18.08.2015 Arbeit

Die unheimliche Macht der Roboter

von Gerhard Bleckmann
Mein Reich, meine Arbeit: Roboter als eine andere (bessere?) Form von Mensch.
Mein Reich, meine Arbeit: Roboter als eine andere (bessere?) Form von Mensch. Fotoquelle: Getty Images/Westend61/Fotolia (M)

Schreckensvision oder schöne Aussicht? Die Menschheit delegiert ihre Arbeit. Und der Politik fällt nichts dazu ein.

Die Geschichte von "hitchBOT", dem Anhalter, der nach San Francisco trampen sollte, nahm ein jähes Ende. Am ersten August-Wochenende wurde er in Philadelphia zerschmettert am Straßenrand aufgefunden. Ende einer Dienstreise.

"hitchBOT" war ein Roboter. Die kanadischen Professoren Frauke Zeller und David Harris Smith hatten ihn auf den Weg gesetzt, um ihn mit allem, was seine Software und Solarpaneele hergaben, menscheln zu lassen. "hitchBOT" sollte von der Leistungsfähigkeit der Robotertechnik künden und zugleich E.T.-Gefühle auslösen. Ach, wie süß! Vor dem braucht man doch keine Angst zu haben ...

In Amsterdam, beim Baseball und auf dem Times Square

Hatte aber offenbar doch jemand; oder einfach nur Lust zu zerstören. "hitchBOT" ließ sich durch die Grachten von Amsterdam schippern, besuchte ein Baseballspiel der "Boston Red Sox", tauchte auf dem Times Square in New York auf und ließ sich, wenn ein Autofahrer ihm unterwegs die Wagentür öffnete, vorschriftsgemäß anschnallen. San Francisco hat er nicht mehr erlebt. Er wurde ein Jahr alt.

Roboter gehören seit erdenklicher Zeit zu den Zukunftsvisionen der Menschheit. Sei es, dass sie als unfehlbare Diener erträumt werden, als Beschützer, als Gesprächspartner in einsamer Stunde, sogar als Liebhaber. In der Königsdisziplin des Denksports, dem Schach, sind Roboter dem Durchschnittsspieler längst turmhoch überlegen.

Als der japanische Mobilnetzbetreiber Softbank vor kurzem einen Emotionalroboter namens "Pepper" auf den Markt brachte, waren die angebotenen 1000 Einheiten binnen 60 Sekunden verkauft. Preis pro Stück: 1400 Euro. "Pepper" soll ein Freund sein, ein guter Freund. Er kann Emotionen seines Gegenübers einordnen und versteht es seinerseits, Gefühlsäußerungen mittels Farben und Bewegungen hervorzubringen.

Altenbetreuung und Schulwesen

Softbank und Partner sehen die Einsatzgebiete ihres 1,20 Meter großen und sich auf Rollen fortbewegenden Schützlings bei der Kundenbegrüßung in Geschäften, in der Altenbetreuung und im Schulwesen.

Das Auftauchen solcher Vorhaben am Horizont des Möglichen sollte normalerweise Philosophen auf den Plan rufen, die sich mit den ethischen Konsequenzen befassen, was es denn zum Beispiel bedeute, wenn alte Menschen am Ende ihres Lebens den Maschinenhänden anheimfallen ... Auch würde man gern einen Mucks aus der Politik vernehmen, welche Art Schulung Robotern denn anvertraut werden dürfe ...

Doch Philosophie ist weitgehend zur Ratgeber-Branche fürs Wohlergehen verkommen; und für Politiker liegt die Zukunft eh im Merkel'schen "Neuland", das mehr über uns kommt, als dass wir es gestalten.

Die Fahrt zur Klippe

So nehmen sich die Wissenschaftler selbst der Probleme an, an deren Entstehen sie nicht unbeteiligt sind. Das renommierte Fachjournal "Science" widmete im Juli eine ganze Ausgabe der (fehlenden) gesetzlichen Regulierung von künstlicher Intelligenz. Entsprechende Gesetze seien aber, so der Tenor, bitter nötig. Denn Maschinen lernen rasend schnell. Eric Horvitz von Microsoft Research mahnt: "Regelungen sind ein wichtiger Teil der Zukunftslandschaft. Nur sie können helfen, Freiheit, Privatsphäre und Allgemeinwohl voranzubringen."

Die Frage, ob Roboter eines Tages schlauer sind als der Mensch, mochte keiner der Autoren in "Science" kategorisch verneinen: "Das wäre", schrieb Stuart Russell, Informatik-Professor in Berkeley, Kalifornien, "als würde man auf eine Klippe zufahren und dabei sagen: Lasst uns hoffen, dass bald das Benzin alle ist."

Es ist absehbar, dass Roboter nicht nur als Grüßaugust und Altenpfleger in unsere Arbeitswelt eingreifen. Intelligente Algorithmen liefern heute schon Arbeitgebern Prognosen über Charakterentwicklung und Krankheiten eines Bewerbers, indem sie seine Twitter- und Facebookäußerungen auswerten und daraus Rückschlüsse ziehen. Ist das legal? Einstweilen ja.

Polarisierung der Jobs

Unsere Zukunftserwartungen schwanken zwischen himmelhoch jauchzend ("An die Arbeit, Roboter!", so der Tages-Anzeiger, Zürich) und apokalyptischer Menschendämmerung infolge Machtergreifung durch Maschinen ("Welt ohne Arbeit", so die Zeitschrift The Atlantic, USA).

Nüchterne Beobachter sprechen von einer "Polarisierung der Jobs", soll heißen: Was auf der einen Seite verloren geht, wird auf der anderen Seite dazugewonnen.

Was verloren geht: Kassiererinnen-Jobs, Restaurantköche, Immobilienmakler, Versicherungsagenten, Masseure, zahllose Büro-, Montage- und Handwerksberufe. Was hinzukäme: Techniker, Wissenschaftler, Managementtätigkeiten. Ob das eine das andere aufwiegt?

Das Flugwesen tendiert stark zum automatischen Piloten, nicht nur wegen eines mutmaßlichen Piloten-Selbstmords mit katastrophalen Folgen. Auch Zugführer wirken in Anbetracht fortschreitender Automatisierung des Streckennetzes wie ein Relikt aus der Dampflokzeit.

An der Verselbstständigung des Autos wird mit Hochdruck gearbeitet. In Michigan entsteht eine Modellstadt, in der der Verkehr ganz ohne Fahrer auskommt.

Mercedes lässt seine Brummis auf Teststrecken alleine walten; der Fahrer hinterm Steuer existiert nur noch als Aufpasser für alle Fälle. Vielleicht wird hier das Maß der Roboterisierung besonders augenfällig: eine Welt ohne Brummifahrer. Ferne Zukunft? Nein, spätestens in fünfzehn Jahren.

Widerstand der Jugend

Ohne Widerstand und Aufstände wird das nicht ablaufen. Wer die Roboter hat, hat die Macht, nicht nur bei der Küchenarbeit oder der Altenpflege. Armeen aus Robotern sind das Gegenteil vom E.T.-Feeling , das "hitch- BOT" vorgaukeln sollte.

In dem Film "Robot Overlords – Herrschaft der Maschinen" wehrt sich eine Handvoll Jugendlicher gegen die Macht der Roboter und derer, die sie dirigieren.

Ist lustig gemeint. Aber alles andere als abwegig.