Bald heißt es für voraussichtlich rund 400.000 deutsche Schüler: Abi geschafft, Schluss mit Schule, raus ins Leben. Doch nach dem überschwänglichen Gefühl der Freiheit folgt alsbald Ernüchterung. Was nun?
Ausbildung oder Studium? Geld verdienen oder weiterlernen? Erst einmal auf Reisen gehen oder sich für die Umwelt engagieren? Im vergangenen Jahr standen 430.000 Abiturienten vor einer der wichtigsten Entscheidungen ihres Lebens.
Vorurteile abbauen
Abi, Studium, Job, das ist der klassische Weg. Doch nicht nur ein Studium ist die Eintrittskarte in eine vielversprechende Berufswelt. Auch eine Ausbildung kann den Grundstein für eine Karriere bilden – was nur wenige Abiturienten erkennen. Denn nur magere 9 Prozent von ihnen fangen direkt zu arbeiten an, die meisten in Bürojobs wie bei dem Industrie- oder Bankkaufmann. Dabei werden besonders in mittelständischen Handwerksbetrieben händeringend Fachkräfte gesucht.
Diese Lücke könnten Abiturienten schließen, betont auch Hans Peter Willseifer, Präsident des Zentralverbands Handwerk. "Die Vorstellungen vom Handwerk sind oft falsch. Die Berufe haben sich gewandelt! Wir haben hochmoderne Betriebe. Schauen Sie auf die Orthopädietechniker, deren Prothesen die Paralympischen Spiele erst möglich machen; oder unsere Anlagenbauer, die modernste Energie-Technik installieren."
Ausbildungen halten alle Möglichkeiten offen
Vorurteile abbauen möchte er auch in puncto Bezahlung: "Das Gehalt eines Bachelor-Absolventen darf nicht mit dem eines Facharbeiters, sondern muss mit dem eines Meisters verglichen werden. Dann liegen Bachelor und Meister gleichauf." Weiteres Plus: Ausbildungen halten alle Möglichkeiten für ein späteres Studium offen.
Doch soll es nun die Ausbildung zum Mechatroniker, Zahntechniker oder Versicherungskaufmann werden? Psychologen und Jobberater empfehlen, zunächst die grundlegenden Fragen "Wer bin ich?", "Was kann ich?" und "Was will ich?" zu beantworten.
Die renommierte Psychologieprofessorin Katrin Fischer von der FH Nordwestschweiz rät, nicht nur auf den Bauch zu hören: "Wichtige Entscheidungen sollte man immer mit dem Kopf treffen. Das Bauchgefühl ist zwar ein wichtiger Hinweisgeber, aber wenn wir uns zu sehr darauf verlassen, besteht die Gefahr, dass wir uns selbst täuschen."
Sich nicht blenden lassen
Viele Schulen, Hochschulen, staatliche Stellen, aber auch Unternehmen bieten bei Infotagen und -messen reichlich Hilfestellung, damit Abiturienten eine realistische Einschätzung von Ausbildung, Studienfach oder späterem Wunschberuf bekommen. In einigen Unis können Abiturienten außerdem beim Studium generale Schnupperkurse belegen. Das Gros der Studenten entscheidet sich für BWL, gefolgt von Maschinenbau und Jura. Vermeintlich die aussichtsreichen Studiengänge.
Doch auch hier warnt Psychologin Fischer: "Jemand, der etwa BWL studieren möchte, sollte sich bewusst machen, dass nur wenige später als Investmentbanker reich werden, die meisten landen in weniger spektakulären und weniger einträglichen Jobs, zum Beispiel bei der Stadt- oder Kreissparkasse."