prisma: Sie kommen beide aus München, wohnen dort im gleichen Stadtviertel und sind auch im echten Leben befreundet. Wann und wie haben Sie sich kennengelernt?
Sebastian Winkler: Wir sind beide Synchronsprecher. Das machen wir schon sehr lange. Ich denke, wir standen das erste Mal vor 20 Jahren zusammen im Studio. Das war irgendein Weihnachtsfilm und wir hatten keine große Rolle, sondern waren im Ensemble. Das spricht die kleinen Rollen oder Menschenansammlungen, wie Reporter oder der Pförtner, der der Hauptfigur Frohe Weihnachten wünscht. Das ist auch heute noch ein Running Gag zu Weihnachten zwischen uns. Typischer Synchronton und dann „Frohe Weihnachten, Sir“.
Simon Pearce: Genau, wir kennen uns schon lange auch von der Arbeit am Mikrofon. So richtig intensiviert wurde die Freundschaft dann aber tatsächlich über unsere Kinder, weil die zusammen in eine Kita gegangen sind. Also waren die Kinder quasi Auslöser für „Bappas“. Das ist ja nur konsequent.
Sie sind beide Väter, Ihre Kinder waren sogar in der gleichen Kita. Was ist die lustigste Episode aus dieser Zeit, an die Sie sich erinnern?
Simon Pearce: In der Kita machen die Kinder ja noch Mittagsschlaf, und wir haben unsere Kids dann immer aus dem Schlafraum abgeholt. Manchmal waren sie noch so verpennt, dass man einfach noch ein bisschen bei ihnen gewartet und sie hat schlafen lassen. Ich war einmal anscheinend auch recht müde, dann hat Sebastian nicht nur seine Tochter aufwecken müssen, sondern auch mich und meinen Sohn. Hätte nie gedacht, dass Sebastians Gesicht mal das erste ist, was ich nach dem Augenöffnen sehe (lacht).
Sebastian Winkler: Da vermischen sich mittlerweile Erinnerung und Realität. Ich weiß zum Beispiel nicht mehr, ob wir in echt mal zum Elternabend zu spät gekommen sind, und Ärger bekommen haben – auch weil wir unerlaubter Weise ein Bier dabeihatten und uns während des Treffens dauernd blöde WhatsApp geschrieben haben – oder ob das nur eine Idee für Bappas war. Aber es war tatsächlich allein schon lustig, als wir beide plötzlich, ohne davon zu wissen, mit unseren Kindern vor der gleichen Kita standen und sie das erste Mal zur Betreuung brachten. Das war der eigentliche Grundstein für eine engere Freundschaft.
Wie ist die Idee zu „Bappas“ entstanden?
Sebastian Winkler: Genau so. Auf dem Weg nach Hause tauschten wir uns - noch nichts ahnend - über unsere Kinder, unsere Familie, unsere Frauen, unser Leben als Väter aus. Manchmal schrieben wir, einfach so, Dinge oder Ideen auf. Erst im vergangenen Jahr hatten wir lose die Idee, zusammen Sketche für Instagram zu drehen. Aber eher aus dem Gedanken heraus: „Hey, irgendwie sehen wir beide nebeneinander lustig aus. Das könnte so ein bissl das moderne Dick und Doof werden.“ Erst später kam der Gedanke dazu, das Ganze professioneller anzugehen, gemeinsam mit dem BR und dem Plan, eine Sketch Comedy-Serie über zwei Väter zu machen. Stoff hatten wir dazu dann glücklicherweise genug gesammelt – und auf unseren Handys steht noch viel mehr.
Simon Pearce: Wir haben uns auf einen Kaffee getroffen und kamen im Gespräch darauf, dass es mal wieder Zeit für eine Sketch-Show sei, die ein bisschen moderner daherkommt. Vor allem aber wollten wir vermeiden, dass ein Sketch einfach auf den nächsten folgt. Und durch unsere gemeinsamen Erfahrungen kamen wir dann schnell auf die Idee, dass das Thema „Papa sein“ sich natürlich anbietet und wir über den fiktiven Heimweg von der Kita eine Art Vehikel schaffen könnten, um uns durch die Sketche zu „moderieren“.
Was sind - Ihrer Meinung nach - die größten Herausforderungen, mit denen sich Väter heute konfrontiert sehen?
Simon Pearce: Bei vielen leider allein noch zu akzeptieren, dass man als Vater, genau wie eine Mutter, Arbeit zu leisten hat. Und generell als Eltern denke ich: Neben dem richtigen Maß, den Kindern zu erklären, was gerade alles so auf der Welt passiert, sie dabei aber immer noch ausreichend zu beschützen beziehungsweise zu behüten.
