03.07.2018 Reise

Brügge – die "flüchtige Stadt"

Von Tonia Sorrentino

Ezelpoort, Gentpoort, Kruispoort, Smedenpoort – zwar umgibt Brügge im belgischen Westflandern heute keine Stadtmauer mehr. Doch die verbliebenen vier Stadttore erinnern daran, wie sich die 851 erstmals erwähnte Stadt über wechselhafte Jahrhunderte gegen Einflüsse von außen schützte. Das vor 18 Jahren zum Weltkulturerbe ernannte Stadtzentrum mutet insgesamt wie eine historisch einmalige Kulisse an: etwa die Sint-Salvatorskathedraal als Brügges älteste Pfarrkirche, der 83 Meter hohe Belfried, der abwechslungsreiche Burgplatz, das ehemalige Hanseviertel, der Be ginenhof, Grachten, Brücken.

Seit dem 5. Mai durchzieht den mittelalterlichen Stadtkern eine Reihe zeitgenössischer Kunstwerke – ein Kontrast zum urigen Flair alter Zeiten, trotzdem stimmig und Symbol für die nach vorn gerichtete Perspektive: "Besucher kommen nach Brügge wegen der Vergangenheit. Aber wir geben ihnen auch die Möglichkeit, in die Zukunft zu schauen", sagte Bürgermeister Renaat Landuyt bei der Eröffnung der diesjährigen Brügger Triennale.

Inspiration und Erholungsort

2018 steht das Wasser im Fokus der Triennale. Das Motto "Liquid City" verweist darauf, dass die Stadt einst durch das fließende Element zu seinem Weltruhm kam. Schon um die Wende vom dritten zum vierten Jahrhundert war beim heutigen Brügge ein Hafen in Betrieb, im 14. und 15. Jahrhundert standen Handel wie Stadt in voller Blüte. Außerdem regen die Kunstwerke zum Nachdenken darüber an, wie flexibel und wehrhaft das historische Brügge auch in der Moderne sein kann.

15 international bekannte Künstler und Architekten beteiligen sich mit ihren Skulpturen, Ausstellungen und Installationen an der Triennale. Imposanter Blickfang: ein riesiger Wal, der sich aus der Gracht in der Jan van Eyckplein erhebt. Das US-amerikanische Künstlerduo Lesley Chang und Jason Klimoski erschuf den "Skyscraper" aus fünf Tonnen Kunststoffmüll, den es größtenteils aus dem Pazifik fischte. "Im Meer schwimmen Millionen Tonnen Müll – aber das meiste davon bekommen wir nicht mit. Deshalb haben wir den Wal gestaltet: das erste 'Hochhaus' im Meer", so Chang.

Einen Erholungsort auf dem Wasser finden Besucher am Kanal nahe der Coupure. Der Pavillon des spanischen Architektenstudios Selgascano spielt mit der Wahrnehmung: Das transparente Material der geschwungenen Tunnelkonstruktion taucht Inneres wie Umfeld in grelles, mit dem Licht changierendes Orange-Rosa-Rot. Manch einen begleiten die Farben noch eine Weile nach Verlassen des Kunstwerks. Sie verleihen den verwinkelten Kopfsteinpflastergassen und den typisch flandrischen Hausfassaden mit ihren Giebeln und Ziegeln eine neue Anmutung – ein Aspekt von vielen, wie sich Brügge, nur innerhalb von Momenten, im Auge des Betrachters wandeln kann.

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