24.05.2016 Tierleben

Der gute Ton unter Hunden

Shiba Inu: In Japan sind die bis 40 cm hohen Hunde häufig zu sehen.
Shiba Inu: In Japan sind die bis 40 cm hohen Hunde häufig zu sehen. Fotoquelle: Rebecca Handler/Getty Images

Über Hausfrieden und peinliche Nasen: Menschen sind heikel mit ihren Lieblingen.

Du schon wieder! Hunde können nerven, wenn sie ihren Morgengang fordern. Ein Winseln, ein deutliches Gähnen, ein Rasseln an der Leine oder ein Stups mit der Nase: "Steh auf, Alter", heißt das, "ich will draußen an Bäumen, Büschen, Laternen meine Duft-Zeitung lesen, und mir ist es piepe, wenn du deine eigene Zeitung noch nicht gelesen hast!" So sind sie, unsere besten Gefährten. Selbstsüchtig.

Katzen erst recht. Man kann die Uhr nach ihnen stellen, und ihre Gesten sind nicht weniger unmissverständlich als die der Hunde. Sie stoßen den Stapel Futterpäckchen um, machen sich mit den Pfoten hörbar an der Tüte mit Trockenfutter zu schaffen. Haustiere wissen, was sie wollen. Und was ihnen zusteht.

Ein kurzer Spaziergang mit dem Hund verrät schon wesentliche Teile seines Hund-Seins. Natürlich ist der Hund ein Tier. Daran ändert sich nichts, auch wenn mit ihm wie mit einem Menschen gesprochen wird.

Es kommt eine ganze Menge an

Von eingeübten Grundkommandos abgesehen, entspricht sein Verständnis für Wörter, die direkt an ihn adressiert sind, dem eines zwei- bis dreijährigen Kindes. Er versteht nicht "jedes Wort", wie der große Tierforscher Konrad Lorenz postulierte, aber es kommt eine ganze Menge an. Das ist erstaunlich.

Unsere nächsten Verwandten im Tierreich, die Schimpansen, bringen es nicht so weit. Das Zeigen mit ausgestrecktem Finger sagt ihnen so gut wie nichts. Der Hund versteht es. Man sieht ihm an, wie er sich anstrengt, in die gewiesene Richtung zu schauen.

Katzen liegen, was das Verständnis menschlicher Gesten angeht, irgendwo zwischen Hund und Schimpanse. Sie sind beileibe nicht so rätselhaft, wie mitunter romantisierend getan wird. Ihre Bereitschaft, auf menschliche Wünsche einzugehen, ist schwankend. Doch zeigt eine Studie des Fachmagazins "Animal Cognition", dass Katzen sehr wohl Blicke mit ihren Besitzern tauschen, um sich an Stimmungen und häuslichen Situationen zu orientieren.

Ihr Sensorium für Freude, Trauer und Trennung (etwa vor der Abreise der Besitzer in den Urlaub) ist nicht geringer ausgeprägt als bei Hunden. Ihr Arbeitsgedächtnis allerdings, also die Zeit, die sie sich für eine Aufgabe und deren Lösung zu nehmen imstande sind, ist deutlich kürzer als bei Hunden. Nach einer Minute verliert die Katze die Geduld, Hunde bleiben vier Minuten und länger bei der Sache.

Nachts sehen Katzen bekanntlich besser als Hunde. Das ist ihre Zeit. Sie sollten sie, wenn man es gut und artgerecht mit ihnen meint, draußen verbringen können.

Beide, Katze wie Hund, und viele andere Säugetiere verbindet, dass sie beim schwachen Licht der Nacht mehr sehen als der Mensch. Der Preis für diese Fähigkeit ist das weitgehende Fehlen von Farbensehen. Rot und Grün unterscheiden sich für den Hund nicht, außer im Grad der Helligkeit. Da Hunde und Katzen von Natur nicht an reifen roten Früchten interessiert sind, spielt für sie diese Farbuntüchtigkeit keine Rolle.

Das wichtigste Organ ist die Nase

Das wichtigste Organ im Hundeleben ist die Nase. Sie in den letzten Dreck zu stecken, mag für uns anrüchig und sogar eklig sein (der Mensch reagiert empfindlich auf Fäulnisbakterien), für den Hund gehört es zum Erfassen von Artgenossen, Mensch und Umwelt. "Peinlich wird es für uns", schreibt der Evolutionsbiologe und Buchautor Josef H. Reichholf, "wenn er gerade das Hinterende einer Hündin beschnüffelt hat und nun die Nase in den Schritt einer Frau zu bohren versucht, um ihren Status im Zyklus zu lesen".

Das tut man nicht – unter Menschen. In Hundekreisen gehört es zum guten Ton. Die Riechwelt der Hunde bleibt uns verschlossen. Dabei verhilft gerade die geruchliche Zuordnung von Hund zu Hund zu einem halbwegs friedlichen Miteinander der Hundegemeinschaft.

Wird ihnen diese Möglichkeit genommen, etwa durch ängstliche Besitzer und allzu strenge Leinenhaltung, bauen sich Frust, Aggression und ganz viel Gebell auf. Eine Störung der "durchaus strukturierten Hundewelt" (Reichholf) bedeutet auch das Verfrachten des Hundes an weit entfernte Orte. Für ihn steht der gewohnte Ausgang an erster Stelle, denn es geht ihm – beim Lesen der Duft-Tageszeitung – um die ständige Aktualisierung der Rangordnung.

Für Konrad Lorenz war "Hausfrieden" unter Tieren selbstverständlich. Er hielt Hunde und Katzen, Gänse, Dohlen, Hühner, und alle mussten gut miteinander auskommen. Grundsätzlich pflegen Hunde keine Feindschaft zu Katzen, als Welpen lassen sie sich mit jedem anderen Lebewesen sozialisieren.

Für die Katzen ist das schwieriger. Werden sie nicht an einen oder mehrere Hunde gewöhnt (was durchaus möglich ist, siehe Lorenz), reagieren sie in katzentypischer Weise mit Buckeln, Haaresträuben, Fauchen oder Krallenhieben.

Warum sich aber, fragt Josef H. Reichholf, die meisten Menschen in Hundefreunde oder Katzenliebhaber aufteilen, "geht aus dem spannungsgeladenen Verhältnis zwischen Katze und Hund nicht hervor". Das aber ist nun kein Tierthema, sondern ein Blick in die menschliche Psyche.