24.11.2025 Im Interview

Bereit für den Mond mit Matthias Maurer

Matthias Maurer ist Astronaut der ESA und bereitet sich derzeit auf eine Mission zum Mond vor. In seinem neuen Kinderbuch „Training für den Mond“ beschreibt er anschaulich und für Kinder gut nachvollziehbar, wie sein Training für die Mission aussieht. Mit prisma hat er über das Buch und die vielen spannenden Facetten seines Berufs gesprochen.

prisma: Was denken Sie, wenn Sie nachts vor die Tür gehen und in den Himmel hochgucken?

Matthias Maurer: Also jedes Mal, wenn ich den Mond sehe, dann habe ich so ein bisschen Gänsehaut, weil ich wirklich den Traum habe, dorthin zu fliegen. Und ich denke, dieser Traum ist greifbar nahe.

Sie waren nicht von Anfang an auf dem Weg, Astronaut zu werden, Sie haben Materialwissenschaften studiert. Wie ist es dazu gekommen, dass Sie doch noch Astronaut geworden sind?

Ich komme aus dem Saarland aus einer ländlichen Ecke. Das ist recht nah an Rammstein, der amerikanischen Luftbasis, etwa 50 Kilometer Luftlinie. Als ich Kind war, gab es ziemlich viel Tiefflugtraining der Düsenjäger dort. Ich fand das immer spannend und dachte: Hey, die dort oben, die können die Welt aus der dritten Dimension sehen – ich möchte mal Pilot werden. Das war mein Kindertraum. Aber, dass ich mal Astronaut würde… Ich habe das zwar mitverfolgt im Fernsehen und fand das total klasse. Aber für mich waren Astronauten amerikanische Supermänner. Ich kam nie auf die Idee, mir aktiv diesen Traum zu gönnen: „Ich will Astronaut werden!“ Für mich ist der Wunsch, Astronaut zu werden, ein Erwachsenentraum. Aber das ist eigentlich schon die Hauptbotschaft an die Kinder: Zukunft wird hier genauso gemacht, wie in Amerika oder sonst wo auf der Welt. Ihr dürft alle Träume haben! Und je größer euer Traum ist, desto besser, denn nur wer einen großen Traum hat, der kann sich auch einen großen Traum in Erfüllung gehen lassen.

Und die Frage war ja: Wie kam das? Irgendwann setzt zwischen dem Kindheitstraum und dem Übergang zum Erwachsenenwerden die Realität ein. Man denkt, ich studiere jetzt was Seriöses, werde Ingenieur. Im Studium habe ich mir den Wunsch erfüllt, Pilot zu werden. Da habe ich Segelflug über einen Studentenverein gemacht, das war ganz toll. Irgendwann habe ich in den Nachrichten gesehen, dass die ESA Astronauten sucht, und da habe ich überlegt: Was macht eigentlich ein Astronaut? Damals habe ich verstanden, Astronauten sind heute keine Testpiloten mehr, die ganz tollkühnen Männer, sondern das sind Wissenschaftler. Wir fliegen ins All, um zu forschen. Ich war Forscher zu dem Zeitpunkt, aktiv in Forschung und Entwicklung. Was erforschen wir im All? Werkstoffe, neue Materialien. Und man macht Experimente am Menschen, weil der menschliche Körper sich dort oben verändert. Das heißt, Medizin ist auch wichtig. In meinem Zivildienst war ich Rettungssanitäter und war zu diesem Zeitpunkt in einer Forschungsabteilung für medizinische Komponenten. Das war mir dann auch noch mal sehr, sehr nahe. Außerdem machen wir viel Forschung mit Flüssigkeiten, weil Flüssigkeiten sich in der Schwerelosigkeit ein bisschen anders verhalten als hier auf der Erde. Und auch das war Teil meines Jobs. Da habe ich gedacht: Eigentlich decke ich ja schon 80 Prozent der Forschungsthematik auf der ISS mit meinen Vorkenntnissen ab.

Das nächste ist: Astronauten müssen in einem internationalen Team arbeiten. Das heißt, man muss offen sein, Neues zu lernen, mit Menschen in anderen Sprachen zu kommunizieren, man darf keine Angst haben vor kulturellen Unterschieden. Das war auch etwas, was mir sehr nahe liegt, weil ich in meinem Studium ein paar Auslandsaufenthalte hatte. Ich habe sowohl in Frankreich, in Spanien, in England als auch in Deutschland studiert. In Korea habe ich Praktika gemacht, ebenso in Südamerika. Das fand ich total bereichernd, weil sich in der Zusammenarbeit so viele neue Blickwinkel ergeben, die man mit seiner eigenen Brille gar nicht so auf dem Schirm hat. Da habe ich gedacht, okay, das ist top. Und natürlich noch das Abenteuer. Schließlich habe ich gesagt: Gut, eigentlich decke ich schon viel ab – vielleicht habe ich ja eine Chance. Dann habe ich mich beworben.