Sebastian Winkler: Ich kann nur für mich sprechen, und bei mir war es tatsächlich jetzt jahrelang „der Klassiker“. Wie verbinde ich Beruf, Karriere, finanzielle Versorgung mit dem Druck, aber auch dem Wunsch, als moderner Vater mehr für die Kinder dazu sein? Ich war circa die letzten zehn Jahre finanziell überwiegend für die Familie verantwortlich, meine Frau hat in dieser Zeit ihr Studium und ihre Ausbildung zur Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin absolviert. Das war eigentlich die perfekte Aufteilung. Durch meine Hauptarbeit als Radiomoderator bei Bayern 3 in der Morningshow und tagsüber hin und wieder als Schauspieler und Synchronsprecher konnte ich die Familie gut versorgen und gleichzeitig gut einteilen, auch für die Kinder da zu sein. Doch oft hatten wir dadurch weniger Zeit für uns selbst oder als Paar. Deswegen war ich oft gestresst, oder – auch wenn ich Zeit hatte mit den Kindern – wenig präsent oder schnell genervt. So ein Vater wollte ich nicht sein. Ich wollte die Zeit mit den Kindern genießen und vor allem mehr Zeit mit ihnen haben, als andere Väter. Deswegen bin ich vor zwei Jahren ein paar Schritte zurückgetreten. Ich mache nun ein bisschen weniger Radio und kann so wirklich für meine Kinder da sein. Das tut uns allen sehr gut. Die Prioritäten haben sich verschoben zugunsten der Familie, weg von der Karriere. Ich bin froh, dass wir uns das als Familie so „leisten“ können.
„Bappas“ ist eine Mischung aus Comedy-Serie und Sketchen. Können Sie das Konzept näher erklären?
Simon Pearce: Es gibt mehrere Ebenen. Zum einen gibt es eine klassische horizontale Erzählebene, in der wir uns selbst spielen. Natürlich stark überzeichnet und auch nicht mit unseren exakten Biografien. In der Serie bin ich zum Beispiel alleinerziehend, in der Realität aber zum Glück mit meiner Frau verheiratet. Da passieren auch lustige Sachen, aber auf dieser Ebene kommen wir auf verschiedene Arten in die Sketche. Manchmal sind es einfach unsere Gedanken zu einem Thema, „was wäre, wenn“, oder „wie war das wohl im Mittelalter...“, manchmal beobachten wir eine Situation, wie zum Beispiel eine Polizeikontrolle und springen darüber dann in die Sketche. Es ist ein sehr spielerischer Ansatz, der auch das Kindskopfartige, das wir haben und das ja in vielen so ein bisschen schlummert, unterstreicht.
Sebastian Winkler: Wir sehen Simon Pearce, den Comedian und Sebastian Winkler, den Radiomoderator als sich selbst. Natürlich überzeichnet und nicht immer der Wahrheit entsprechend. Die beiden sind Nachbarn, Freunde und Väter und zumindest, mal auf dem Papier, ein gutes Team. Jede Folge stellen sie sich gemeinsam einem Problem, das Familien oder Väter im speziellen beschäftigt. Der perfekte Kindergeburtstag, die Sorge um die Gesundheit der Kinder, die Wahl der richtigen Schule und die kurze Auszeit am Wochenende. Das nennen wir die Rahmenhandlung. Von dort springen wir durch Rückblenden, Gedankenblasen und Erinnerungen in verschiedene Rollen und Sketchen. Wir haben im Team immer gesagt: ein bisschen wie eine Mischung aus Jerks, Modern Family und Knallerfrauen.
Oft gilt: It’s funny cause it’s true. Wer Kinder hat, kennt Situationen wie die, dass das Kind nicht zur falschen Zeit einschlafen soll, oder die, dass die Mitgliedschaft des Kindes im Sportverein für die Eltern zum Vollzeitjob durch „ehrenamtliche“ Verpflichtungen wird. Was davon haben Sie selbst erlebt, und wie können Nicht-Eltern solche absurden Situationen nachvollziehen?
