prisma: Wie ist es für Dich, wenn ein neues Album erscheint? Sitzt Du da vorher buchstäblich wie auf heißen Kohlen, weil Du es endlich veröffentlichen willst?
Michael Patrick Kelly: Wenn ich ein Album fertigstelle, bin ich erst mal erschöpft. Man gibt alles rein – Schweiß, Blut, Emotionen. Es ist sehr persönlich. Musik ist kein Zahlenwerk, sondern etwas Emotionales. Nach der Fertigstellung kommt oft der „Post-Recording-Blues“. Aber jetzt bin ich in der „Vorfreude-Phase“, weil das Album bald erscheint. Die ersten Rückmeldungen zu den zwei Singles sind unglaublich positiv. Es ist krass, was für Feedbacks ich bekomme – von Leuten in Palästina, die sagen, die Musik hilft ihnen in schwierigen Zeiten, oder von einer Frau in Utah, die während unseres Video-Shootings eine Schulklasse betreut hat und sich für die Musik bedankte.
Am neuen Album hat mich besonders die Produktion beeindruckt. Du betonst, dass es „handmade“ ist. Damit grenzt Du Dich ja ein Stück weit ab von modernen Aufnahmetechniken wie Autotune und Co. Heißt „handmade“, dass Du es quasi fast analog aufgenommen hast, oder was kann man darunter verstehen?
Michael Patrick Kelly: Viele Popmusikproduktionen entstehen durch programmierte Drums, Bass und Synthesizer. Und selbst die Gitarren kommen oft einfach aus dem Computer. Wir hatten da einfach das Anliegen, handgemachte Musik zu bringen. Musik, die vom Herzen kommt. Man sagt ja auch passend, ein guter Song besteht aus drei Akkorden und der Wahrheit. Das ist auch mein Rezept. Ich versuche einfach, eingängige Melodien mit tiefgründigen Texten zu kombinieren, in der Hoffnung, dass es nicht nur mir guttut und mir gefällt, sondern auch für andere Menschen in ihrem Leben eine Bereicherung sein kann.
Also siehst Du Dich da nicht nur als reiner Entertainer, sondern möchtest tiefer mit Deiner Musik gehen? Was macht für Dich den Erfolg aus?
Michael Patrick Kelly: Es ist für mich wirklich ein Privileg, diesen Beruf ausüben zu dürfen. Es gibt Menschen, die sagen: Hey, wir haben uns zu diesem Song von dir getraut. Und andere sagen: Wir haben unsere Mutter zu diesem Song von dir beerdigt. Oder man hört von Leuten, die sagen: Ich hatte eine Chemotherapie und deine Platte hat mir da wirklich geholfen, hat mich getröstet, hat mir Kraft gegeben. Das ist für mich der Erfolg. Klar, freue ich mich natürlich auch über Goldene Schallplatten oder eine gute Chartplatzierung. Halleluja, super! Aber der wirkliche Erfolg sind diese Feedbacks, bei denen ich merke, es ist mehr als der gemessene Verkaufserfolg. Kürzlich habe ich in Leipzig einen Award bekommen, und Gregor Gysi hielt eine tolle Laudatio. Vor dem Auftritt sprach ich da mit den Fans, und eine Frau fing an zu weinen, umarmte mich und sagte: „Ohne deine Musik gäbe es mich nicht mehr.“ Solche Momente zeigen, dass sich der ganze Showbusiness-Zirkus doch lohnt, auch wenn er nicht immer „meine Tasse Tee“ ist.
Hattest Du nach dem letzten Album „B.O.A.T.S.“, das Dich ja in neue Sphären katapultiert hat Druck, dass dieses Album auch ein Erfolg werden muss?
Michael Patrick Kelly: Mein Ansporn ist, in der Kunst mein Bestes zu geben. Erfolg gibt einem nicht systematisch recht – das sieht man zum Beispiel auch in der Politik. Musik ist Geschmackssache, aber ich habe das Gefühl, dass meine Musik mit den Menschen und der Zeit resoniert. Vielleicht ist sie ein „Safe Space“ für viele, die Harmonie, Stabilität oder Frieden suchen. Musik kann solche Gefühle vermitteln. Ich bin voller Freude, aber Druck? Eher eine Spannung, ob das, was mich selbst berührt, andere genauso erreicht. Die bisherigen Rückmeldungen zu den Singles sind super positiv, also bin ich gespannt, wie das ganze Album ankommt.
