02.08.2021 Reisetipps

Das Gartenjahr am Bodensee 2021

Von Christine Zacharias
Der Besuch der Insel Mainau mit ihrem malerischen Schloss und den wunderschönen Grünanlagen lohnt sich ganzjährig.
Der Besuch der Insel Mainau mit ihrem malerischen Schloss und den wunderschönen Grünanlagen lohnt sich ganzjährig. Fotoquelle: Insel Mainau/Peter Allgaier

Es hätte nicht viel gefehlt, und die ersten Renaissance-Gärten wären vielleicht nicht in Italien, sondern am Bodensee entstanden. Ein Bücherraub aus dem Kloster St. Gallen war schuld: Dort lag über viele Jahrhunderte das einzig erhaltene antike Werk über Gartenkunst, an das später in der Renaissance angeknüpft wurde, unbeachtet im Regal. Im 15. Jahrhundert wurde das grundlegende Werk aus der Feder von Vitruv heimlich nach Italien gebracht - mit den bekannten Folgen.

Der Bodensee konnte den Verlust jedoch verschmerzen: Die Region stellt heute dennoch eine der reichsten und vielfältigsten botanischen Landschaften in Europa dar. Dabei lässt sich die gärtnerische Tradition am "Schwäbischen Meer" sogar bis die Antike zurückverfolgen. Und auch die berühmte mittelalterliche Gartenkunde des Mönchs Walahfrid von Strabo aus dem 9. Jahrhundert wurde hier, auf der Insel Reichenau, verfasst.

In diesem Jahr lohnt der Besuch des Bodensees Region ganz besonders, nicht nur für Gartenfreunde: Gleich zwei Gartenschauen, nicht weit voneinander entfernt, laden bis in den Oktober zum Besuch ein. Weswegen das Jahr 2021 auch passenderweise zum "Gartenjahr Bodensee 2021" ausgerufen wurde. Und wenn man schon einmal dort ist, sollte man die vielen weiteren Gärten, Grünanlagen, Parks - mal als offene Gärten, mal als verborgene grüne Oasen – auf keinen Fall links liegen lassen. Allen voran natürlich die Blumeninsel Mainau.

Seit acht Jahren sind die bedeutendsten Parks und Gärten in dem grenzübergreifenden Netzwerk „Bodenseegärten“ zusammengeschlossen, mit 49 Mitgliedsbetrieben inzwischen. Ein wichtiges Ziel der Initiative ist die Verbreitung der Idee des ökologischen Gärtnerns. Doch kann man gemeinsam so auch mit einer Stimme sprechen (EU-Fördermittel gibt es nicht), was der Gemeinschaft unter anderem über die Corona-Krise hinweg geholfen und das Gartenjahr Bodensee trotz dieser Durststrecke möglich gemacht hat.

Lindau

Bester Seeblick für rund 800 Pkw? Das muss nicht sein, dachten sich die Organisatoren der bayerischen Gartenschau Lindau 2021. Geschaffen haben sie anstelle des Parkplatzes, etwas worüber das malerische mittelalterliche Städtchen auf der Insel im See trotz all seiner Sehenswürdigkeiten bisher nicht verfügte: einen Gartenstrand unter schönen alten Bäumen, der als Bürgerpark mit sonnigen Uferstufen, einem angrenzenden Skaterpark, einer Boulder- und einer Beachvolleyballfläche sowie einer großen grünen Wiese dauerhaft erhalten bleiben wird. Auch eine schöne Promenade ist im Zuge der Gartenschau entstanden, die es in Lindau so ebenfalls vorher nicht gab - mit herrlichen Ausblicken auf die Silhouette der nahen Alpen. Im "Gartenstrand" sind während der Gartenschau nicht nur viele schöne Blumen und Beete zu sehen, sondern es präsentieren 40 Aussteller aus der Region spannende Themenbereiche mit dem Schwerpunkt auf Innovation und Nachhaltigkeit.

Warum nicht in einem kleinen Gewächshaus mit Seeblick auf einer bequemen Couch Platz nehmen? Das ist erholsam, nicht nur bei Sommergewitter. Der Renner vor allem bei Kindern ist eine mehrteilige Installation mit bunten Stühlen unter ebenso bunten Duschen, bei der letztere sich immer wieder spontan einschalten. Mit mehreren historischen Eisenbahnwaggons wird auch das angrenzende historische Bahngelände, das aktuell in ein Wohnquartier umgewandelt wird, in die Schau einbezogen. Ein Chagall-Garten, angelehnt an eine aktuelle Lindauer Ausstellung, und viele weitere zauberhafte Verweilorte sowie regionale, nachhaltige Gastro-Angebote ergänzen die Palette. "Dieser Park ist nicht in erster Linie kommerziell angelegt, sondern er soll das Wir-Gefühl in dieser Stadt stärken und ein Treffpunkt für alle sein", sagt Claudia Knoll, Geschäftsführerin der Gartenschau, über den städteplanerischen Ansatz. Bis 10. Oktober 2021. www.lindau.de