Und das hat dann zum Glück am Ende geklappt.

Genau. (lacht)

Wie sind Sie auf die Idee gekommen, Kinderbücher über Ihren Beruf zu schreiben?

Der eine oder andere Leser kennt vielleicht mein Buch „Cosmic Kiss“ über die ISS-Mission. Das ist ein Spiegel-Bestseller geworden und dazu habe ich auch eine Buchtour gemacht. Bei den Vorträgen habe ich immer viele Kinder gesehen. Das Buch hat ungefähr 400 Seiten, alles nur Text. Da habe ich gedacht, die armen Kinder. Die haben tolle Fragen, die brennen total dafür. Aber das Buch ist eigentlich eher erst ab etwa zwölf Jahren geeignet. Ich hatte den Gedanken: Irgendwas muss ich für die Kinder machen. Da kam Tessloff auf mich zu. Ich hatte schon während meiner Mission ein bisschen Tessloff-Material im All dabei, so einen schönen Planeten, mit dem ich Sachen erklärt habe. Der Verlag hat vorgeschlagen, zusammen ein Kinderbuch zu machen. Das passte ideal, denn als ich selbst Kind war, war das allererste Buch, das mich für das Thema Weltraum fasziniert hat, „Was ist was – Der Mond“. In dem Moment war für mich klar, dass sich ein Kreis schließt, da hatte ich direkt ein gutes Gefühl. So kam es zum ersten Buch „Mission im Weltraum“. Das ist ein Comic, in dem die Mission, die ich auf der ISS geflogen bin, für Kinder aufbereitet worden ist, von vorne bis hinten. Das Buch war ein Volltreffer. Deshalb hat Tessloff vorgeschlagen, noch eins zu machen. Da habe ich gesagt: Okay, dann machen wir „Training für den Mond“, weil das genau das ist, woran wir gerade arbeiten. Das ist zwar ein Kinderbuch, aber ich verrate, glaube ich, kein Geheimnis, wenn ich sage, dass Erwachsene die „Was ist was“-Bücher genauso spannend finden. Dieses Buch hilft uns zum Beispiel auch, die Luna-Anlage besser zu erklären.

Kann man die Luna-Anlage besuchen kommen?

Jein. Diese Anlage läuft jetzt seit einem Jahr und ist ein absoluter Erfolg. Wir haben fast keine Woche, wo keine Kampagne läuft. Die Wissenschaftsteams, die Studententeams, die rennen uns die Bude ein. Wir haben schon viele Termine für nächstes Jahr vergeben, die sind immer schnell ausgebucht. Es kommen natürlich auch Leute, die uns besuchen wollen, für die Öffentlichkeit geht das aber nur im Rahmen einer DLR-Geländeführung. Die sind aber meist sehr lange im Voraus ausgebucht.

Was ist aus Ihrer Sicht die wichtigste Eigenschaft, wenn man Astronaut ist? Sie hatten schon angedeutet, dass es gut ist, wenn man offen und neugierig ist?

Ja, neugierig muss man sein. Nicht in dem Sinne, dass man vorwitzig ist. Man sollte weltoffen und interessiert sein. Es ist gut, wenn man Dinge hinterfragt, etwas erleben will, Dinge wissenschaftlich verstehen möchte. Und es ist wichtig, dass man keine Angst hat, mit anderen Menschen aus anderen Sprachräumen oder aus anderen Kulturkreisen zusammenzuarbeiten. Ich glaube, man muss ein Mensch sein, der offen ist, und wirklich auch sagt: Ich habe keine Angst. Es gibt viele, viele offene Fragezeichen. Aber es gibt auch viele Menschen, die einem helfen, den Weg zu finden. Es ist alles machbar. Es mag ein großer Schritt sein am Anfang, wenn man sich mit der Sache gar nicht auskennt. Und irgendwann steigt man in eine Rakete und fliegt ins All. Aber da wird man hingeführt. Astronaut sein, ist gar nicht schwer. Astronaut zu werden, ist schwer, weil es viele andere gibt, die auch diesen Traum haben. Aber nur deswegen. Die Ausbildung – das ist alles machbar. Vor 100 Jahren haben die Leute in den Himmel geschaut und haben gedacht, wer da in so einer Knatterkiste rumfliegt, der muss lebensmüde sein. Vor 100, 120 Jahren fingen wir an mit dem Fliegen. Und jetzt fliegen wir schon ins All. In nochmal 120 Jahren steigen wir in Raketen, wie wir heute in Flugzeuge steigen. Und dann werden wir wahrscheinlich lachen und sagen: Was? Die haben damals ein Jahr lang Auswahlverfahren gemacht, drei Jahre Training?