Du gehst 2026 auf Tour, die Dich durch Deutschlands große Hallen führt. Was können die Fans da erwarten?
Michael Patrick Kelly: Konzerte sind für mich ein Lebenselixier. Ich bin extrem dankbar, diese Shows spielen zu können. Einige Konzerte sind schon ausverkauft. Das ist nicht selbstverständlich, bei dem riesigen Angebot an Veranstaltungen. Ich spiele zweieinhalb bis drei Stunden, mit allen Hits und vielen Songs von „Traces“. Ich habe eine internationale Band, also mein Drummer ist Amerikaner, der hat früher für Katy Perry und Lenny Kravitz gespielt. Und mein Gitarrist, der hat auch für Sting oder Sam Smith gespielt. Dazu kommt ein Ire, ein Österreicher, ein Typ aus Ecuador, Amerikaner, Briten. Du merkst, sehr international (lacht). Bei allen Konzerten gibt es dann in der Mitte der Show eine Schweigeminute für den Frieden und die wird von der Peace Bell eingeläutet. Diese Friedensglocke wurde aus Kriegsschrott gegossen und wiegt über eine Tonne. Die kommt dann langsam von der Decke herunter, und dann wird die Minute eingeläutet.
Ein ganz besonderer Moment.
Michael Patrick Kelly: Das ist auch für mich jedes Mal sehr bewegend und ein richtiger Gänsehautmoment, wenn 10.000 Menschen in einer Arena innehalten und für den Frieden schweigen.
Dazu passt auch der letzte Song auf Deinem neuen Album „Symphony of Peace“, auf dem der Tenor Jonas Kaufmann zu hören ist. Wie kam das zustande?
Michael Patrick Kelly: Ich wollte eine Friedenshymne schreiben, was gar nicht so einfach ist, ohne dabei ins Kitschige zu kippen. Ich wollte für den Song Rock und Klassik kombinieren, das war mein erster Wunsch. Da kam dann die Connection zu Jonas Kaufmann zustande, den ich durch einen gemeinsamen Bekannten kenne. Und den habe ich gefragt, sag mal, kannst du dir vorstellen, dass Jonas Kaufmann bei einem Friedenssong von mir mitmachen würde? Er sagte, das macht er bestimmt. Und dann habe ich Jonas kontaktiert und er war sofort dabei. Das war wirklich mega, weil er in seinem Metier ein absoluter Weltstar ist. Und er hat eine Wahnsinnsperformance hingelegt. Dann kommt da noch dieses tolle Rockgitarrensolo. Dieses Lied ist richtig lang. Wer macht schon einen Song mit fünfeinhalb Minuten Länge heutzutage? Aber bei so einem Thema darf man sich auch mal Zeit nehmen, denn viele Menschen sehnen sich aktuell nach Frieden. Und damit meine ich nicht nur den politischen oder gesellschaftlichen Frieden, sondern auch den inneren Frieden, diesen persönlichen Frieden. Und vielleicht kann dieses Lied ein klein bisschen helfen. Der wird auf der Tour direkt nach der Schweigemute gespielt und hoffentlich ein bisschen Frieden spürbar machen.
Ich persönlich bin ja immer noch ein Album-Typ und wenn ich mir das neue Album anhöre, gehe ich einfach davon aus, dass das bei Dir nicht anders ist. Ist das richtig interpretiert?
Michael Patrick Kelly: Absolut. Für mich ist ein Album ein „Body of Work“. Und ich bin froh, dass es noch Albumgenießer wie Dich gibt. Und damit meine ich nicht nur Leute, die Vinyl- und Hi-Fi Freaks sind, sondern Leute so wie Du oder ich. Bringen Künstler wie Coldplay, Ed Sheeran, Justin Bieber oder so neue Alben heraus, höre ich mir die komplett durch. Ich bin einfach nach wie vor ein Fan dieses Konzepts „Album“. Auch wenn ein Großteil der Musik-Industrie sagt, was machst du da? Bringt doch nichts, Alben sind out. Ok, das letzte Album ist Gold und Platin gegangen. Sollte ich irgendwann der letzte Mohikaner dieses Albumformats sein, dann werde ich trotzdem dafür kämpfen, weil ich finde, ein Künstler, der alle zwei, drei, vier, fünf Jahre ein Album rausbringt, der kann sich nur in dieser Menge von Songs komplett ausdrücken. Sonst ist es irgendwie ein bisschen diese Single-driven-Release Strategie. Die kann ich auch nachvollziehen, gleichzeitig sehe ich meinen musikalischen Werdegang aber als etwas Langfristiges. Da passen Alben einfach besser.