Überlingen

"Die Mauer muss weg" - so lautete einer der Ansätze in Überlingen, bei der dortigen baden-württembergischen Landesgartenschau 2021. Dort war es eine Einfallstraße am westlichen Stadteingang nebst langer Betonmauer zum See hin, die zurückverlegt wurde zugunsten eines wunderschönen, sechs Hektar großen Uferparks mit Sandstrand und großer Rasenfläche zum Spielen und Ausruhen für Groß und Klein. Wie in Lindau konnte auch die Landesgartenschau in Überlingen coronabedingt erst mit einem Jahr Verzögerung starten. "Die Pause hat aber nicht geschadet, im Gegenteil, die Gärten sind gut eingewachsen", sagt Edith Heppeler, Geschäftsführerin der Landesgartenschau. Und Gärten und wunderschöne Grünanlagen gibt es in Überlingen in Überfülle, vorwiegend am Seeufer, aber auch über das ganze Stadtgebiet verteilt. Alle sind bequem per Pendelbus zu erreichen. Da knüpft man zu einen in den Villengärten an die mondäne Gartentradition großbürgerlicher Villenbesitzer mit zahlreichen, zum Teil exklusiven Schaugärten an.

Andererseits wurden etwa in den Menzinger Gärten oder den Rosennobelgärten nicht mehr öffentlich zugängliche Grünanlagen und Kleingärten aufwendig gärtnerisch überarbeitet und stehen nun allen Besuchern zumindest für die Gartenschau-Zeit offen. Besondere Kleinode sind die über einen Steg begehbaren schwimmenden Gärten, wo sechs regionale Landschaftsgärtner ihre Ideen von nachhaltiger Gartengestaltung sowie aktuelle Trends präsentieren. Eine offene Bibliothek neben einem historischen Gartenhäuschen vermittelt ein besonders charmantes Flair. Ein umfassendes Veranstaltungsprogramm, zum Teil auf einer eigens geschaffenen temporären Seebühne, runden die Landesgartenschau Überlingen ab. Bis 17. Oktober. www.ueberlingen2021.de

Mainau

Große Namen schwingen bei der Nennung der Insel Mainau mit: Zunächst Fürst Nikolaus II. Esterházy von Galantha (1765 bis 1833), der als Pendant des großen deutschen Gartenbauarchitekten des 18. Jahrhunderts, des Fürsten Hermann von Pückler-Muskau gilt. Esterházy hatte 1827 die Insel erworben und dort eine beeindruckende Gartenlandschaft geschaffen. Mit dem Grafen Lennart Bernadotte, einem Spross des schwedischen Königshauses, wurde die adelige Gartenbautradition auf der Mainau im 20. Jahrhundert fortgesetzt. Ihm hatte sein Vater 1932 die Verwaltung der Insel übertragen, die Lennart als Blumeninsel und touristisches Gartenparadies ausbaute. Seine Kinder Björn und Bettina leiten die heutige Stiftung Mainau GmbH. Doch auch der große Inselpark mit fast 70 festangestellten Gärtnern auf rund 45 Hektar wurde durch Corona über längere Zeit ausgebremst und musste vorübergehend schließen. Jetzt setzen die Boote wieder über und die üppige Pracht kann von den Besuchern wieder bestaunt werden. Sei es die große Artenvielfalt im Arboretum mit den gewaltigen Mammutbäumen, sei es das Schmetterlingshaus, der bezaubernde italienische Rosengarten, der Staudengarten, das Palmenhaus, die Frühlingsstraße, die im Frühjahr zur spektakulären Tulpenallee wird, und, und, und.

Alle zwei Jahre gibt es ein Jahresmotto, das dieses Jahr "Blühende Wasser, schwimmende Gärten" lautet. Bis zum 24. Oktober können diverse Miniteiche mit schönen Wasserpflanzen, interessante Installationen und anderes mehr zum Thema besucht werden. Auch das Veranstaltungsprogramm nimmt nun wieder Fahrt auf: Für August sind allein 15 Konzerte geplant. Bei diesem ambitionierten und vielfältigen Angebot ist man auf der Mainau aber keineswegs abgehoben: Chefgärtner Peter Schober und sein Team beantworten am "grünen Telefon" Fragen von Hobbygärtnern. Übrigens kann die Mainau das ganze Jahr über besucht werden. „"m Winter gibt es hier tolle Lichtstimmungen, da kann man zur Ruhe kommen", empfiehlt Gräfin Bettina Bernadotte. www.mainau.de

Arenenberg

Kaiserlich wird es auf der südlichen, also Schweizer Seite des Bodensees, genauer auf dem Arenenberg bei Ermatingen, einer Anhöhe direkt gegenüber der Insel Reichenau. "Die Gartenbaugeschichte auf dem Arenenberg ist archäologisch 2000 Jahre nachweisbar, denn sie reicht bis in die römische Zeit zurück", berichtet Dominik Gügel, Präsident der Vereinigung der Bodenseegärten, die dort ihren Sitz hat. Gügel ist zugleich Direktor des Arenenberg-Museums. Über einen Zwischenphase als italienischer Renaissance-Garten kam das Areal im 19. Jahrhundert in die Hände der Bonapartes, und damit zog die französische Gartenkultur auf die Anhöhe. Es war Napoleons Stieftochter Hortense de Beauharnais, die 1816 auf den Landsitz zog und diesen durch den Gartenbauarchitekten Louis-Martin Berthault (1770 bis 1823) umgestalten ließ. Berthault hatte auch die königlichen Anlagen ihrer Mutter, der Napoleon-Gattin Josephine, im Schloss Malmaison am heutigen Stadtrand von Paris entworfen.

