09.02.2016 prisma-Serie (6)

Der Traum vom Methusalem

Von Detlef Hartlap
Möge es doch ewig so bleiben: Wellnessbäder sind der Jungbrunnen unserer Tage.
Möge es doch ewig so bleiben: Wellnessbäder sind der Jungbrunnen unserer Tage. Fotoquelle: B2M Productions/Getty Images

Alt und älter zu werden ist eine Art Volkssport geworden. Die Alten von früher träumten von Unsterblichkeit.

Statistisch sieht die Sache gut aus. Die Menschen werden immer älter. 100 Jahre sind keine magische Grenze mehr. Selbst die Durchschnittswerte nähern sich allmählich dieser Marke an.

Was vor Jahrzehnten noch sagenhaft war und als ein Alter von fast schon methusalemschen Dimensionen galt (Methusalem soll mit 187 Jahren noch einen Sohn gezeugt haben), rückt in den Bereich heimlicher Hoffnungen. Seit 1990 ist die Lebenserwartung weltweit von 65,3 auf 71,5 Jahre angestiegen.

Die "Global Burden Disease Study" der Bill-&-Melinda-Gates-Stiftung sagt voraus, dass die Geburtsjahrgänge ab 1990 noch einmal um 6,6 Jahre (Frauen) und 5,8 Jahre (Männer) älter werden können. Mancherorts lebt man heute schon länger.

Wir haben in früheren Folgen dieser Serie Inseln wie Ikaria, Sardinien und Okinawa besucht, wo ein körperlich aktives Leben sowie der grundsätzliche Verzicht auf Reduzierung der Arbeit im sogenannten Ruhestand ausnehmend viele Menschen über 100 Jahre alt werden lässt.

Gleichzeitig hat sich der Glaube an bestimmte Tinkturen und Wässerchen gehalten. Der Koran (Sure 18, 60–64) erwähnt den Jungbrunnen als Quelle des ewigen Lebens. In der Christenheit blieb er stets als eine Hoffnung gegenwärtig, welche die Hoffnung auf ein glückliches Dasein im Jenseits noch übertraf.

Blühende Wellnesskultur

Sind wir heute darüber hinaus? Die blühende Wellnesskultur mit all ihren Heils- und Glücksversprechen ist der Gegenbeweis. Das Bad in gehaltvoller Quelle wird zwar nicht mehr mit Jungbrunnen in einem Atemzug genannt, doch die damit verbundenen Hoffnungen unterscheiden sich wenig. Es geht um schöne, jugendlich straffe Haut, um geschmeidige Gelenke, um kraftvoll schlagende Herzen, verbunden mit gesteigerter Libido und unverwüstlicher Sexualkraft.

Immerhin, dank der Vielzahl von Wellness-Einrichtungen muss man sie heute nicht mehr konkret suchen, die eine und einzige Quelle des ewigen Lebens, so wie es 1521 der spanische Konquistador Juan Ponce de León in Amerika machte. Er folgte einer alten Legende, wonach sie im damals noch sehr entlegenen Florida zu finden sei. Inzwischen ist sie leicht zu erreichen. Das vermeintliche Heil entspringt in einem Kaff namens Punta Gorda in Floridas Charlotte District.

Seit langem weist kein Schild mehr darauf hin, dass mit dem Wasser vor Zeiten absonderliche Vorstellungen verbunden waren, im Gegenteil: "Trinken auf eigene Gefahr" warnt eine Tafel. Schlimmer noch, der Gehalt an Radioaktivität übersteige den Grenzwert der US-Umweltschutzagentur. Vermutlich ist man in jeder deutschen Wellness-Einrichtung gesünder aufgehoben.

Juan Ponce de León hat Punta Gorda übrigens nie erreicht. Er starb in seinem 47. Jahr in Havanna auf Kuba.

Elixiere ewigen Lebens

Die Möglichkeit der Unsterblichkeit war auch im religiösen Taoismus des alten China eine Verheißung. Dort träumte man nicht von einer bestimmten Quelle, sondern von bestimmten Inseln. Tausende von Unsterblichen lebten auf ihnen und kultivierten ungemein heilkräftige Kräuter und Gräser ...

Doch obwohl mehrere Kaiser der Han-Dynastie (206 v. Chr. bis 220 n. Chr.) Expeditionen zur Suche dieser Eilande entsandten, konnten die Elixiere des ewigen Lebens nie ausfindig gemacht werden.

Sie existieren nicht, weder in Pflanzennoch in der heute verbreiteten Pillenform. Aber ein gutes aktives Altern wie auf Sardinien, Ikaria oder Okinawa sollte für jedermann möglich sein. Mehr dazu in der nächsten Folge unserer Serie.

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