Für das Artwork von „Traces“ bist Du sogar extra nach Namibia geflogen.
Michael Patrick Kelly: Ich muss an der Stelle auch meinem Label danken, weil die das alles mitmachen. Es ist wirklich toll, ein Label an seiner Seite zu haben, das meine künstlerischen Entscheidungen trägt und hinter mir steht. Das ist eine Partnerschaft, die sich gegenseitig befruchtet.
Wenn man sich Deinen Werdegang so anschaut, war das kein gerader Weg. Du hast Dir auch Auszeiten genommen. Wenn Du dann Deinen riesigen Erfolg spätestens seit „B.O.A.T.S.“ siehst, wie bewertest Du das in der Rückschau?
Michael Patrick Kelly: Ich mache mein persönliches Glück nicht abhängig von öffentlichem Erfolg. Ich habe damals mein persönliches Glück in der Klosterzeit ganz woanders gesucht. Und das habe ich sozusagen mitgenommen. Natürlich freue ich mich extrem über die aktuelle Lage, dass es so gut für mich läuft. Viele Musiker würden sich wünschen, nur eine TV-Show machen zu dürfen, geschweige denn so viele wie ich, ob „Sing meinen Song“ oder „The Voice“. Oder einen Song im Radio zu haben, das ist alles nicht selbstverständlich. Da bin ich extrem dankbar. Aber gleichzeitig weiß ich, dass mein Glück nicht vom Erfolg abhängt. Es ist auch nicht gut für das Selbstwertgefühl, wenn du dich immer davon abhängig machst, was andere denken oder sagen. Man könnte mein Leben in gewisser Weise in drei Kapitel aufteilen: Es gab die ersten 27 Jahre als Kind, Jugendlicher und junger Erwachsener in dieser singenden Familie. Dann gibt es das zweite Kapitel, diese sechs Jahre zurückgezogen im Kloster. Diese Auszeit, in der ich meinen Computer resetten musste. Zu viele Viren und Bugs… Und dann kommt da die Zeit als Soloartist. Im Privatleben bin ich extrem dankbar dafür, meine Frau getroffen zu haben. Das fühlt sich momentan schon wie die beste Zeit meines Lebens an.
Musst Du Dich da manchmal kneifen?
Michael Patrick Kelly: Ja, es ist wirklich so. Aber hey, ich habe auch Tage, an denen ich down oder gestresst bin. Viele Leute sehen nur den Erfolg, aber nicht die die ganze Arbeit, die dahintersteckt.
Die kommt ja mit dem Touren auch auf Dich zu im nächsten Jahr.
Michael Patrick Kelly: Ich bin dann 100 bis 150 Tage im Jahr unterwegs, auf Achse und das ist auch anstrengend. Und ich bin ja keiner 25 mehr, wo der Körper alles mitmacht (lacht).
Wir sind fast ein Alter, ich gehe auch auf die 50 zu. Da fangen dann die Rückenschmerzen an.
Michael Patrick Kelly: Ja, ab 40 meldet sich der Rücken, dann hat man auf einmal Haare in der Nase, so Sachen (lacht). Aber da muss man irgendwie durch.
Der Titel des neuen Albums lautet „Traces“. Dahinter verbirgt sich ja eine interessante Geschichte. Vielleicht kannst Du kurz erzählen, worum es da geht.
Michael Patrick Kelly: An dem Tag, als mein Vater starb, hatte er ein T-Shirt an, auf dem ein Spruch stand: „Viele Menschen treten in dein Leben ein, aber so wenige hinterlassen Spuren“. Auf Englisch heißt Spuren „Traces“. Das ist der Ursprung, die Herkunft dieses Albumtitels. Als mein Vater von uns ging, habe ich mir selbst solche Fragen gestellt: Welche Spuren haben Menschen in meinem Leben hinterlassen? Angefangen mit den Eltern. Welche Spuren möchte ich im Leben anderer hinterlassen? Deswegen gibt es auf diesem Album diesen Song für meinem Vater. Ich bin sehr, sehr dankbar, dass meine Geschwister spontan zugesagt haben, da alle im Chor mitzusingen.
Ein sehr schönes, bewegendes Lied.
