14.06.2016 Ausstellung

Der Wille zum Schönsein

Schöne Römerin: Haarnetz aus Glas und vergoldeter Bronze, 3. Jahrhundert n. Chr.
Schöne Römerin: Haarnetz aus Glas und vergoldeter Bronze, 3. Jahrhundert n. Chr. Fotoquelle: Jürgen Vogel/LVR-LandesMuseum Bonn

Was verbindet heutige Frauen mit denen im alten Ägypten? Sie schminken sich in Schwarz, Grün und Blau. Und auch sonst sind die Rituale der Körperpflege erstaunlich konstant.

Die tägliche Überlegung: Welchen Schmuck lege ich an? Welche Brosche und welche Halskette passen zum Rest meiner Erscheinung?

Die Wahl des Schmucks gehört zu den gewohnten Ritualen einer Frau. Das Wort Ritual hat sich aus religiösen Fängen befreit und ist wieder dort angelangt, wo es das weibliche Verhalten schon vor der Steinzeit und sogar vor der letzten Eiszeit kennzeichnete: Über das Ritual des Schmuckanlegens definiert sich der Mensch. Meistens ist es die Frau, auf subtilere Weise aber auch der Mann.

"Character pieces", sagt der Amerikaner in feinem Humor zu den Klunkern, die regelmäßig oder auch regelmäßig zu bestimmten Anlässen getragen werden. Charakterstücke, nun ja, man verbindet Personen, Orte, Zeiten mit den einzelnen Teilen.

Doch Schmuck kündet von noch viel mehr, und auch das hat mit Ritual und Zwanghaftigkeit zu tun: Gold und Silber, Perlen und Diamanten, Tattoos und Piercings sind die Accessoires der Distinktion, der Unterscheidung. Sie zeigen an: Ich stehe über dir, ich gehöre einer bestimmten Klasse, Schicht oder Kaste an.

Schmuck als Ausdruck des einzigartigen Ichs ist vor allem eine von der Werbung genährte Form von Illusion; wohingegen Schmuck als Ausdruck von gesellschaftlicher Zugehörigkeit, von Stand und Rangordnung seit ewigen Zeiten gang und gäbe ist.

Schönheitschirurgie der Steinzeit

Mit der etwas hergeholten Überschrift "Evas Beauty-Case" unternimmt das LVR-Landesmuseum Bonn eine Zeitreise durch die Jahrtausende von Schmuck und Schönheitspflege. Wobei nicht so sehr der ewige Wille zum Schönsein als solcher überraschen kann, als vielmehr die Art und Weise, wie sich die Evas gestern und heute in Szene setz(t)en.

Beziehungsweise in Szene setzen mussten; denn Herrschaft und Reichtum wollten herausgestellt sein. Undenkbar, dass man der Tochter eines Stammesfürsten nicht ansah, dass sie Tochter eines Stammesfürsten ist.

Schon in vorhistorischen Zeiten wurden aus Schnecken und Muscheln Ritualobjekte gefertigt, der älteste Nachweis dafür ist 82.000 Jahre alt.

Mittel und Methoden haben sich verändert, doch im Prinzip blieben Schönheitsideale über Jahrtausende erhalten. Ins Gesicht kam Farbe, Puder oder (gefährliche) Bleichungscreme. Das Haar wurde verlängert, die Taille verschlankt. Make-up-Moden im alten Ägypten unterscheiden sich nicht von denen im heutigen Westen: Die Farben Schwarz, Grün und Blau dominieren, das Auge wird mit allerlei Kniffen betont.

Die Frage aus "Schneewittchen", wer denn die Schönste im ganzen Land sei, ist brennender denn je. Allerorten werden Misswahlen für Junge und Längst-nicht-mehr-Junge abgehalten. Die Supermodel-Suche im Fernsehen bleibt ein Hit.

Das Landesmuseum erlaubt sich den Scherz, seine Besucher vor den Spiegel von Schneewittchens böser Stiefmutter zu stellen: Mit der Antwort muss man leben.

Der Bonner Sammlungsbestand umfasst in Form von Grabbeilagen und archäologischen Funden 15.000 Jahre Menschheits- und Schönheitsgeschichte. Aus Kämmen, Tiegeln und Tinkturen lassen sich Aufschlüsse über die Rituale von Römern und Barbaren gewinnen, erst recht aus winzigsten Hautresten.

Ötzi, der Mann aus dem Eis und unerschöpflicher Zeuge der Jungsteinzeit, weist mehrere Dutzend mit Farbe unterlegter Einschnitte in der Haut auf. Wurde schon damals tätowiert und gepierct? Möglich.

Ganz bestimmt waren ornamentale Narben und Kopfverformungen an der Tagesordnung. Wir lernen: Schönheitschirurgie, für die heute Mondpreise bezahlt werden, ist im Grunde ein alter Hut.

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