Der Sohn von Hortense, Louis Napoleon, der spätere Napoleon III., setzte dieses gestalterische Wirken auf dem Arenenberg fort: So entstand, trotz des relativ kleinen Areals von nur 13 Hektar Fläche, eine Art „Garten der Welt“, in dem Mutter und Sohn symbolträchtige Elemente integrierten: unter anderem eine an Versailles erinnernde Grotte, Springbrunnen, grandiose Sichtachsen und nicht zuletzt einem Ableger der Trauerweide von Napoleons Grab auf St. Helena. Der Baum steht heute noch. Bei der Anlage war auch Fürst Hermann von Pückler-Muskau maßgeblich beteiligt, mit dem der junge Napoleon III. befreundet war und mit dem ihn offenbar das "Gärtner-Gen" verband. Der heutige „Kaiserliche Obergärtner“ Daniel Brogler betreut aktuell die Wiederherstellung dieser Parkelemente. Besucher sollten aber unbedingt auch das kleine Schloss selbst besichtigen: Die meisten Salons sind noch in authentischem Zustand wie zur Zeit von Hortense, Napoleon III. und seiner Frau Eugénie. www.arenenberg.chwww.napoleonmuseum.tg.ch

Bischofszell

Was tut man gegen Leerstände in der Stadt? Mann kann urbane Konzepte entwickeln - oder auf den Zauber der Rose setzen. Letzteres haben die Bewohner der mittelalterlich-barocken Stadt Bischofzell im Schweizer Kanton Thurgau auf der Südseite des Bodensees gemacht. Sie besannen sich vor gut 20 Jahren des alten fürstlichen Symbols ihrer traditionsreichen Gemeinde und ließen eine neue Sorte züchten: die Rose „Barockes Bischofszell“, kostenfrei übrigens. Was 2002 klein begann mit einer ersten Bischofszeller Rosenwoche ist inzwischen weit über die Schweiz hinaus bekannt und zieht jährlich rund 60.000 Besucher an: Ein barocker Rosengarten im Zentrum entlang des Stadtbachwegs, der mit sensationell schönen Sorten aufwartet, darunter viele duftende Sorten. Und Rosen, Rosen überall in der ganzen Stadt, liebevoll gepflegt von ehrenamtlichen Gärtnern und Häuslebesitzern. Dazu einmal im Jahr eine Woche lang ein Rahmenprogramm.

Wegen Corona gab es dieses Jahr zwar keine Rosen- und Kulturwoche, aber 2022 soll es in der ersten Woche vor den Schweizer Sommerferien wieder soweit sein. Auf den Weg gebracht hat das alles übrigens ein Mann, der passenderweise Bischof heißt. Und damit die schöne Blumenpracht in seinem 6000-Seelen-Städtchen auch unbeschadet bleibt, engagiert sich Initiator Bernhard Bischof zugleich in einem mittelalterlichen Nachtwächterdienst. Stilecht mit Hellebarde und eine weitere Touristenattraktion. www.bischofszellerreosenwoche.chwww.bischofszell.ch

Bauerngarten Gündelhart

Altes Gartenwissen wird in den zahlreichen traditionellen Bauerngärten am schweizerischen Bodensee aufbewahrt, die bei der "Bauerngarten-Route" besichtigt werden können. Ziel dieser Bauerngärten war und ist vor allem die Selbstversorgung, nicht die Ästhetik. Schön sind sie aber trotzdem. Ursula Schweizer ist zwar von Haus aus keine Bäuerin. Sie hat aber vor vielen Jahren mit ihrem Mann ein altes Thurgauer Bauernhaus übernommen und lebt nun konsequent das Prinzip der Selbstversorgung. Woanders einzukaufen braucht sie kaum. Stattdessen lebt das Paar mit Schafen, Hühnern und eben einem reichhaltigen Bauerngarten, der in drei unterschiedliche Bereiche aufgeteilt ist: einer Beeren-/Heilpflanzenecke, einem Areal für Blumen und einer eingezäunten Gemüsefläche. Bebaut wird der Garten im Vierjahres-Rhythmus.

Neben Biogemüse zieht Ursula Schweizer auch alte, zum Teil in Vergessenheit geratene Samen zum Sortenerhalt für die Organisation „ProSpezieRara“. Ursula Schweizer lebt dieses Konzept spürbar aus tiefer Überzeugung. Aber sie sagt auch: "Wir machen nur im Winter richtig Urlaub. Ansonsten kann man nicht weg, denn dann würde es hier schnell wild aussehen." www.bauerngartenroute-thurgau.ch

Das könnte Sie auch interessieren