Mit der "Borders Railway" unterwegs zu Königsgräbern, Dichterfürsten und verwunschenen Brücken.
Die Brücken Schottlands, zumal im Raum Edinburgh, gaben immer schon zu Bedenken Anlass. Und zu Balladen. Wie dichtete einst Theodor Fontane in Die Brück' am Tay: Und die Brücknersleut ohne Rast und Ruh // Und in Bangen sehen nach Süden zu, // Sehen und Warten, ob nicht ein Licht, // Übers Wasser hin "Ich komme" spricht, // "Ich komme, trotz Nacht und Sturmesflug, // Ich, der Edinburger Zug."
Wer das früher auswendig lernen durfte, und das durften viele, wusste an dieser Stelle bereits, dass drei Hexen ihr Todesurteil über Brücke und Zug gesprochen hatten.
Ein Arbeitspferd des Nahverkehrs
Zurück in die Gegenwart. Der Zug Typ 158 ist keine Schönheit, eher eine schlichte Erscheinung. Aber höchst verlässlich und 350 PS stark. Ein Arbeitspferd des Nahverkehrs. Auf den Bahnhöfen südlich von Edinburgh sind diese Dieselzüge Herzenssache. Warum? Weil sie alle Brücken verlässlich meistern und Schottland einen wichtigen Teil seiner Ehre wiedergegeben haben.
Dazu muss man wissen, dass vor 50 Jahren ein Sir Richard Beeching, Engländer, den Schotten die Züge dichtmachte. Er rationaliserte in blinder Sparwut, bis niemand mehr aus seinen Glens, den Tälern, fortkam. Jedenfalls nicht mit dem Zug. Sogar die Waverley-Linie, die an einen Helden der Romane von Sir Walter Scott (Ivanhoe, Rob Roy etc.) erinnerte, musste dran glauben.
Jetzt aber ist alles wieder gut. Die "Borders Railway" (man ist sich gegenüber England äußerst grenzbewusst) fährt auf der alten Waverley-Strecke über eine Reihe hexenfreier Viadukte und durch Tunnel, die im 19. Jahrhundert gebaut wurden.
Szenen aus "The Da Vinci Code"
Am Wegesrand: die gewaltigen Ruinen von Melrose Abbey, wo schottische Könige bestattet wurden; ein Stein kennzeichnet die Stelle, wo das Herz von König Richard I begraben liegt. Wie Rosslyn Chapel aussieht, wissen Menschen weltweit, denn in dieser Collegiate Chapel of St. Matthew, wie sie richtig heißt, wurden etliche Szenen des Films "The Da Vinci Code - Sakrileg" gedreht.
Nicht weit davon entfernt zweigt ein Weg ins Tal des Tweeds ab, wo Sir Walter Scott vor 200 Jahren sein "Abbotsford House" nach Ideen von Bühnenbildnern bauen ließ.
Scott kleckerte nicht. Um einmal das Häuschen zu umkurven, sollte man 20 Minuten einplanen. Die Besichtigung der Wohnund Arbeitsräume dauert infolge der vielen Sammlungen von Waffen, antiken Bünchern, Kunst und Möbeln, die er, der Bestsellerautor, zusammentrug, noch länger. Wer's mag, kann in Scotts Räumen sogar heiraten.
In Fontanes Ballade müssen die alten Eltern mit ansehen, wie der Edinburger Zug mitsamt ihrem Sohn Johnie ins Wasser stürzt: Und jetzt, als Feuer vom Himmel fiel, // Erglüht es in niederschießender Pracht // Überm Wasser unten ... Und wieder ist Nacht.