Michael Patrick Kelly: Ja, und es ist das erste Mal seit über 20 Jahren, dass so viele Kelly-Geschwister auf einem Song zu hören sind. Also noch mehr als bei der Reunion. Es waren wirklich fast alle dabei und das war wirklich schön, weil ich das Gefühl hatte, es geht hier nicht um Business oder irgendeinen Marketing-Coup. Es geht wirklich um unseren Vater. Um ein musikalisches Denkmal für ihn. Denn mein Vater war auch eine Person, die in der Öffentlichkeit häufig gebasht wurde.
Das war teilweise grenzwertig, es wurde sich häufig über ihn lustig gemacht.
Michael Patrick Kelly: Ja. Es gibt da diesen Film über den Vater der Williams Sisters...
… „King Richard“ mit Will Smith.
Michael Patrick Kelly: Genau. Da hatte Serena Williams gesagt, sie hätten diesen Film auch gemacht, um ein paar Sachen in gewisser Weise richtigzustellen. Das erinnerte mich ein wenig an unsere Situation. Natürlich war mein Vater kein perfekter Mensch, niemand ist perfekt. Aber man muss sich vorstellen, unsere Mutter stirbt plötzlich, und er ist mit neun Kindern allein. Er muss als Vater da durchkommen, ohne großes Geld. Das ist echt hart. Es ging mir einfach darum, mit diesem Song die Werte und die guten Dinge, die er mir mitgegeben hat, also seine Spuren, darzustellen.
Er hat Euch ja das musikalische Grundzeug mitgegeben. Ich meine, diese Musik liegt Euch durch ihn im Blut.
Michael Patrick Kelly: Es war wirklich so. Meine Eltern hatten diesen Traum, die Welt als singende Familie zu bereisen und mit dem Musikmachen Menschen Freude und Hoffnung zu geben. Das haben sie gelebt, auch wenn jedes Ideal auch einen Preis hat. Das mit den Reisen und mit dem Homeschooling war nicht immer einfach. Aber es ist wirklich sehr originär, was sie da geschaffen haben. Das war keine gecastete Band, die sich irgendeine Plattenfirma ausgedacht hat. Kein Konzept, von wegen „Wir machen jetzt eine TV-Serie“ wie die Partridge Family oder so was. Nein, das ist wirklich alles so gewesen wie es rübergekommen ist.
Das ward einfach Ihr.
Michael Patrick Kelly: Wir haben wirklich in einem Doppeldeckerbus gelebt oder auf einem Hausboot und die Songs selbst geschrieben und hatten alle lange Haare (lacht). Ich meine, wenn Leute wie Brian May von Queen oder Eric Clapton, also wirkliche Weltstars, uns respektiert haben, oder wir von Luciano Pavarotti zu „Pavarotti and Friends“ eingeladen wurden, dann war das nicht nur ein Teenie-Phänomen.
Zurück zum neuen Album: Auch der Titelsong „Traces“ geht textlich sehr tief.
Michael Patrick Kelly: Es gibt manchmal Situationen, da bist du an einem Ort, wo du früher mit jemandem warst, der nicht mehr da ist. Da hat man manchmal das Gefühl – so, als wäre diese Person unsichtbar und doch gegenwärtig. Oder du gehst an jemandem vorbei, und die Person trägt ein Parfum, das du noch kennst oder du hörst einen Song, den du mit einer Person verbindest. Das sind so die Traces, die Momente, wo man sich fragt…
Gibt es nicht doch mehr als das, was man sehen kann?
Michael Patrick Kelly: Genau, das ist dann eine unsichtbare Ebene neben der Realität. Ich habe vor Kurzem gelesen, dass unsere Augen und unsere Ohren nur zwei Prozent von dem, was es zu sehen und zu hören gäbe, mitbekommen. Wir können anhand von Messgeräten viel mehr Frequenzen bemessen als unsere Sinne wahrnehmen. In der physischen Welt gibt es auf jeden Fall noch viel mehr, als wir wahrnehmen können. „Traces“ ist ein bisschen diese Reflexion: Du bist weg, aber vielleicht bist du doch da. Alles sehr philosophisch (lacht).
Ich finde diese Gedanken ganz wunderbar. Das Motiv dieser Spuren ist etwas, womit sich die Hörer tiefergehend beschäftigen können. Das gefällt mir wirklich sehr, sehr gut.