Haben Sie das Gefühl, dass sich Ihr Blick verändert hat, nachdem Sie im All waren?

Ja, ganz eindeutig. Als Wissenschaftler lernt man viel und hat die Dinge auch mit dem Kopf verstanden. Aber wenn man oben ankommt und das erste Mal die Erde von außen sieht und weiß: Jetzt bin ich ein Außerirdischer… Vor einem liegt das große Weltall. Da ist alles schwarz, überall Vakuum, keine Luft, Strahlungsbelastungen. Und unter einem ist dieses Paradies Erde. Der einzige Platz, an dem Menschen leben können, ohne Extra-Schutz. Wir können vor die Tür gehen und müssen nicht extra einen Raumanzug anziehen. Das kommt einem als Astronaut direkt ein bisschen komisch vor, dass das auf unserem Planeten funktioniert. (lacht) In dem Moment erkennt man, was für ein Paradies die Erde ist. Es gibt aber auch den Gedanken: Was tun wir dort unten alles auf der Erde, was schlecht ist für diese Atmosphäre? Vom Raubbau an der Erde, von den Emissionen, die wir in die Atmosphäre reinblasen, bis hin zu den Kriegen, die wir unten anfangen. Keinem Astronauten würde die Idee kommen, sein eigenes Raumschiff kaputt zu machen. So ein Raumschiff funktioniert nur, wenn wir alle als Team arbeiten. Der Planet Erde ist eigentlich auch nur ein Raumschiff, ein super Raumschiff, wo alles vorhanden ist, was man braucht – mit acht Milliarden Astronauten. Das alles schießt einem in Sekundenbruchteilen durch den Kopf. Und dann hat man mit dem Herz verstanden, was man vorher eigentlich nur mit dem Kopf verstanden hatte.

Es gibt neben Ihnen noch weitere Kandidaten für die Mondmission. Wie sicher ist es, dass sie dabei sein werden?

Momentan sind wir fünf aus Europa, die auswählbar für eine Mondmission sind. Aber die Mondmission, das ist nicht die eine Mission wo man ausgewählt wird, oder eben nicht, sondern wir als ESA sind ein Partner der NASA. In den Kooperationsverträgen haben wir jetzt schon drei Flüge fest vereinbart. Das heißt, drei von uns fünf schon können sich schon freuen. Aber die drei sind noch nicht ausgewählt. Daher freuen wir uns momentan noch alle. (lacht) Aber das ist ja nur der Anfang, das geht weiter. Man muss sich die Mondexploration heute anders vorstellen als zur Apollo-Zeit. Damals hieß es, wir wollen schneller sein als die Sowjetunion. Dann hat man gemerkt, dass das alles doch sehr teuer ist. Das Ziel, dass wir schneller sind, haben wir erreicht. Thema erledigt. Heute wollen wir nicht wegen eines Wettlaufs dorthin. Ja, es gibt jetzt wieder ein bisschen Wettlauf mit China. Aber das ist nicht der Hauptgrund, sondern der Hauptgrund ist, dass der Mond – das wissen wir mittlerweile – viel mehr zu bieten hat. Wissenschaftliche Erkenntnisse, Technologie, das, was wir über unsere Erde, unser Sonnensystem, über das Universum dort lernen können. Der Mond ist eine ideale Forschungsplattform, Technologie zu entwickeln und dann später Richtung Mars zu fliegen. Ich vergleiche das immer mit der Antarktis: Früher sind die Leute vielleicht dorthin gegangen, weil sie beweisen wollten, sie sind die Ersten, die zum Südpol kommen. Dann war das Rennen entschieden. Aber wenn man heute guckt, es gibt so viele Forschungsstationen in der Antarktis, die größte hat im Sommer weit über 1000 Mitarbeiter. Die Frage ist: Warum? Weil es dort viel zu lernen, viel zu erfahren gibt über den Planeten Erde, über das Klima und über die Vergangenheit. Und genauso wird der Mond sich entwickeln. Am Anfang werden wir erst mal nur hinfliegen und wieder zurückfliegen. Aber irgendwann werden wir dort ein Haus bauen, eine kleine Forschungsstation. Dann sind wir vielleicht mit vier Astronauten dort und forschen für eine gewisse Zeit. Wir werden viele Dinge lernen und feststellen, dass wir eigentlich länger bleiben müssen und mehr Instrumente brauchen. Irgendwann werden wir dort viele Forschungsstationen haben. Dann haben wir vielleicht eine europäische Mondstation, eine chinesische, eine amerikanische, eine japanische und so weiter. Das wird alles wachsen. Das heißt, es wird auch immer mehr Flüge geben. Das ist also kein Rennen, wo drei von den fünf Glück haben werden, und die anderen fallen hinten runter, sondern die neue Generation an Astronauten, die wir jetzt ausgewählt haben, die fliegen erst einmal zur ISS. Und dann kommen die dazu und werden auch Richtung Mond fliegen.

