20.12.2023 Blick hinter die Kulissen

Andrea Kiewel: "Ich spiele niemandem etwas vor"

So nahbar wie noch nie!
So nahbar wie noch nie! Fotoquelle: SAT.1 / Marc Rehbeck

Mit „Kiwis große Partynacht“ präsentiert Andrea Kiewel eine Herzensangelegenheit. Die vierteilige Musikshow bietet Hits, Überraschungen und Stars zum Anfassen. prisma blickt mit ihr hinter die Kulissen.

Frau Kiewel, Sie leben in Tel Aviv/Israel. Wie schwer fällt es Ihnen, mit Gedanken an den Krieg, der dort herrscht, in Deutschland ein unbeschwertes Unterhaltungsformat zu moderieren?

Ehrlicherweise glaube ich, dass es sowohl die schwierigste als auch die liebevollste Aufgabe war, an die ich mich erinnern kann. Es war schwierig, Tel Aviv und die Familie zu verlassen. Mein Freund hat mir allerdings gut zugeredet und mir klargemacht, dass der Terror gewinnt, wenn ich diese Show nicht mache. Denn genau das will ja Terror; dass man in Angst und Schockstarre verharrt. Zudem will ich auch, dass sich Menschen auf mich verlassen können. Alle zu unterhalten, glücklich zu machen und auf gute Laune umzuschalten, fällt mir zudem nicht schwer – das ist einfach in mir drin.

Wie hat es sich dann angefühlt, nach der Landung in Deutschland wieder in eine ganz andere Welt zu kommen?

Die ersten zwei Tage waren ehrlicherweise seelischer Ausnahmezustand. Aber mit den Proben im Atlashof, dem Licht, der Musik, dem Bild habe ich gemerkt, wie sich in mir diese kleine Pflanze des Glücks langsam entfaltet und aus Andrea wieder Kiwi wird. In Israel bin ich ja einfach Andrea. Kein Mensch weiß, was ich wirklich mache.

Ist ja ab und an auch ganz schön, oder?

Definitiv. Ich bin ja die Frau mit den zwei Heimaten. Mein erstes Zuhause ist hier in Israel, mein zweites eine Mischung aus Berlin und Mainz. In Berlin wurde ich geboren, in Mainz ist der Fernsehgarten. Ich habe in beiden Ländern Familie und Freunde. Obwohl Berlin wirklich gut zu mir war, hatte ich dieses Mal aber schnell Heimweh und bin dann in einen koscheren russischen Lebensmittelladen gegenüber des KaDeWe gegangen und habe mir da ein Pita-Brot gekauft. Als ich wieder rauskam, standen vier Polizisten vor der Tür, und einer fragte mich: „Sie sind doch die Kiwi, wa?“ Und ich sagte: Na ja, ich bin halt für einige Tage hier, um meine vierneuen Shows aufzuzeichnen. Darauf er: „Sie sehen müde aus.“ Und ich sagte: Müde und traurig, worauf er meinte: „Komma her.“ Und dann hat er mich in den Arm genommen und ganz doll gedrückt. Das war stellvertretend für das Wohl, das ich in diesen zwei Wochen erfahren habe. Alle, die ich getroffen habe, waren unendlich lieb zu mir und haben mich sozusagen auf Händen getragen. Ich habe mich einfach auf das Gute konzentriert.

Und genau darum geht es ja auch in „Kiwis lange Partynacht“.

Ich glaube, das waren die vier größten Shows, die ich jemals moderieren durfte – und ich bin ja nun auch schon etwas länger dabei. Mit diesen tollen Künstlern zu arbeiten, in lachende Gesichter zu sehen, zu tanzen, ganz nah bei den Menschen zu sein, das hat mir unglaublich viel gegeben. Mein Akku war nach diesen vier Sendungen randvoll, was Liebe und Glück betrifft.

Man wirft Schlager und generell Mainstream-Pop ja oft Oberflächlichkeit vor. Sie beschreiben es jetzt eher als kathartisches Erlebnis. Wird dieser doch sehr anspruchsvolle Aspekt dem Publikum und den Kritikern eigentlich auch durch Sie vermittelt?

Ich persönlich, die schon mit fünf Jahren auf dem Couchtisch stand und meinen Eltern Mirelle Mathieu-Songs vorgesungen habe, um sie zu unterhalten, habe nicht eine Sekunde meines Lebens gedacht, Unterhaltung hätte keinen Wert. Ganz im Gegenteil: Ich kenne niemanden, der keine Gefühle hat, wenn es um Musik geht – und zwar ganz egal, welche Richtung und welche Gefühle. Als Pur in meiner Show „Abenteuerland“ gespielt haben, konnte man sehen, wie viele Leute laut mitgesungen und ihren Gefühlen und Gedanken freien Lauf gelassen haben. Wir hatten zum Beispiel ein Paar da, das sich bei einem Pur-Konzert ineinander verliebte und mittlerweile vier oder fünf Kinder hat. Deren Lebensmusik ist eben Pur. Mich hat es hingegen ein wenig bei Jupiter Jones und der Ballade „Still“ – zum Tod der Mutter – zerlegt. Das hat mich sehr berührt.

Sie scheinen auf ein solches Format lange gewartet zu haben.

Ich sage Ihnen, was das Tolle an diesen Shows ist: Da waren 1500 Menschen in meiner „Disco“, und es gab keine Sitzplätze. Ein Perfect Match aus Tanzparty und Konzert. Die Partygäste waren ihren Stars so nahe wie es eigentlich gar nicht geht, wenn man Fernsehen macht. Ganz viele Künstler sind durch die Menge gegangen, haben Hände abgeklatscht und mit den Gästen getanzt. Eigentlich müsste „Kiwis große Partynacht“ in „Unsere große Partynacht“ umbenannt werden.

Also waren Berührungsängste absolut tabu?

Ich bin ja durch den Fernsehgarten Nähe gewohnt und suche sie auch. Ich bin keine Bühnenansagerin – so etwas kann ich gar nicht. Stattdessen will ich ganz nach an die Leute ran und in die Gesichter sehen. Ich fühle mich als Teil meiner Zuschauer, ganz einfach, weil ich am Ende ja auch zuschaue. Insofern waren die Shows eine Essenz aus allem, was ich gerne tue – nur eben im Winter. Es war ein großes Glück.

Bei aller Spontaneität: Wie sehr folgen die Abläufe einem Skript, beziehungsweise: Ist das mit Ihnen überhaupt möglich?

Haha, ja – was Sie sehen, das bin ich. Ich spiele niemandem etwas vor. Auch wenn ich privat unterwegs bin, verstelle ich mich nicht. Ich singe viel, ich erzähle viel von mir – das ist eben Kiwi. Aber natürlich folgt die Show einem klaren Ablauf, der von unserem wunderbaren Autor geschrieben wurde. Wir haben fast 100 Songs aufgezeichnet. Das ist eine Mamut-Leistung. Die Songs werden einzeln, als Medley oder überraschenden Duetten dargeboten. Zum Beispiel singen Peter Maffay und Anastacia gemeinsam. Ich liebe ja solche gemeinsamen Darbietungen, die man eigentlich nicht erwartet. Ich finde, wenn es etwas gibt, das Grenzen überwinden kann, dann sind das Sport und Musik. Ich habe gar keine Befindlichkeiten, wenn es um das Aufeinandertreffen von Genres geht. So viel Freiheit muss sein.