Michael Patrick Kelly: Schön, das freut mich. Ein anderer Song geht über zwei Brüder aus Portugal, die einen Ironman gemeinsam gemacht haben, einer im Rollstuhl. Die Blicke zwischen ihnen zeigen, dass der im Rollstuhl den anderen moralisch trägt. Oder ein anderer Song namens „K.H.A.“ (Keep Hope Alive) erzählt von einem Highway Patrol Officer, der in seiner 15-jährigen Dienstzeit 200 Menschen auf der Golden Gate Bridge davon abgehalten hat, von der Brücke zu springen. Solche Geschichten hört man zu selten in den Nachrichten. Es gibt in dieser Welt gute Menschen und gute Nachrichten.
Und nicht nur dieses Angstgetriebene und dieses Panikverbreitende.
Michael Patrick Kelly: Genau, die Berichterstattung in den Nachrichten ist sehr einseitig, hauptsächlich negativ. Aber es gibt viele gute Nachrichten und viele gute Menschen. Und über diese Geschichten schreibe ich Songs.
Für die Du natürlich auch recherchieren musst.
Michael Patrick Kelly: Meine Vorbilder sind da Bruce Springsteen und Bob Dylan, die aus Begegnungen mit Vietnam-Veteranen und der politischen Situation in den USA Songs wie „Born in the USA“ oder „Hurricane“ geschrieben haben. Das ist so ein wenig diese Songwriter-Schule, in der ich mich so auf meiner kleinen Flamme befinde (lacht). Ich interessiere mich wie ein Journalist für Menschen und ihre Lebensgeschichten und ziehe daraus dann die Inspiration.
Die ziehst Du aber auch aus eigenen Erfahrungen. Du warst mit Mitte 20 damals in Indien in einem Hospiz, richtig?
Michael Patrick Kelly: Ja, ich erwähnte es ja schon, das war die erste Phase: Mit Anfang, Mitte 20 lebte ich auf Schloss Gymnich, diesem ehemaligen Staatsgästehaus der Bundesrepublik, mit Bodyguards, Hausangestellten und einem Privatkoch. Das war der Peak meiner damaligen Karriere, aber innerlich war ich nicht glücklich. Ich suchte nach etwas anderem und bin dann ins andere Extrem gekommen. Ich bin nach Kalkutta geflogen, wo eine halbe Million Menschen auf der Straße wohnen, so richtig in Armut und Elend. Da habe ich als Volunteer über mehrere Wochen in einem Hospiz gearbeitet. Das hat mein Herz verändert, denn diese Erfahrung hat tiefe Spuren hinterlassen, die ich auch in einem Song auf dem neuen Album verarbeitet habe, der „Calcutta Angel“ heißt.
Worum genau geht es darin?
Michael Patrick Kelly: Es gab eine Situation damals, als ich meine Gitarre dabeihatte. Du musst Dir das so vorstellen: Dort war ein großer Saal, der mit Liegen gefüllt war. Auf denen lagen Männer, die waren nur Haut und Knochen. Die meisten von ihnen starben, manche bekamen noch die Kurve durch Medikamente, Essen und Hygiene. Als Volunteer musste ich diese Menschen waschen, sie tragen, sie pflegen. An jenem Tag wurde ich gebeten, etwas zu singen. Da habe ich die Gitarre ausgepackt und angefangen zu singen. Auf einmal wurden diese halbtoten Menschen lebendig, sie richteten sich auf, saßen, standen teilweise, sie fingen an zu lächeln, dann lachten sie und fingen an, zu klatschen. Und irgendwann wollte einer von ihnen meine Gitarre und sang dann Bob-Marley-Songs. Mitten in diesem Ort des Todes wurde das Leben auf einmal durch die Musik wieder präsent. Nebenan gab es einen Saal, in dem die Frauen lagen. Die haben das dann mitbekommen, und dann gab es ein Riesengeschrei, sodass ich rüber gegangen bin. Ich fing auch dort an zu singen und zu spielen. Eine der Frauen fing dann an, völlig aus dem Takt mit zu klatschen, was wiederum die anderen so lustig fanden, dass auf einmal alle gelacht und geklatscht haben. Das war ein wunderschöner Moment. Das sind diese Erfahrungen, die zeigen, welche universelle Botschaft die Musik hat.
Und das weltweit.
Michael Patrick Kelly Wenn man eine schöne Melodie hört, dann ist es egal, in welchem Land du bist. Das bewegt jeden irgendwo. Diese Menschen in Kalkutta haben, ohne die Worte zu verstehen, die Liebe gespürt. Das schafft die Musik.
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