Auf den T-Shirts der Demonstranten vor einer großen Uniklinik war "Kranke Schwester" zu lesen. Die Statistiken zeigen: Pflegende gehören zu den Berufsgruppen mit den meisten Arbeitsunfähigkeitstagen wegen psychischer Erkrankungen.
Kein Wunder, wenn man bedenkt, was von den Krankenschwestern erwartet wird: Zwei Drittel müssen schwerer heben als ein Bauarbeiter, drei Viertel absolvieren Schichtdienst, viele haben ein Überstundenkonto, das sie gar nicht mehr abbauen können – ganz zu schweigen von der hohen psychischen und physischen Belastung. Denn die "Minutenpflege" gibt vor: schnell waschen, anziehen, die Gabe der Tabletten überwachen, wenige Worte wechseln und zum nächsten Patient.
Altenpflegerinnen fallen für mehr als 25 Tage aus
Der oft als würdelos empfundene Umgang mit Patienten im Krankenhaus findet seine Ursache vor allem in der ökonomisch bedingten Überlastung des Pflegepersonals. Beim Personalschlüssel in der Krankenpflege liegt Deutschland zusammen mit Spanien europaweit an letzter Stelle. In Norwegen teilen sich vier Patienten eine Pflegekraft, in Deutschland sind es zehn. Abhängig Beschäftigte sind im Schnitt zwölf Tage im Jahr krank, Pflegende 19. Altenpflegerinnen fallen sogar durchschnittlich für mehr als 25 Tage aus – so der Gesundheitsreport der Techniker Krankenkasse. Auch die Fluktuation ist in diesem Beruf überdurchschnittlich hoch.
Wer heute vom drohenden Pflegenotstand spricht, muss sich nicht vorwerfen lassen, den Teufel an die Wand zu malen. Ab 2025 werden die ersten Babyboomer in Rente gehen. Dann wird noch sehr viel mehr Personal für die Pflege gebraucht. Das will vorausschauend geplant und finanziert sein.
Ein viel zu wenig wertgeschätzter Beruf
Die Politik ist gefordert – jetzt! Sie muss Geldmittel umverteilen, um den Personalschlüssel im Interesse der Menschen zu verbessern. Ich selbst habe als junger Arzt in Kiel von einer Krankenschwester das schmerzarme Geben von Spritzen gelernt. Krankenschwester und Krankenpfleger sind leider bis heute ein in der Medizin noch viel zu wenig wertgeschätzter Beruf.