Das heißt, Sie können alles ganz entspannt angehen und da ist keine große Konkurrenz zwischen den Kandidaten?

Da ist natürlich schon ein bisschen Wettbewerb. Man möchte natürlich direkt am Anfang mit dabei sein. Aber es ist wichtiger, dass wir als Team agieren.

Aber Sie schubsen den Alexander Gerst nicht beim Helikopterfliegen zur Seite… (lacht)

Nein, nein, nein. (lacht) Stimmt, wir saßen zusammen im Helikopter, das war auf Social Media zu sehen. Das war in Zusammenarbeit mit der Bundeswehr und sehr spannend.

Abgesehen von den Sachen, die im Buch erklärt sind – was trainieren Sie noch alles?

Das gerade angesprochene Helikoptertraining ist noch nicht dabei gewesen im Buch. Und wir müssen natürlich immer Auffrischungstraining haben, also Geologietraining. Das geht immer weiter. Dann ist da die Technologieentwicklung in der Luna-Halle, das ist im Buch ganz kurz gehalten. Aber wir haben momentan jede Woche Kampagnen laufen, wo neue Technologie getestet wird, da bin ich involviert. Unser Raumanzug muss besser werden, da leite ich Projekte bei der Auswahl von neuen Materialien, neuen Geräten. Die Luna-Anlage ist noch nicht ganz fertig. Im Buch ist zum Thema Schwerkraft zu lesen, dass wir an Seilen hängen. Das ist ein Prototyp, der ständig verbessert wird. Dann haben wir die Rampe, damit wir hoch- und runterlaufen können, die ist auch nicht hundertprozentig fertig. Der Sonnensimulator muss verbessert werden. Da kann man viel Fine-Tuning machen. Auch mit der virtuellen Realität, dass wir im Anzug VR-Brillen tragen, sind wir am Anfang, das hat viel Potenzial. Es ist eine Mischung zwischen Training und Technologieentwicklung. Alles, was wir jetzt an Technologie effizienter entwickeln können, das hilft uns später auf dem Mond, damit wir mehr Dinge in kürzerer Zeit erledigen können.

Diesen Roboterhund aus dem Buch, den gibt es auch schon wirklich?

Ja, das war kein Witz. Den hatten wir schon bei der Einweihungsfeier dabei. Der heißt auch wirklich Spot und ist von Boston Dynamics. Wir haben noch andere Roboter in Entwicklung. Es gibt ganz verschiedene Konzepte. Es gibt viele Roboter, die haben Räder, die sind gut im Flachen. Wenn ich aber ein Lavagebiet habe, wo es wirklich ganz schwer ist, darüber zu rollen, dann brauche ich sowas wie Tiere. Dann haben wir Höhlen, da werden wir Spinnenroboter reinschicken. Es gibt auch Schlangen als Roboter, also richtig viele coole Sachen.

Haben Sie eigentlich vor irgendwelchen Sachen Angst, oder trainiert man sich das ab? Zum Beispiel wenn es in Höhlen geht oder in anderen Extremsituationen.

