26.01.2016 "Planet Wüste"

Michael Martin: Wie der letzte Mensch ...

Die Erde ist ein Wüstenplanet. Niemand weiß das besser als Michael Martin, der Wüsten aller Art bereist hat.

Dies ist ein kiloschwerer Bildband, der von einem Wettstreit erzählt, auch wenn die unmittelbar Betroffenen von diesem Wettstreit keine Ahnung haben. Es geht um die Frage: Welches ist die entlegenste, unwirtlichste und lebensfeindlichste Region auf diesem Planeten?

Der Autor des Buches, der Fotograf Michael Martin, schwingt sich in dieser Frage nicht zum Schiedsrichter auf. Er lässt den Betrachter wählen, wo er denn niemals und unter keinen Umständen hinreisen würde, geschweige denn leben möchte.

Höllenheiße Wüstenlandschaften

Die Wahl fällt schwer und könnte leicht auf einen gegenteiligen Entschluss hinauslaufen. Denn Michael Martin fotografiert höllenheiße Wüstenlandschaften im Innern Australiens und gottverlassene Eisfelder mit unbedingtem Willen zur Ästhetik.

Selbst den Tschukschen, die im äußersten Nordosten Sibiriens in windschiefen Zelten aus Rentierhäuten und Rentierknochen überwintern und auf rostigen russischen Schneemobilen von Weidegrund zu Weidegrund ziehen, setzt er ein Denkmal von der Art, dass einem der Gedanke kommt: Eigentlich würde man auch mal gern die Gastfreundschaft der Tschukschen genießen und sich mit einem heißen Tee mit Schuss aufwärmen.

Michael Martin hat 40 Expeditionen durch Eis- und Trockenwüsten unternommen, ob auf Kamelen oder mit dem Hundeschlitten, zumeist aber allein auf seinem Motorrad, auf dem er sich zuweilen mit batteriebeheizter Wärmeunterwäsche gegen die Unbilden der Kälte schützte. Oft mag er sich vorgekommen sein wie der letzte Mensch auf Erden, um nach weiter Reise endlich in einem Kloster in Ladakh oder einer Oase in der Sahara freundliche Aufnahme zu finden.

Lebensfeindlich oder lebensfreundlich, entsetzlich oder selten schön, diese Frage stellt sich in Anbetracht von Martins Fotos immer wieder neu: Ist das Spiti-Tal im Nordosten Indiens, wo, umgeben von 7000ern, wenige Menschen in einer völlig niederschlagsfreien Region leben, ein Aussteigertraum? Oder lebenslängliche Arbeitsfron auf kargem Grund? Wasser fließt nur im Sommer, wenn das Gletschereis schmilzt.

Kalt und ungastlich, aber schön

Das Leben in der bisweilen sanft ergrünenden Wüste Gobi im Schatten des Altaigebirges, was mag es auf die Dauer mit einem anstellen? Im Sommer bis zu 50 Grad Hitze, im Winter minus 30 Grad. Ob eine Jurte, die traditionelle Zeltbehausung der Mongolen, wirklich so gemütlich ist, wie es auf vielen Fotos, auch auf denen von Michael Martin, wirkt?

Spätestens ein berauschend schönes Foto vom Nachthimmel über der südlichen Hemisphäre (aufgenommen im Kuiseb-Canyon in der Namib-Wüste) verwandelt den Band in eine große Sehnsucht: Da draußen mag es kalt und ungastlich sein, aber schön ist es doch.