schönemann!)
Die meisten Kolleginnen werden noch recht nett dargestellt, dennoch spielen auch Gossip und Gemeinheiten eine Rolle in der Serie. Wie ist das in der Realität? Müssen Schauspielerinnen hinter der Kollegin oft eine Feindin vermuten?
Naja, wir haben natürlich verdichtet und auf die Spitze getrieben. Ich weiß auch wirklich nicht mehr, welcher Gossip nun wahr war. Irgendwo müssen Gerüchte ja herkommen. Und wer behauptet, dass es keinen Neid gibt in dieser Branche oder dass er oder sie davon frei ist, wer sagt, dass sie sich von morgens bis abends immer für die anderen freut, auch wenn’s grad ne schwierige Zeit ist, der sage ich gern: Super, herzlichen Glückwunsch zur Erleuchtung! Auf dem Weg dahin geht es doch ab und zu schief mit der Gönnung.
Wie sieht das aus bei Ihrer Schwester Caroline? Gibt es eine Rivalität? Wie war es, mal wieder mit ihr zusammenzuarbeiten?
Das war toll! Das ist ja ganz bewusst so gestaltet. Die einzige Wahrheit in dieser Serie ist, dass Caro Frier eine Schauspielerin ist, die die Schwester der Schauspielerin Annette Frier spielt. (lacht) Dieser Rahmen im Rahmen, diese Metaebene gefällt mir so gut. Es ist ein Riesengeschenk, mit Caro zu spielen, weil sie ein extrem gutes Gespür für Timing hat, schnell und sehr lustig ist – übrigens auch im echten Leben. Wir haben das erste Mal Schwestern gespielt und waren überrascht, dass man ja eigentlich gar nichts mehr machen muss. Weil wir ja Schwestern SIND. (lacht) Nach ein paar Tagen haben wir beschlossen, das einfach nur zu genießen. Hat geklappt.
Stimmt die Darstellung der Fernsehbranche? Gibt es diese windigen Agenten und die Gespräche in der Maske?
Wie gesagt, die Grenzen sind fließend. Und diese Branche ist nunmal ein großer Jahrmarkt der Eitelkeiten, gar keine Frage. Warum also sollten wir ausgerechnet dem Affen keinen Zucker geben?
Köln kommt als Drehort prominent vor, im Bild und in typischen Liedern. Wie wichtig ist die Stadt für die Serie? Die hätte vermutlich so nicht in Berlin spielen können…
Genau, ich bin ja Kölnerin. Das ist halt so. Und dass wir hier dieses „Heimattourette“ haben, ist mir selber auch ein wenig unangenehm. (lacht) Aber, weil ich ja auch unangenehme Dinge zeigen möchte, mussten wir das amtlich nutzen.
Ist eine weitere Staffel „Frier und Fünfzig“ geplant?
Im Moment sieht es sehr gut aus, die Kolleginnen und Kollegen vom Sender scheinen auch sehr angetan zu sein. Wir haben schon einen Sack voll mit guten Ideen. Von uns aus kann’s also losgehen!
Gibt es weitere Projekte, auf die die Zuschauer sich freuen dürfen?
Ja, vor Kurzem hat der Film „Olivia“ Premiere gefeiert, darin spiele ich Evelyn Knöbel, die Mutter von Olivia Jones. Das ist so eine Art Biopic und spielt viel in den 1980er-Jahren. Der Film wird wahrscheinlich 2026 im Fernsehen gezeigt. Außerdem bin ich in einen Film über die Kindheitserinnerungen von Iris Sayram, der deutsch-türkischen Journalistin, zu sehen. Ich spiele ihre Mutter Mimi. Auch dieser Film läuft voraussichtlich 2026 im Fernsehen.
"Frier und Fünfzig"
Montag, 24. November, 22:15 Uhr bei SAT.1 und vorab bei Joyn.