Es gibt Momente, da habe ich schon sehr viel Respekt, und denke, wie viel Sicherheitspuffer haben wir jetzt noch. Aber die ESA hat normalerweise die besten Trainer, die besten Experten involviert. Bei den Trainingseinheiten, die wir machen, erkennt man im Nachhinein meist, dass die sehr sicher und ordentlich organisiert und aufgebaut sind. Man macht Riesenschritte in solchen Trainingseinheiten. Am Anfang hat man vielleicht das Gefühl, das ist sehr riskant. Aber wenn man es einmal gemacht und dann auch verstanden hat, wie alles aufgebaut wurde, sieht man, eigentlich war das Risiko sehr gut kontrolliert.

Was würden Sie Kindern raten, die sich für den Weltraum, für den Mond, für Astronauten interessieren? Wie sollten die es am besten anstellen, damit es nachher beruflich in die richtige Richtung geht?

Als Kind soll man träumen und neugierig sein. Man sollte sich informieren und das als Beruf wählen, was man wirklich machen möchte. Der Beruf des Astronauten ist leider nicht planbar. Selbst einem Kind, das von jetzt bis nach dem Studium alles perfekt macht, kann man keine Garantie geben, dass es den Job des Astronauten später auch bekommen wird. Also wenn ich Ingenieur, Ärztin oder Lehrer werden will, dann kann ich das besser kontrollieren. Für den Astronauten ist es leider noch so, dass es viele Kandidaten und ganz wenige Tickets gibt. Da ist der Faktor Glück noch sehr groß, dass man dann auch ausgewählt wird. Man darf also nicht alles auf eine Karte setzen, sondern meine Botschaft wäre: Folgt eurem Herzen, macht das, woran ihr Spaß habt. Nur wenn ihr Spaß in eurem Job habt, dann seid ihr auch richtig gut. Und um als Astronaut ausgewählt zu werden, muss man gut sein. Es gibt keine falsche Berufswahl. Ich war Werkstoffwissenschaftler vorher, von meinen Kollegen sind manche Mediziner, andere sind Piloten, Ingenieure oder Wissenschaftler. Es gibt viele Berufe, die man braucht und die einem die Möglichkeit offenlassen, Astronaut zu werden. Also am besten ergreift man den Beruf, den man eh machen möchte, und schielt dann ein bisschen Richtung Raumfahrt. Und wenn man die Chance bekommt, bewirbt man sich.

Wann fängt eigentlich bei einem Flug ins All der Start-Countdown an? Man kennt immer das Ende vom Countdown, wenn die Rakete startet. Aber ab wann wird heruntergezählt?

Sobald man in die Rakete einsteigt, läuft auf dem Monitor schon die Zeit. Dann heißt es, noch so viel Zeit bis zum Start, meist sind es eine oder zwei Stunden vor dem Start, in denen die Uhr schon läuft. Dieser Countdown wird auch manchmal zwischendurch angehalten, aber das ist dann geplant. Es gibt gewisse Phasen, wo es vorgesehen ist, dass man eine kurze Unterbrechung einschiebt, als Zeitpuffer. Das heißt, wenn es anhält, dass dann nicht irgendwas kaputt ist, sondern es ist ein „planned hold“. Dann haben nur die Ingenieure einen Puffer eingeplant, wo sie mehr Zeit haben. Bei der Betankung ist das oft so. Dabei müssen Ventile geöffnet werden. Der Sprit läuft in die Tanks rein, und der ist eiskalt. Manchmal kleben die Ventile dann und gehen entweder nicht auf oder nicht zu. Da muss man etwas Puffer haben, um die Ventile zu schalten.

Da bleiben Sie aber ganz entspannt, wenn das passiert, oder machen Sie sich dann Sorgen?

Wenn man in der Rakete sitzt, die vorher leer ist, und dann machen sie die Ventile auf und das Ding wird befüllt, da denkt man, das ist ein Monster, das lebt. Das fängt an zu knacken, zu knistern, laute Geräusche zu machen. Man denkt, was ist denn da los? Früher ist man immer in eine vollgetankte Rakete eingestiegen, da hat man das nicht mitbekommen. Mit SpaceX haben sie das Verfahren geändert: Man steigt in eine leere Rakete und die wird dann betankt. Metall dehnt sich mit Hitze aus oder schrumpft, wenn es kalt wird. Und deswegen ist das eine richtige Soundkulisse. Die ersten Astronauten, die das da mitbekommen haben, waren super verunsichert, ob das alles so richtig war. Seitdem gehört es zur Ausbildung dazu, dass man einmal so ein Audiofile hört, wie sich eine Rakete beim Betanken anhört, um zu wissen, dass es sich seltsam anhört, aber normal ist.