Sebastian Winkler: Fast alles, was bei Bappas geschieht, haben wir selbst oder andere Eltern aus dem Team erlebt. Wir haben die Bücher ja selbst mitgeschrieben und konzipiert. Natürlich haben wir nicht alles genau so erlebt. Irgendwie muss es ja für eine Comedy überspitzt sein, dramatischer werden, lustiger, aussichtsloser, kantiger. Aber wir haben uns ganz gezielt um Themen bemüht, mit denen andere Eltern relaten und hoffentlich darüber schmunzeln und lachen können. Auch Nicht-Eltern kennen ja von Erzählungen ihrer Freunde, wie die im Privatleben und mit den Kindern struggeln. Außerdem sind unsere Rollen ja nicht nur Väter, sondern Freunde, Männer, alleinerziehend, verheiratet. Nicht jeder Sketch behandelt Eltern-Themen, sondern auch Allgemeines, was Menschen in unserer Zielgruppe beschäftigt und worüber wir lachen können. Und so ist es für jeden spannend konsumierbar.
Wie viel Bayern steckt in Bappas? Könnte die Serie auch anderswo spielen?
Sebastian Winkler: In Bappas steckt Bayern, weil wir in München und Umgebung gedreht haben und unsere Rollen hin und wieder in den bayerischen Dialekt rutschen. Sonst ist Bappas überall schaubar. Eltern und Nicht-Eltern in Köln, Hamburg und Berlin haben sicher die gleichen Probleme und Erlebnisse mit Kindern, wie wir.
Simon Pearce: Der Großteil der Themen funktioniert auf jeden Fall überregional. Die klassischen Elternthemen eh, aber auch sonst haben wir jetzt nicht extra eine bayerische Brille beim Schreiben angezogen. Unser Hausmeister Murr könnte auch Hausmeister Küppers aus Kölle sein. Wir haben ja durch Karla Haumann und Max Osswald auch noch bewusst Input dazu geholt, der nicht aus Bayern stammt, und auch einen, in Karlas Fall, „weiblichen Blick" – wenn es sowas gibt – auf die Themen zulässt
Sie sind in vielen Dingen gegensätzlich: klein – groß, chaotisch – strukturiert. Zeigt sich das Gegensätzliche auch im Erziehungsstil?
Simon Pearce: Ganz so extrem wie in unseren Figuren in der Serie ist es ja zum Glück nicht. Sebastian ist gar nicht so groß, Spaß (lacht). Ich glaube, in Sachen Erziehung sind wir uns im Grundsatz gar nicht so unähnlich. Uns ist beiden wichtig, gut zu kommunizieren und auch eine gewisse Konsequenz zu haben den Kindern gegenüber. Ich glaube aber tatsächlich, dass es bei mir in der Familie etwas chaotischer und wilder zugeht. Meine Frau ist nämlich ähnlich. Glaube auch, dass ein bisschen was von ihr in meiner „Figur“ steckt (lacht.).
Sebastian Winkler: Vielleicht wirke ich von Grund auf autoritärer auf Kinder und Simon lockerer. Aber sonst sind wir beide, denke ich auch, gar nicht so verschieden. Wir sind recht konsequent in der Kindererziehung. Manchmal, das haben wir schon des Öfteren erörtert, vielleicht zu streng. Auf der anderen Seite sind wir auch beide Väter, die hauptsächlich das Quatschmachen mit den Kindern lieben. Vielleicht bin ich der wenig Entspanntere. Ich glaube Simon kann manchmal einfach Fünfe gerade sein lassen, und ich will erst alles erledigt haben, Hausaufgaben, Aufräumen et cetera, bis man zum „spaßigen“ Teil übergeht.
In welche Rolle sind Sie am liebsten geschlüpft – und warum?
Simon Pearce: Ich kann da eigentlich nichts hervorheben. Der ganze Dreh hat so viel Spaß gemacht. Es sind ja sogar noch etliche Figuren auf der Strecke geblieben, weil wir einfach nicht die Zeit hatten, sie unterzubringen. Schon alleine deshalb muss es eine zweite Staffel geben!
Sebastian Winkler: Ich mag es eigentlich am liebsten, Rollen zu spielen, die tollpatschig sind, anecken, unsicher, beschämend. Vielleicht weil ich – hoffentlich – das im echten Leben weniger bin. Außer vielleicht tollpatschig. Deswegen hat mir der Musiker Mikey viel Spaß gemacht, der sein verkorkstes Leben in seine Songs packt und damit völlig inadäquat Kinder unterhalten möchte, der Geiger, der es modern findet zur Violine zu beatboxen, oder der Podcaster, der vom strengen Erziehungsexperten auf den Hintern bekommt. Ich habe schon immer Loriot sehr vergöttert. Auch er hat nie Helden gespielt, sondern den normalen, eher hilfebedürftigen Mann von nebenan. Das hat mich damals schon begeistert und sicher auch beeinflusst.
Mussten Sie überhaupt viel spielen für die Serie? An welcher Stelle sind die Serienfiguren anders als Sie selbst?
