Die größten Gefahren für Leib und Leben von Kindern und Jugendlichen sind nicht etwa Krankheiten. Es ist auch nicht der Straßenverkehr. Die größten Risiken lauern im Haushalt.
Unfälle im privaten Umfeld stellen die gravierendsten Gesundheitsgefahren für Kinder und Jugendliche in Deutschland dar. Für Kinder ab einem Jahr sind sie sogar die häufigste Todesursache, so das Robert Koch-Institut (RKI). „Stürze, Vergiftungen und Verbrennungen sind kein Schicksal. Eltern können sie mit etwas Umsicht meist verhindern“, ist Dr. Melanie Ahaus, niedergelassene Kinder- und Jugendärztin in Leipzig, überzeugt. Denn an erster Stelle stehen die Unfälle zu Hause oder im privaten Umfeld (43,8 Prozent), dann solche in der Schule oder anderen Betreuungseinrichtungen (24,2 Prozent) gefolgt von Unfällen auf dem Spielplatz oder in Sporteinrichtungen (17,4 Prozent). Jungen sind häufiger von Unfallverletzungen betroffen als Mädchen. Grundsätzlich gilt: Erst ab fünf bis sechs Jahren können Kinder einschätzen, ob eine Situation gefährlich ist. Aber selbst dann sind sie noch nicht in der Lage, die Gefahr vorher zu erkennen. Sie bemerken sie erst, wenn sie sich bereits in der gefährlichen Situation befinden. Vorbeugendes Gefahrenbewusstsein ist etwa mit acht bis zehn Jahren möglich. Daher sollten Eltern kleinen Kindern unbedingt vermitteln, was für sie gefährlich ist.
„Bei Jugendlichen müssen sich Eltern auch um die Gefahren kümmern, die ihren Kindern in sozialen Netzwerken drohen. Lassen Sie auch hier Ihre Kinder nicht allein. Bleiben Sie in Kontakt mit ihnen, besprechen Sie Grenzen und bleiben Sie wachsam“, ergänzt Ahaus. Verbrennungen, Verbrühungen, Vergiftungen und Stürze passieren fast immer zu Hause. Stürze vom Wickeltisch sind die häufigste Unfallursache für Kinder unter zwei Jahren – schwere Kopfverletzungen nicht selten die Folge. Die meisten davon sind vermeidbar. „Kinder – auch Säuglinge – keinen Augenblick unbeaufsichtigt auf der Wickelkommode liegen lassen. ‚Immer eine Hand am Kind‘ ist das Motto, selbst wenn man sich nur kurz wegdreht“, empfiehlt die niedergelassene Kinder- und Jugendärztin und rät: „Nehmen Sie Ihr Kind mit, wenn Sie etwa zur Haustür rennen, weil der Paketbote klingelt. Jährlich werden in Deutschland Zehntausende Kinder wegen Verbrennungen und Verbrühungen ärztlich behandelt. Die meisten dieser Kinder sind fünf Jahre und jünger und haben eine Verbrühung mit heißen Flüssigkeiten erlitten. Besonders folgenschwer sind Verbrennungen an den Kinderhänden. Sie entstehen neuerdings vor allem bei Kleinkindern durch das Anfassen der immer beliebter werdenden heißen Kaminöfen. Eine verbrannte Kinderhandinnenfläche zieht eine komplizierte Behandlung und vielfache Operationen nach sich, da die Narben an der Hand nicht mitwachsen. Das macht deutlich, dass Unfallverletzungen die Gesundheit und Entwicklung eines Kindes erheblich und nachhaltig schädigen können.
Verbrennungen, Treppenstürze, in Schubladen eingeklemmte Finger, Kopfverletzungen nach der Begegnung mit scharfen Möbelkanten, herabhängende Kabel von Wasserkochern, Stromschläge aus der Steckdose: Hier helfen Kindersicherungen. „Schließen Sie Medikamente und Putzmittel immer kindersicher weg. Ein kleiner Tipp, um Gefahrenquellen im Haushalt zu erkennen: ein gründlicher Rundgang durch Wohnung und Garten, am besten krabbelnd. Aus der Kinderperspektive sehen Sie vielleicht Gefahren, die ihnen vorher nicht aufgefallen sind“, sagt die Expertin. Vergiftungen von Kindern durch Haushaltsreiniger sowie der Verzehr von sorglos aufbewahrten Arzneimitteln sind die häufigsten Gründe für Anrufe in der deutschen Gift-Notrufzentrale. Auch achtlos herumliegende Zigarettenschachteln stellen eine Gefahr dar: Tabak ist nach Medikamenten der bedeutendste Grund für Vergiftungen bei Kindern unter fünf Jahren. Schon der Verzehr einer Zigarette kann tödlich sein. Im Notfall ist die „Vergiftungs-App“ für Smartphones vom Bundesinstitut für Risikoforschung sehr nützlich. Sie hat unter anderem eine „Giftnotruf Direkt“-Funktion.
Mehr Sicherheit
Eltern, die sich über die Gesundheitsrisiken informieren möchten, finden unter www.kindersicherheit.de/kindersicherheit/unfallarten hilfreiche Informationen. Die App „Kindersicher! – Kinderunfälle vermeiden“ bietet Eltern, Großeltern und Fachkräften darüber hinaus praktische Tipps zur Vermeidung von Kinderunfällen.