Warum hat man das Verfahren geändert und betankt jetzt, wenn die Leute drin sind?

SpaceX betankt die Rakete mit supergekühltem Treibstoff, weil gekühlter Treibstoff dichter ist, dann kann man zwei Prozent mehr Treibstoff in die Rakete packen. Das bedeutet auch, dass man zwei Prozent mehr Nutzlast mitnehmen kann. Wenn man die Rakete vorher betankt, dann erhitzt sich der Treibstoff, und man verliert die zwei Prozent. Die machen also eine Druckbetankung und dann wird sofort gestartet. Wenn man sich überlegt, dass so eine Rakete zu 95 Prozent aus Treibstoff besteht, dann ist zwei Prozent an Nutzlast mehr rauszuholen ein Riesensprung.

Wie lange dauert es noch bis zum ersten möglichen Starttermin für die Mondmission?

Das hat die ESA leider nicht in der eigenen Hand. Im Frühjahr nächsten Jahres ist die Artemis 2-Mission angesetzt, da fliegen zwei Amerikaner und ein Kanadier. Wenn diese Mission ein Erfolg ist, dann geht es direkt Richtung Artemis 3-Mission weiter. Die ist momentan noch als Landemission auf dem Mond geplant. Aber wenn man die Diskussion ein bisschen verfolgt, sieht man, bei der NASA fehlt es noch an einer Landefähre. Es ist momentan die Überlegung, dass es mit SpaceX mit dem Starship erfolgt. Wir sind ein bisschen hinter dem Zeitplan, da muss man mal gucken. Also an Europa liegt es definitiv nicht. Aber vielleicht gibt es zwischen der Mondlandemission und der jetzigen Mission, die einmal um den Mond herumfliegt, noch andere Mondmissionen, wo wir dem Mond ein bisschen näherkommen oder auch diese Station im Mondorbit aufbauen. Auf jeden Fall, würde ich sagen, wird sich in den nächsten fünf Jahren sehr viel tun.

Was war für Sie bisher das Schönste an so einem Flug?

Der Flug ist total toll! Man wird in den Sitz gepresst und beschleunigt, aber innerhalb von zwölf Minuten ist es schon vorbei. Die Beschleunigungsphase dauert sogar nur achteinhalb Minuten. Wenn alles planmäßig gelaufen ist, und die letzte Stufe der Rakete abgekoppelt wird, wo wir dann nur noch mit der Kapsel entspannt weiterfliegen ... Sobald die Systeme einmal gecheckt sind, darf man sich losschnallen, den Raumanzug ausziehen. Dann können wir in der Kapsel schweben. Es ist eine kleine Kapsel, aber sobald wir schwerelos sind, ist dieser Raum auf einmal größer, weil wir dann oben und unten völlig schwerelos jede Ecke erreichen können. Schwerelosigkeit ist ein bisschen wie unter Wasser als Taucher, dass man jede Position einnehmen kann. Aber schon mit einem kleinen Fingertipp gegen die Wand schwebt man weg. So ein bisschen, wie man sich vorstellt, wie ein Schmetterling sich fühlt. Also totale Freiheit.

Die Eichhörnchenklasse der KGS Barbaraschule in Pulheim hat das Buch gemeinsam gelesen. Die Zweitklässler durften nach der Lektüre Fragen an Matthias Maurer stellen, darunter beispielsweise diese: Kann man aus dem Weltall auch Sternbilder sehen?

Ja, kann man. Aber auf der ISS, wo ich war, haben wir tolle Fenster Richtung Erde. Das heißt, wir können besonders gut die Erde sehen. In die andere Richtung, Richtung Nachthimmel haben wir gar keine Fenster. Das war ein bisschen schade. Deswegen konnte ich nicht in diese Richtung gucken, sondern meistens nur knapp an der Erde vorbei. Aber die Erde leuchtet dann so hell, dass man die Sternbilder von der ISS aus gar nicht so viel besser als von der Erde aus sieht. Es gibt nur einen großen Unterschied, und der besteht darin, dass, wenn man außerhalb der Atmosphäre ist, die Sterne nicht mehr flimmern, sondern fest sind. Die leuchten also wie feste Punkte.

"Was ist was. Training für den Mond“
von Matthias Maurer, Sarah Konrad, Noa Sauer (Illustration), Tessloff Verlag, 112 Seiten, 16,95 Euro, ab etwa acht Jahren
ISBN: 978-3-7886-8656-7