Sebastian Winkler: Wie gesagt, haben wir unsere echten Charaktere natürlich stark verfremdet. Weder bin ich so krankheitsängstlich oder needy, noch Simon so krass verplant, dass er alles vergisst, nur als zwei Beispiele. Auch haben wir ja Kinder in einem ganz anderen Alter, als in der Serie, und Simon ist im wahren Leben nicht alleinerziehend. Und spielen muss man, auch wenn man „sich selbst“ spielt, immer. Denn wir improvisieren ja keinen Text oder sind in echt aufeinander sauer, wie in Folge 1, sondern haben Drehbücher geschrieben, an die wir uns halten, die vom Timing her und den Pointen her, glauben wir, gut durchdacht sind. Und diese Sätze müssen auf den Punkt abgeliefert werden. Und dann kommen ja noch die ganzen Sketche dazu, in denen wir in andere Charaktere hüpfen: Samenbankmitarbeiter, Podcaster, Arzt, Superheld, Polizist, um nur ein paar zu nennen. Das waren schon ganz schön viele Rollen, die man sonst in so kurzer Zeit nicht bedient. Durch unser knappes Zeitpensum war das manchmal ganz schön verwirrend und ein großes Kostüm-Hin-und-Her. Aber genau das hat mega Spaß gemacht.
Simon Pearce: Ich kann dazu nur sagen: Ich würde mir nie von Sebastian bei einem Date helfen lassen! (lacht)
Viele Gaststars wie beispielsweise Felix Lobrecht treten auf. Wie konnten Sie die Gäste vom Konzept überzeugen?
Simon Pearce: Es gab schon früh die Idee, eine Art „Family & Friends"-Cast mit im Projekt zu haben. Erstmal wollten wir den Zuschauern nicht 22,5 Minuten lang immer nur unsere Gesichter zumuten, und außerdem haben wir so viele brillante Leute im Freundeskreis, dass es fast schändlich wäre, "Bappas" nicht mit ihnen noch ein Stück aufzuwerten und abwechslungsreicher zu gestalten. Dass dann auch alle zugesagt haben, hat mich wirklich sehr gefreut. Es ist schon schön zu sehen, wie all diese talentierten Freunde bereit sind, unseren Blödsinn mitzumachen. Felix als Business-Clown zum Beispiel. Hätte nicht gedacht, dass er sich mal so für mich schminken lässt (lacht).
Sebastian Winkler: Das sind ja alles Menschen, die wir schon lange persönlich kennen. Von Drehs, oder Veranstaltungen, oder aus Freundschaften. Deswegen war es glücklicherweise überhaupt nicht schwierig oder nötig, sie zu überzeugen. Viele hatten von uns schon mitbekommen, dass der Sender grünes Licht für das Projekt gegeben hat und, dass es was ganz Neues für den BR ist. Daher war die Freude und die Begeisterung groß und alle haben sofort zugesagt. Felix Lobrecht kennt Simon schon lange von seiner Tätigkeit als Comedian, die beiden sind auch befreundet. Und gerade den Gegensatz – Felix in einer Eltern-Comedy – fanden wir besonders reizvoll. Er hat den Dreh auf dem Heimweg von einer privaten Reise eingeschoben, Zwischenstopp München, das war schon sehr stark.
Wie gefällt Ihren eigenen Familien Bappas?
Simon Pearce: Na gefälligst gut! Vielleicht fühlen sie sich ja in der einen oder anderen Situation ein bisschen ertappt, oder denken sich, irgendwie kommt mir das gerade bekannt vor…
Sebastian Winkler: Bisher waren alle, Freunde, Familie und natürlich auch meine Kinder sehr begeistert. Die Kinder singen natürlich schon alle Jingles nach oder sprechen Szenen mit. In der Postproduktion, wenn man so tief mit drinsteckt, wie Simon und ich, muss und darf man sich das Material sehr oft ansehen. Das heißt meine Kinder kennen es in- und auswendig. Und erkennen sich manchmal wieder. Ich bin aber immer vorsichtig mit Feedback aus der Familie. Einerseits ist es das Wichtigste und Ehrlichste. Andererseits kann es nie ganz objektiv sein. Es gibt mir natürlich Hoffnung, dass es dann auch bei anderen Familien gut ankommt. Aber das bleibt noch spannend zu sehen.
„Bappas“
Vier Folgen, ab Mittwoch, 5. November in der ARD-Mediathek
Donnerstag und Freitag, 4. und 5. Dezember, jeweils 22.05 Uhr im BR